Union-Präsident: Zingler leistete seinen Wehrdienst bei stasinahem Wachregiment
Der 1. FC Union versucht, die Vergangenheit von Präsident Dirk Zingler als nicht problematisch darzustellen. Keine leichte Sache bei einem Klub, der sich immer als Gegenentwurf zum Stasi-Klub BFC Dynamo verstand.
Berlin - Die Wortwahl soll alles andere als fein gewesen sein. „Scheiß Bullen, ihr Wichser“, soll Marcel Höttecke Polizisten am frühen Morgen des 16. November 2010 in Charlottenburg gerufen haben. Nun erließ ein Amtsgericht gegen den Torwart des 1. FC Union Berlin einen Strafbefehl wegen Beleidigung. Der 24-Jährige soll eine Geldstrafe von 16 000 Euro zahlen, bestätigte ein Gerichtssprecher. Zudem sei eine Buße von 150 Euro verhängt worden, weil er angeblich gegen eine Hauswand gepinkelt haben soll.
So wird der Dienstag beim 1. FC Union wohl als weniger gut in Erinnerung bleiben. Zuvor war bekannt geworden, dass Unions Präsident Dirk Zingler seinen dreijährigen Wehrdienst zu DDR-Zeiten beim Wachregiment Feliks Dzierzynski geleistet hatte. Die Einrichtung unterstand dem Ministerium für Staatssicherheit (MfS) und zeichnete sich durch die Rekrutierung besonders regimetreuer Bürger aus.
Von einer direkten Stasivergangenheit Zinglers zu sprechen wäre falsch, dennoch dürften viele Fans nicht gerade glücklich sein über die Vita des ranghöchsten Mannes im Verein. Kaum ein Klub beruft sich so sehr auf seine Geschichte wie der 1. FC Union. Als Gegenentwurf zum BFC Dynamo, dem Lieblingsverein von Stasichef Erich Mielke, sammelten sich bei den Köpenickern vor allem jene, die mit der DDR und deren Staatsmacht keine Berührungspunkte mehr sahen. Union wurde zum Klub der Außenseiter, und die gefühlte Benachteiligung zum Mythos der Ewig-ums-Überleben-Kämpfenden. Umso überraschender, dass sich viele Anhänger nun milde mit dem Präsidenten zeigen – trotz dessen Entscheidung für eine Armeezeit im stasinahen Wachregiment. „Jeder von uns hatte ein Leben in der DDR, und wer ohne Sünde ist, werfe den ersten Stein“, schrieb ein Benutzer im Unionforum. Andere sahen es deutlich kritischer und forderten Zinglers Rücktritt. Auch auf der Facebookseite des Vereins diskutierten so viele Benutzer, dass sich der Zweitligist gezwungen sah, eine Stellungnahme zu veröffentlichen.
„Dirk Zingler hat nie ein Geheimnis daraus gemacht, wo er seine Armeezeit verbracht hat, und der Aufsichtsrat war vor seiner Berufung zum Präsidenten darüber informiert. Es gibt für uns nicht den geringsten Zweifel an seiner persönlichen Integrität oder seiner Eignung für das Amt des Präsidenten. Er hat unser vollstes Vertrauen“, sagte der Aufsichtsratsvorsitzende Antonio Hurtado. Zingler sieht in seiner Vergangenheit kein Problem für eine weitere Zukunft als Präsident. „Mein persönliches Umfeld, die Gremien im Verein haben das vom ersten Tag an gewusst. Es war kein Geheimnis.“ Trotz der Relativierungen aller Beteiligten ist nicht gewiss, welche Konsequenzen aus der Geschichte für Zingler wirklich resultieren. Es wird interessant zu beobachten sein, wie die Fans noch reagieren. „Das muss ich aushalten, und das halte ich auch aus“, sagte Zingler. Die Menschen würden sich ein Urteil bilden, „einige fundiert, einige emotional“. Am Sonnabend beim Heimspiel gegen Greuther Fürth (15.30 Uhr) wird Zingler nicht im Stadion sein, er weilt im Urlaub.
Marcel Höttecke dürfte das alles relativ egal sein. Er hat derzeit andere Sorgen.