Kevin Kuranyi im Interview: „Wodka aus der Leitung? Nonsens!“
Heute kehrt der frühere Nationalspieler Kevin Kuranyi mit seiner jetzigen Mannschaft Dynamo Moskau nach Stuttgart zurück. Er spricht mit dem Tagesspiegel über den VfB und seine Erfahrungen in der russischen Hauptstadt.
Herr Kuranyi, Sie spielen heute mit Dynamo Moskau beim VfB Stuttgart. Haben Sie schon vorher frei bekommen, um die Familie zu besuchen? Es hielten sich bis zuletzt Gerüchte, ein Auto mit dem Kennzeichen S - KK stehe vor Ihrem Haus in Stuttgart-Sonnenberg.
Ich komme ja nicht mit dem Auto von Moskau nach Stuttgart, deshalb ist das sicher kein Indiz für meine Anwesenheit. Aber es stimmt schon: Ich bin noch regelmäßig in Stuttgart. Doch rund um das Europa-League-Spiel wird sich dafür keine Zeit finden. Wir machen ja keinen Betriebsausflug nach Stuttgart, wir wollen eine Runde weiterkommen.
Ist es ein besonderes Spiel? Sie haben beim VfB gespielt und Ihr Vater lebt immer noch in Stuttgart.
Nicht nur meine Familie lebt dort, auch die meiner Frau. Dazu viele Freunde und Bekannte. Deshalb sind wir auch noch sehr häufig in Stuttgart. Das ist unsere Heimat, dort werden wir auch nach meiner Karriere leben. Das steht fest.
Wie sieht Ihr Alltag in Moskau aus?
Ganz normal, wie der von Familien in Deutschland auch. Was habe ich nicht für Vorurteile im Vorfeld gehört. Bären auf der Straße, Wodka aus den Wasserhähnen und immer 40 Grad minus. Alles Nonsens. Der einzig wirklich große Unterschied ist der Verkehr. Wenn Sie da zur falschen Zeit am falschen Ort sind, dann können Sie schon mal den halben Tag im Auto verbringen.
Was ist mit dem Einfluss der Politik? Ihr Klub bekommt jetzt einen ehemaligen KGB-Funktionär als Präsidenten.
Ich kenne ihn nur als Mitglied des Dynamo-Vorstands. Ob und wie viel Politik dahintersteckt, kann ich nicht beurteilen.
Trotz der Verbindungen in die Politik und großer Investitionen legte Ihr Team mit fünf Niederlagen einen historischen Fehlstart hin, im letzten Spiel flogen Sie mit Gelb-Rot vom Platz, seit Montag haben Sie einen neuen Trainer. Was sind die Gründe?
Das ist immer schwer zu sagen. Wir hatten eigentlich eine gute Vorbereitung. Aber dann haben wir das erste Spiel mit Pech verloren, mussten danach gegen Meister St. Petersburg ran – und sind dann in eine Negativspirale geraten. Ich hoffe, dass der Knoten bald platzt. Am besten schon gegen den VfB.
Ihr Sturmpartner Andrej Woronin wurde an Fortuna Düsseldorf ausgeliehen. Wie sehr fehlt er Ihnen nun?
Ein Andrej Woronin in Bestform ist für jede Mannschaft ein Gewinn. Aber es gab interne Probleme, deshalb hat man sich getrennt. Allerdings hätte ich mir gewünscht, dass wir ihn auch angemessen ersetzen. Aber auch so haben wir eigentlich eine Mannschaft, die stark genug ist, gegen den VfB Stuttgart bestehen zu können. Wir sollten nur endlich die Kurve bekommen.
Wie sieht Ihre Bilanz in Moskau aus? Wie ist das Niveau der russischen Liga im Vergleich zur Bundesliga?
Die Entwicklung war eigentlich durchweg positiv. Als ich kam, stand Dynamo im Mittelfeld der Tabelle, am Ende wurden wir immerhin noch Siebter. Letzte Saison landeten wir auf Rang vier, das war okay. Zenit St. Petersburg ist eine absolute Top-Mannschaft, gleiches gilt für unsere Stadtrivalen ZSKA und Spartak. Eigentlich wollten wir da oben auch ein wenig mitmischen. Spielerisch und taktisch gibt es keine so großen Unterschiede zur Bundesliga.
Seit dem Rauswurf durch Bundestrainer Joachim Löw vor vier Jahren begleitet Sie eine Frage: Gibt es Hoffnung, dass Sie noch einmal in der deutschen Nationalmannschaft spielen?
Ganz ehrlich: Zu diesem Thema ist von allen alles gesagt worden.
Das Gespräch führte Oliver Trust.
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