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Spiel mit Nachspiel. Die SG Blankenburg hat Protest gegen die Wertung der Pokalpartie gegen Union Südost eingelegt. Die Unioner weisen die Vorwürfe dagegen zurück.
© Ian Stenhouse/No Dice

Wettbetrug: Zusatzeinnahmen im Pokal

Haben Bezirksligisten im Berliner Landespokal manipuliert? Nach dem Spiel zwischen SG Blankenburg und Union Südost scheint es so zu sein. Die Verlockung zum Wettbetrug ist groß.

Geschrei dringt aus der Nachbarkabine. So laut, dass Daniel Nowack seinen Ohren kaum traut. Zwischen der SG Blankenburg und Union Südost, zwei Teams aus der achten Liga, sind gerade erst 45 Minuten gespielt. Der Zwischenstand gleicht aber schon einem Endergebnis, Blankenburg führt 4:1. Unions Spieler brüllen sich an. „Das ging weit über die normale Kabinenpredigt hinaus“, erzählt Nowack. „Mich hat dann interessiert, was da los gewesen ist.“ Also geht der zweite Vorsitzende der SG Blankenburg nach Wiederanpfiff zu zwei gegnerischen Spielern, die bereits ausgewechselt sind und am Spielfeldrand stehen. „Was war los bei euch?“, fragt Nowack. Die Antwort verschlägt ihm die Sprache: „Das Spiel hier ist verkauft. Ein Teil der Jungs hat heute gegen uns gewettet“, sagt einer. Tatsächlich verliert Union Südost 3:6.

Nowack ist schockiert. Er meldet die Angelegenheit, für ihn und viele Spieler fühlt sich der Sieg wertlos an. Die SG Blankenburg gibt kurz darauf eine Presseerklärung heraus, in der der Verdacht geäußert wird, der Gegner habe das Spiel absichtlich verloren. Als Beweis wird angeführt, dass die als Favorit gehandelte Mannschaft von Südost nach dem Rückstand zur Pause das Spiel auf einmal nach Belieben beherrschte und auf 3:4 herankam, dann aber urplötzlich wieder nachließ. Beide Teams stiegen erst in dieser Saison in die Bezirksliga auf, Union Südost gilt aber als stärker. Die Neuköllner stehen auf Platz zwei, während Blankenburg gegen den Abstieg kämpft.

Union Südost wehrt sich gegen die Anschuldigungen und schiebt den Spielverlauf unter anderem auf die mangelhafte Ausrüstung seiner Spieler. „In Blankenburg wird auf Rasen gespielt, die meisten unserer Spieler haben aber keine Rasenschuhe. Dazu waren einige Stammspieler verletzt, sodass Leute aus den Reserveteams aushelfen mussten“, sagt Frank Reschke, der zweite Vorsitzende von Südost. Als der Verein von den Anschuldigungen erfährt, beraumt er eine Versammlung an, zu der laut Reschke alle Spieler erschienen sind. „Sie haben uns Stein und Bein geschworen, dass niemand auf das Spiel gewettet hat“, sagt Reschke. Die von Nowack am Spielfeld angesprochenen Spieler ziehen nach einem Bericht der „Fußballwoche“ eine Verleumdungsklage in Erwägung.

Aussage steht gegen Aussage. Am 11. Oktober kommt es nun zur Verhandlung vor dem Sportgericht des Berliner Fußball-Verbandes (BFV). Zum ersten Mal müssen sich Spieler dort wegen vermeintlichen Wettbetrugs verantworten. „Das ist eine traurige Premiere“, sagt Gerd Liesegang, der Vize-Präsident des BFV. Manipulation, das war etwas, das man bisher mit Fußballspielen aus dem Profi- oder zumindest semiprofessionellen Bereich in Zusammenhang brachte. Aber bei den Amateuren?

Unterhalb der fünften Liga führen die meisten Wettanbieter keine Spiele, erst recht nicht in der achten Liga, wo Blankenburg und Union Südost beheimatet sind. Auf die Spiele im Berliner Pokal konnte man aber bei Digibet setzen, einem privaten Anbieter mit Sitz in Großbritannien und Gibraltar.

Insgesamt wurden laut Digibet auf die Spiele des Berlin-Pokals über 2500 Wetten angenommen. Einzelwetten waren dabei nicht möglich, Spiele konnten nur im Kombipaket mit zwei anderen Begegnungen getippt werden. Das bedeutet: Nur wer bei allen Spielen richtig liegt, gewinnt. So soll die Möglichkeit für potenziellen Betrug eingegrenzt werden. Drei Spiele zu manipulieren ist schwieriger als eins.

Die Frage ist, warum Wettanbieter überhaupt Spiele aus den unteren Amateurklassen in ihr Angebot aufnehmen. Gerd Liesegang hat dafür kein Verständnis. „Man sollte meinen, dass diese Spiele außer den Aktiven kaum jemanden interessieren.“ Digibet rechtfertigt die Aufnahme von Amateurspielen ins eigene Angebot in einem Schreiben an den Tagesspiegel so: „Digibet versteht sich als verantwortlich handelndes Unternehmen und möchte auch den Anhängern von kleineren Vereinen die Möglichkeit geben, auf ihre Mannschaft zu wetten.“ Dass die Manipulationsgefahr steigt, je tiefer die Spielklasse ist, weiß man bei Digibet offenbar. „Deswegen werden Wetten nur zu kleinen Beträgen angenommen und müssen kombiniert werden“, heißt es in dem Schreiben weiter. Doch auch mit kleinen Beträgen lässt sich für Amateurfußballer ein lukrativer Gewinn erzielen. Beim Spiel Blankenburg gegen Union Südost war die Quote für einen Blankenburger Sieg 5:1. Gewissensbisse könnten für einige Spieler gerade im Berlin-Pokal schnell zur Nebensache werden. Der Wettbewerb ist nur für wenige Vereine attraktiv. Am Ende gewinnen dort so gut wie immer Teams aus der Regional- oder Oberliga, Mannschaften aus dem semiprofessionellen Bereich also.

Auf das Spiel Blankenburg gegen Union Südost seien neun Wetten eingegangen, berichtet Digibet. Mit einem Gesamteinsatz von 912,92 Euro wurde allerdings eine interne Prüfgrenze überschritten. Das Spiel sei daraufhin für weitere Wetten gesperrt worden. „Dies ist ein marktüblicher Vorgang der Buchmacher zur Risikobegrenzung“, so Digibet. Von den neun Wettern sei lediglich einer erfolgreich gewesen. Derjenige hätte 990,80 Euro gewonnen. Bei solchen Summen wundert sich Liesegang nicht, dass mancher Amateurspieler womöglich schwach wird.

Rechtlich gibt es keine Möglichkeiten, gegen die Anbieter vorzugehen. Deshalb will der Verband versuchen, so schnell wie möglich mit Digibet über mögliche Lösungen zu diskutieren. Aussichten auf Erfolg sind für den Verband durchaus gegeben. Gegenüber dem Tagesspiegel erklärt Digibet: „Die Geschäftsführung überlegt, ob Wetten auf diese Landespokale noch weiter angeboten werden sollen.“ Falls sich der Manipulationsverdacht bestätigt, sehe sich der Anbieter selbst als Geschädigter und behalte sich rechtliche Schritte vor.

Selbst wenn Digibet Wetten auf Pokalspiele aus dem Angebot streicht, wäre das Problem nicht gelöst. Digibet ist nicht der einzige Anbieter, bei dem man auf niederklassige Spiele wetten kann. „Wo Geld im Spiel ist, werden immer Verlockungen sein“, sagt Liesegang. Nicht nur für Berliner Amateurfußballer.

Sebastian Stier

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