Tagesspiegel-Wahl: Maier ist bester Torwart: Wolfgang Kleff: "Ich habe ihn zum Titel getrieben"
Sepp Maier ist von unserer Experten-Jury zum stärksten Torhüter der Bundesliga-Geschichte gewählt worden. Wolfgang Kleff, sein Konkurrent aus Mönchengladbach, würdigt den Münchner.
Herr Kleff, Sepp Maier ist vom Tagesspiegel zum besten Torhüter aus 50 Jahren Bundesliga gewählt worden.
Jetzt bin ich aber tödlich beleidigt.
Wen hätten Sie denn gewählt?
Maier ist schon in Ordnung. Da ist der Sepp auch mal die Nummer eins – es sei ihm gegönnt. Wer so lange in Deutschland die Nummer eins war, der hat es verdient. Wir haben in Deutschland immer sehr gute Torhüter gehabt, aber wieso sollte man einen von den aktiven wählen? Die müssen sich erst mal beweisen und Titel gewinnen. Das ist für die Deutschen ja wichtig. Wenn du Zweiter oder Dritter wirst, ist das gar nichts.
Oliver Kahn ist bei unserer Wahl die Nummer zwei. Auch ein außergewöhnlicher Torhüter, der im WM-Finale 2002 den entscheidenden Fehler gemacht hat. Maier hingegen hat 1974 im WM-Finale vermutlich das Spiel seines Lebens gemacht.
Vielleicht spielt das eine Rolle. Kahn ist ja auch kein Schlechter gewesen. Aber er war manchmal zu sehr verbissen. Maier war freundlicher, menschlicher. Und er hat was erreicht. Sepp war Meister, Europacupsieger, Welt- und Europameister. Das war ich auch. Ohne mich hätte er die Leistung gar nicht bringen können. Ich habe ihn zum Titel getrieben. (lacht)
Wie haben Sie seinen Auftritt im WM-Finale 1974 erlebt?
Ich erinnere mich: Er hat da ganz gut gehalten.
Saßen Sie auf der Ersatzbank?
Auf der Tribüne. Dadurch hatte ich das Vergnügen, mit Prinzessin Caroline von Monaco einen Cognac zu trinken. Das war auch ganz nett. Das konnte der Sepp nicht. Der musste sich von Johan Neeskens abschießen lassen.
Was konnte Maier besser als Sie?
Enten fangen. Nein, was konnte er besser? Schwer zu sagen. Dass ich besser aussah, steht außer Frage. Aber als Torwart war er besser, wirklich. Damit hatte ich auch nie ein Problem. Aber was er konkret besser konnte als ich? Abwerfen vielleicht.
Ihre Abwürfe waren auch nicht so schlecht.
Ich kam nicht so weit. Dafür habe ich genauer abgeworfen.
Hat sich Ihr Torwartspiel unterschieden?
Ich behaupte mal ganz frech: Ich war der bessere Fußballer. Wenn du als Torhüter ein schlechter Fußballer bist, pöhlst du den Ball nur nach vorne und drückst die Daumen: Hoffentlich kriegt den einer von uns. Ich habe mehr mitgespielt. Bei Jogi Löw hätte ich gute Chancen. Der will ja einen Torhüter haben, der von hinten das Spiel mit eröffnet. Wenn wir in Mönchengladbach im Training vier gegen zwei spielten, war ich immer in Gruppe eins. Gruppe eins waren die besten Fußballer.
Hatten Sie mal eine realistische Chance, Sepp Maier als Nummer eins abzulösen?
Hab ich doch. Das war 1973, da hatte Sepp ein Grottenjahr, war sauschlecht. Im Europapokal haben die Bayern in zwei Spielen 1:6 gegen Ajax Amsterdam verloren. Da konnte Helmut Schön gar nicht anders, als mich ins Tor stellen. Ich habe das natürlich wohlwollend angenommen. Aber ich wusste auch, wenn sich alles normalisiert, wird Sepp wieder die Nummer eins. Nicht unbedingt weil er besser war, sondern weil er ein Recht darauf hatte. Helmut Schön ist ja mit Maier groß geworden. Der Sepp hat ja schon in der Jugend unter ihm gespielt. Ich nicht. Ich bin als Amateur nach Gladbach gekommen und Nationalspieler geworden.
Hat die mächtige Bayern-Fraktion Lobbyarbeit für ihren Torhüter Maier betrieben?
Keine Ahnung. Könnte ich mir aber vorstellen. Obwohl sie das gar nicht mussten. Sepp hatte einfach den Vorteil, dass er bei der Nationalmannschaft die Abwehr vor sich hatte, die auch bei den Bayern vor ihm stand, Breitner, Beckenbauer, Schwarzenbeck. Da setzt man vielleicht keinen Fremden rein. In der Abwehr waren drei Leute von ihm – und einer von mir: Berti Vogts.
Wie ist er mit Ihnen umgegangen, als Sie seinen Platz innehatten?
Er war jahrelang die Nummer eins, und dann kam ich plötzlich daher. Für Sepp war das schwierig. Natürlich war er angefressen, das kann ich auch verstehen. Aber er war nicht böse auf mich. Absolut nicht. Das Verhältnis war gut.
Haben Sie bei der Nationalmannschaft mal mit Maier auf einem Zimmer gelegen?
Ja, da gab es auch keine Schlägerei, gar nichts. Das war ein freundliches Miteinander. Wir hatten nie Probleme.
War es trotzdem bitter für Sie, den Platz wieder zu verlieren?
Nein, ich konnte damit umgehen. Ich war nicht so verbissen. Ich war die Nummer eins bei Borussia Mönchengladbach, bin Meister und Europapokalsieger geworden. Das reichte mir in dem Moment. Man muss im Leben auch mal akzeptieren, dass ein anderer eine Nuance besser ist. Ich war immer kritisch mit mir. Ich habe mir nie gesagt: Ich bin der Beste.
Wer war eigentlich der Witzigere?
Das liegt im Auge des Betrachters. Jeder war witzig auf seine Art. Ich bin spontaner, denke ich mal. Sepp Maier hat Karl Valentin parodiert, ich wurde mit Otto Waalkes verglichen. Aber ich habe Otto nie nachgemacht. Man hat mir mal angetragen, dass ich auf der Bühne einen auf Otto machen soll: wie er so hüpft, mit den Händchen nach oben. Ich habe gesagt: Mach ich nicht. Ich bin keine Kopie.
Haben Sie sich mit Ihren Späßen gegenseitig hochgeschaukelt?
Nein, vor Länderspielen hattest du weder Zeit noch Lust dazu. Und nach dem Spiel ist jeder seiner Wege gegangen, jeder mit seiner Clique, er mit den Bayern, ich mit den Gladbachern. Der eine musste dem anderen nicht beweisen, wie witzig er ist oder dass er witziger ist als der andere. Das lag mir persönlich fern und dem Sepp, so wie ich ihn kenne, auch.
Als Sie 1968 nach Gladbach kamen, war Maier schon Nationaltorhüter. Wie haben Sie ihn wahrgenommen?
Als Konkurrent, als wahnsinniger Konkurrent – weil er bei den Bayern spielte. Nicht weil er Nationalspieler war. So weit dachte ich nicht. Später war das anders. Da dachte man schon mal: Du darfst nicht verkrampfen, musst auf jeden Fall besser sein als der Sepp. Aber der eigentliche Reizpunkt war, dass da zwei großartige Mannschaften gegeneinander spielten. Ganz Deutschland guckte darauf. Da konnte man sich schön ins Gespräch bringen. Aber eigentlich wollte ich nur gut sein und meiner Mannschaft helfen.
Was hat Sie als junger Torhüter am meisten an Maier beeindruckt?
Seine langen Arme. Der Sepp hat wirklich unglaublich lange Arme. Er war nur drei Zentimeter größer als ich, aber wenn der hoch sprang, bekam er jeden Flankenball. Ich hingegen mit meinen verkümmerten Ärmchen. Ich musste die Sprungkraft verbessern, damit ich auch an die Bälle kam. Aber damals sind die Flanken ja noch in den Strafraum, wie soll man sagen, gesegelt. Da konnte man sich noch an der Flugbahn orientieren. Heute kommen die reingepfiffen.
Das Gespräch führte Stefan Hermanns.
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