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Die Weltmeister von 1954 nach dem gewonnenen Finale in Bern. Hans Schäfer ist der 4. von rechts.
© dpa/Richard Kroll

Zum Tode von Hans Schäfer: "Wir sind keine Helden von Bern"

Hans Schäfer, einer der Weltmeister von 1954 ist tot. Das Finale gegen Ungarn gewann Deutschland 3:2 - auch weil Schäfer seinem Gegenspieler den Ball abjagte. 2010 erinnerte sich Schäfer an die WM.

Hans Schäfer, einer der legendären deutschen Fußballweltmeister von 1954, ist tot. Der frühere Spieler des 1. FC Köln starb am Dienstag nur knapp drei Wochen nach seinem 90. Geburtstag. Aus diesem Anlass veröffentlichen wir hier noch einmal einen Text von 2010, in dem sich Schäfer an den 3:2-Sieg gegen den hohen Favoriten Ungarn im Finale von Bern erinnert.

Mit dem Ausdruck „Wunder von Bern“ habe ich noch nie etwas anfangen können. Natürlich war es eine riesige Überraschung, dass wir 1954 durch das 3:2 gegen Ungarn Weltmeister geworden sind. Damit hatte niemand gerechnet, am wenigsten wir selbst. Wir haben gedacht: Wir fahren in die Schweiz, spielen die Vorrunde, und dann sind wir wieder weg. Aber ein Wunder war das nicht. Im Sport gibt es keine Wunder. Es war eine großartige Leistung einer großartigen Mannschaft.

Wir waren doch krasse Amateure, haben nur zweimal in der Woche trainiert. Deshalb hatten wir schon gewonnen, bevor das Endspiel überhaupt angepfiffen wurde: Wir konnten gar nicht mehr verlieren, weil wir bereits mehr erreicht hatten, als uns irgendjemand zugetraut hatte. Die Ungarn hingegen waren echte Vollprofis. Vier Jahre lang hatten sie nicht mehr verloren, und dann erwischt es sie ausgerechnet im Finale der Weltmeisterschaft. Das haben die gar nicht kapiert.

Menschlich waren die Ungarn alle super saubere Jungs, und über ihre fußballerischen Fähigkeiten müssen wir gar nicht reden. Technisch waren sie uns allen überlegen, von Fritz Walter einmal abgesehen. Das hat man auch in Bern gesehen. Nach gerade acht Minuten führte Ungarn schon 2:0, dadurch aber sind wir erst richtig wach geworden. Wir hatten eine Wut im Buch, und dann sind wir explodiert. Aber man kann kämpfen und sich einsetzen, wie man will. Es gehört auch viel Glück und Massel dazu, damit das Unfassbare passiert. Damals im Wankdorfstadion hat einfach alles gepasst.

Vor dem 2:2 zum Beispiel. Da schlägt Fritz Walter eine Ecke von der linken Seite, ich steige hoch zum Kopfball, Gyula Grosics im Tor will den Ball wegfausten, aber er kommt nicht heran, weil er in der Luft gegen mich prallt. Der Ball fliegt über uns hinweg, und Helmut Rahn muss ihn nur noch über die Linie drücken. Ich habe Grosics nicht gerempelt, ich bin einfach hochgesprungen. Das war kein Foul, aber es gibt sicherlich Schiedsrichter, die das abgepfiffen hätten.

Von Hause aus war ich Linksaußen, ich hatte einen starken linken Fuß, war sehr dynamisch, wuchtig, kampfstark und hatte einen Drang zum Tor. Auf einer ähnlichen Position wie ich damals spielt heute Lukas Podolski. Aber Lukas ist ein ganz anderer Typ als ich, viel spielerischer, mit einer besseren Technik, als ich sie je hatte. Seine Schusstechnik – einmalig! Nur fehlt ihm manchmal noch die Einstellung, den Kampf richtig anzunehmen.

Hans Schäfer vor dem 2:2 im Duell mit Ungarns Torwart Gyula Grosics.
Hans Schäfer vor dem 2:2 im Duell mit Ungarns Torwart Gyula Grosics.
© p-a/Keystone

An der Einstellung hat es mir nie gemangelt. Weil ich zudem eine Bombenkondition hatte und schnell war, bekam ich für das Finale eine besondere Aufgabe vom Bundestrainer zugeteilt. Als rechter Läufer spielte bei den Ungarn Jozsef Bozsik, ein wunderbarer Fußballer und traumhafter Techniker. Von seiner Position her wäre eigentlich Fritz Walter sein Gegenspieler gewesen, doch weil der Fritz nicht mehr der Jüngste war, hat Sepp Herberger zu mir gesagt: „Hans, Sie gehen mit dem Bozsik mit, wenn er sich in den Angriff einschaltet.“ Also bin ich ihm hinterher, auch in der 84. Minute. Bozsik war eigentlich schon weg, aber ich habe ihn eingeholt und ihm im Zweikampf den Ball abgenommen. Auch da war eine Menge Glück im Spiel. Der Rest ist bekannt: Ich flanke in die Mitte, der Ball wird abgewehrt und landet auf dem Fuß von Helmut Rahn. Der Boss hat ihn dann reingemacht. Was ich damals gedacht habe? Nicht viel. Wir haben bloß noch getanzt – vor Freude. Die letzten Minuten des Spiels aber waren noch eine böse, harte Zeit für uns.

Der WM-Titel war der größte Erfolg meiner Karriere, natürlich macht mich das stolz – aber es ist kein Grund, überheblich zu werden. So wie der Sieg kein Wunder war, so sind wir auch keine Helden. Alle, die mich kennen, sagen, dass ich derselbe geblieben bin, der ich immer war. Ich habe im Finale die entscheidende Flanke zum 3:2 geschlagen, doch deshalb habe ich noch lange keinen größeren Anteil an diesem Sieg als Toni Turek im Tor, Max Morlock, der den Anschlusstreffer erzielt hat, Jupp Posipal, Horst Eckel und all die anderen aus unserer Mannschaft. Wir waren eine Einheit, und wir haben alle zu diesem Erfolg beigetragen.

Sepp Herberger hat nach dem Spiel in der Kabine zu uns gesagt: „Männer, euer ganzes Leben wird sich verändern.“ Wir haben das damals nicht geglaubt, aber irgendwo hat er Recht behalten. Ich könnte mich noch heute überall feiern und hofieren lassen. Weltmeister bleibt man sein Leben lang, aber am liebsten bin ich ein Weltmeister im Hintergrund.

Aufgezeichnet von Stefan Hermanns.

Hans Schäfer

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