Mindestlohn: 8,50 Euro für (fast) alle
Arbeitsministerin Andrea Nahles will einen flächendeckenden Mindestlohn von 8,50 Euro für alle Branchen und ab dem 18. Lebensjahr. Doch der Referentenentwurf ist noch kein Gesetz.
Berlin - Der gesetzliche Mindestlohn soll nach dem Willen von Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) für alle Branchen eingeführt werden. „Der Mindestlohn kommt wie im Koalitionsvertrag verabredet ohne Ausnahmen. Und er kommt pünktlich zum 1. Januar 2015“, kündigte die SPD-Politikerin am Mittwoch an. Der Gesetzentwurf sieht im Wesentlichen für zwei Personengruppen Ausnahmen vor. Jugendliche unter 18 Jahren ohne abgeschlossene Berufsausbildung sollen demnach keinen Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn in Höhe von 8,50 Euro pro Stunde haben. Und Unternehmen, die einen Langzeitarbeitslosen einstellen, der seit mindestens einem Jahr vergeblich auf Jobsuche ist, können im ersten halben Jahr ebenfalls einen geringeren Lohn zahlen.
Der Mindestlohn ist Teil eines Tarifpakets, das Nahles am Mittwoch zur Abstimmung an ihre Kabinettskollegen und die Verbände gegeben hat. Am 2. April soll das Kabinett den Gesetzentwurf beschließen, bevor sich Bundestag und Bundesrat damit befassen. Mit der geplanten Neuregelung soll es außerdem einfacher werden, Tarifverträge für allgemeinverbindlich zu erklären, so dass sie für alle Unternehmen in einer Branche gelten.
4 Millionen Arbeitnehmer profitieren von Mindestlohn
Der gesetzliche Mindestlohn gehört zu den zentralen Anliegen der SPD. Im Koalitionsvertrag hatten die Sozialdemokraten auf einem Mindestlohn ohne Ausnahmen bestanden – abgesehen von Ehrenamtlichen, die nicht zu den „normalen“ Arbeitnehmern gezählt werden. Doch in den vergangenen Monaten hatte es immer wieder Forderungen aus der Union gegeben, Bereiche auszunehmen, etwa Rentner, Minijobber, Studenten oder Erntehelfer. Auch die Wirtschaft will Ausnahmen vor allem für schwer vermittelbare Arbeitslose, während die Gewerkschaften auf einem flächendeckenden Mindestlohn beharren.
SPD-Chef Sigmar Gabriel sagte am Mittwoch, kein Arbeitnehmer werde künftig in Deutschland unter 8,50 Euro verdienen. „Das betrifft vier Millionen Menschen.“ Der Vizekanzler begrüßte, dass es keine Branchenausnahmen gebe. Darüber hatte Gabriel am Dienstagabend mit der CDU-Chefin Angela Merkel und dem CSU-Vorsitzenden Horst Seehofer beraten. Der Mindestlohn soll laut Gesetzentwurf „für alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer“ gelten. Auch Praktikanten sollen grundsätzlich Anspruch auf die 8,50 Euro haben, es sei denn, es handelt sich um ein Pflichtpraktikum „im Rahmen einer Schul-, Ausbildungs- oder Studienordnung“. Ein Praktikum von bis zu vier Wochen „zur Orientierung für eine Berufsausbildung oder für die Aufnahme eines Studiums“ soll ebenfalls nicht mit dem Mindestlohn vergütet werden. Für Jugendliche bleibt es bei der Altersgrenze von 18 Jahren, die Nahles vorgeschlagen hatte. Wirtschaftsverbände hatten ebenso wie Teile der Union mindestens 21 Jahre gefordert.
Über weitere Anpassung wird eine Kommission entscheiden
Wenn Gewerkschaften und Arbeitgeber sich auf tarifvertragliche Regelungen verständigen, können sie bis 2017 auch geringere Löhne vereinbaren. Ab dann gilt der Mindestlohn aber ausnahmslos für alle. Nahles hatte in den vergangenen Wochen mit mehreren Branchenvertretern darüber gesprochen, wie sie diese Übergangsfrist hinbekommen können. Dazu gehören etwa Callcenter, Zeitungsausträger, Taxifahrer und Teile des Handels.
Über die weitere Anpassung des Mindestlohns soll in Zukunft eine Kommission entscheiden, in der Arbeitgeber und Gewerkschaften paritätisch vertreten sind. Sie soll sich dabei auch nach der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung und der Lohn- und Tarifentwicklung in den vorausgegangenen zwei Jahren richten. Das läuft auf eine beinahe automatische Erhöhung hinaus. In konjunkturell schwachen Zeiten kann die Kommission auch entscheiden, den Mindestlohn konstant zu lassen. Die erste Anpassung ist mit Wirkung für 2018 vorgesehen, danach soll die Kommission jährlich tagen.
Zur Begründung des Mindestlohns heißt es im Entwurf aus dem Hause Nahles: „Die Tarifvertragsparteien sind aus eigener Kraft nicht mehr durchgehend in der Lage, einer zunehmenden Verbreitung von unangemessen niedrigen Löhnen entgegenzuwirken.“ In Branchen mit niedrigem Organisationsgrad führe dies dazu, dass die Löhne selbst für einen Alleinstehenden bei Vollzeittätigkeit nicht ausreichten, um seine Existenz ohne staatliche Hilfe zu bestreiten.