Keine Staatshilfen für Schlecker: 11 000 Mitarbeitern droht die Kündigung
Der Plan einer Auffanglösung für 11 000 Schlecker-Beschäftigte ist gescheitert. Die in Bayern mitregierende FDP sperrt sich vehement gegen eine Lösung, bei der nicht alle Bundesländer mit im Boot sind.
Der Plan einer Auffanglösung für 11 000 Schlecker-Beschäftigte ist gescheitert. Bayern sei nicht dabei, sagte Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) am Donnerstag in Berlin. Die in Bayern mitregierende FDP habe sich gegen die Übernahme eines Bürgschaftsanteils gesperrt. Ohne Bayern kommt die Garantie der Länder für einen Kredit von 70 Millionen Euro für die Transfergesellschaft, in der der Großteil von ihnen für sechs Monate weiter beschäftigt werden sollte, nicht zustande. 11 000 Schlecker-Mitarbeiter stehen vor der Kündigung.
Vize-Ministerpräsident und Wirtschaftsminister Martin Zeil (FDP) verwies am Donnerstag in München auf eine entsprechende Bedingung, die das bayerische Kabinett am Dienstag formuliert habe: nämlich, dass alle Länder mitziehen müssen. Auf die Nachfrage, ob er bereit sei, diese Geschäftsgrundlage zu ändern, sagte Zeil der Nachrichtenagentur dpa: „Nein.“ „Es gibt eine klare Vereinbarung unter allen Ländern: Wenn jedes Land mitmacht, wird sich keins verschließen“, sagte der FDP-Politiker. Wenn die Länder nicht gemeinsam gingen, dann könne es „auch aus grundsätzlichen Erwägungen und auch unter Berücksichtigung des Gleichbehandlungsgrundsatzes anderer Unternehmen“ keine Beteiligung Bayerns geben. „Ich sehe im Moment keine Grundlage für eine andere Entscheidung“, betonte der Wirtschaftsminister.
Wie dpa am Donnerstagmorgen aus Kreisen erfuhr, liefen die Telefone zwischen Stuttgart und München heiß. Um 08.00 Uhr war die Frist abgelaufen, in der Stuttgart in einem letzten Versuch doch noch eine Lösung erreichen wollte.
Dem Vernehmen nach ist sich die CSU/FDP-Regierung in Bayern uneins. Wirtschaftsminister Martin Zeil (FDP) beharre darauf, dass man nur mit allen Ländern zusammen eine Auffanglösung mittragen solle. Die CSU mit Ministerpräsident Horst Seehofer und Finanzminister Markus Söder drängen demnach aber vehement auf eine Lösung, wie dpa aus Kreisen erfuhr. Sachsen und Niedersachsen hatten erklärt, nicht mitzumachen.
Zwar habe auch Schleswig-Holstein noch kein grünes Licht gegeben, doch der Betrag dieses Landes könne von Baden-Württemberg aufgefangen werden.
Der Vorsitzende des Parlamentskreises Mittelstand der Unions-Bundestagsfraktion, Christian von Stetten, hat ausgeschlossen, dass der Bund in letzter Minute mit einer Bürgschaft für die Rettung der insolventen Drogeriekette Schlecker einspringt. „Die Steuerzahler hätten kein Verständnis, wenn der Bund hier Bürgschaften übernimmt“, sagte von Stetten „Handelsblatt Online“.
„Es ist weder ein für Deutschland wichtiges Technologieunternehmen betroffen noch eine kleine Region, die aufgrund von tausenden neuen Arbeitssuchenden überfordert ist.“ Der deutsche Einzelhandel biete zudem mehrere tausend offene Stellen, sagte von Stetten. „Wir müssen uns darauf konzentrieren, die Mitarbeiter direkt in ein neues Beschäftigungsverhältnis zu vermitteln.“ Den Gewerkschaften sowie SPD und Linken warf von Stetten vor, eine „Mitverantwortung“ an dem Zusammenbruch des Unternehmens zu tragen. Verdi sowie Politiker von SPD und Linkspartei hätten über die Medien seit Dezember 2009 zum Boykott von einzelnen Schlecker-Märkten aufgerufen. „Jetzt ist das Unternehmen pleite und die gleichen Protagonisten fordern staatliche Hilfen für die Fortführung der Filialen.“
Auch der FDP-Finanzpolitiker Frank Schäffler sieht keinen Grund, weshalb der Staat eine Drogerie retten muss. „Diese Insolvenz ist die Folge eines falschen Geschäftsmodells, das lange Zeit scharf von der Öffentlichkeit kritisiert wurde“, sagte der Bundestagsabgeordnete „Handelsblatt Online“. Wer Schlecker mit Steuergeldern rette, gefährde die Arbeitsplätze anderer. „Den Großen wird mal wieder geholfen und die Kleinen verschwinden still und heimlich vom Markt“, fügte Schäffler hinzu.
Es war ein Ringen bis zur letzten Minute, obwohl Schlecker-Insolvenzverwalter Arndt Geiwitz immer wieder zur Eile ermahnt hatte: Bis in den späten Abend hinein debattierte der Wirtschafts- und Finanzausschuss des Stuttgarter Landtags am Mittwoch über die Staatshilfe für die insolvente Drogeriemarktkette Schlecker. In der Nacht schließlich entschied Baden-Württemberg, einen letzten Rettungsversuch zu unternehmen: Wirtschaftsminister Nils Schmid (SPD) sollte bis acht Uhr am Donnerstagmorgen 45 Millionen Euro an Bürgschaftszusagen bei anderen Bundesländern einsammeln, um die Auffanglösung für die 11 200 vor der Entlassung stehenden Schlecker-Mitarbeiter doch noch auf den Weg zu bringen.
Bei Erfolg wollte Baden-Württemberg zunächst alleine bürgen
Bei einem Erfolg wollte Baden-Württemberg zunächst alleine für den Staatskredit für Schlecker in Höhe von 71 Millionen Euro bürgen. Das Unternehmen braucht diese Summe, um die Transfergesellschaften einzurichten, die die entlassenen Mitarbeiter sechs Monate lang bei der Jobsuche unterstützen und weiterqualifizieren sollen. „Wir werden eine Nachtschicht einlegen“, sagte Schmid. Bis zum Morgen wolle er die anderen Länder zu Zusagen bewegen.
Damit übernimmt Baden-Württemberg, in dem die insolvente Drogeriekette ihren Sitz hat, den größten Anteil der Bürgschaft in Höhe von 26 Millionen Euro. Eigentlich wollte das Land nur in Vorleistung treten, wenn sich alle Bundesländer über Rückbürgschaften am Risiko beteiligen. Diese „große Lösung“ war am Mittwochnachmittag aber am Widerstand Niedersachsens und Sachsens gescheitert. Die Daten des Insolvenzverwalters seien nicht zuverlässig, man habe Zweifel am Fortführungskonzept von Schlecker, hatte das FDP-geführte Wirtschaftsministerium in Hannover bereits am späten Dienstagabend verlauten lassen – und war dabei geblieben. Auch Sachsen, wo ebenfalls die FDP den Wirtschaftsminister stellt, konnte sich am Mittwoch nicht für eine Beteiligung entscheiden. Die 13 anderen Länder hatten im Vorfeld ihre Bereitschaft zu einer Bürgschaft erklärt. Berlin reagierte am Nachmittag verunsichert auf das Nein von Niedersachsen und Sachsen. „Vor zwei Tagen haben wir uns ganz klar dafür ausgesprochen – aber die Voraussetzung war, dass alle Länder mitziehen“, sagte ein Sprecher der Berliner Wirtschaftssenatorin Sybille von Obernitz (parteilos). In der Hauptstadt sollen 350 Schlecker-Mitarbeiter entlassen werden, 85 Märkte wurden bereits geschlossen. Am Mittwochabend war auch ein Dreiervorschlag, nach dem Baden-Württemberg, Bayern und Nordrhein-Westfalen alleine für die komplette Summe bürgen sollten, an einer Absage aus München gescheitert.
Bei einem Scheitern der Bürgschaft stand die Entlassung der 11 200 Mitarbeiter zum Monatsende an. Denn Schlecker kann die Transfergesellschaft nicht ohne den Kredit der KfW auf den Weg bringen. Schmid erklärte, er bedauere, dass der Beschluss des Landtagsausschusses den Schlecker-Beschäftigten noch nicht die gewünschte Sicherheit bringe.
Schlecker-Insolvenzverwalter Arndt Geiwitz sagte am Mittwochabend: „Für mich bleibt die Hoffnung, dass die anderen Länder mitziehen.“ Ohne die Transfergesellschaft würde der Verkauf der Drogeriekette massiv erschwert. Dann drohten Schlecker Tausende von Kündigungsschutzklagen, die mögliche Käufer abschreckten. „Mit den Transfergesellschaften fördere ich den Investorenprozess“, hatte Geiwitz erklärt.
Bis Ende der Woche müssen Interessenten für Schlecker schriftlich unverbindliche Angebote abgeben, dann will Geiwitz mit „etwa drei, aber nicht mehr als fünf Investoren“ Gespräche führen. Erste Interessenten für die Kette, die nun nur noch 3000 Filialen und rund 14 000 Mitarbeiter umfasst, soll es schon geben, konkrete Namen sind jedoch noch nicht bekannt. Bis Pfingsten soll aber der neue Eigentümer für Schlecker feststehen.
Unterdessen eröffnete das Amtsgericht Ulm am Mittwoch die Insolvenzverfahren für Schlecker und die Töchter Schlecker XL und Ihr Platz. Damit sei das seit Januar laufende vorläufige Verfahren beendet, sagte Insolvenzrichter Benjamin Webel. (mit dpa/AFP/dapd/REU)
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