Ex-Barca-Star José Mari Bakero: „Wir sind alle Cruyffistas“
José Mari Bakero spielte zwischen 1988 und 1996 für den FC Barcelona. Im Interview spricht er über über Barcelonas Charakter, ein magisches Spiel in Kaiserslautern und die Zukunft von Trainer Pep Guardiola.
Señor Bakero, am Samstag findet in London das Finale der Champions League zwischen dem FC Barcelona und Manchester United statt. Drei Stunden zuvor spielen Sie als Trainer mit Ihrem Team Lech Posen in der polnischen Liga noch gegen Korona Kielce. Welches Spiel interessiert Sie mehr?
Beide Spiele sind mir natürlich wichtig. Nach unserem letzten Saisonspiel werde ich mir aber sofort das Finale ansehen. Mein Herz hängt immer noch an Barca. Ich bin auch noch Mitglied, meine Frau übrigens auch.
Sie waren Teil jener Mannschaft Barcelonas, die 1992 in London gegen Sampdoria Genua zum ersten Mal den Europapokal der Landesmeister gewann. Welche Erinnerungen haben Sie an diesen Tag?
Das Spiel war nichts für Ästheten, ein langweiliges Geschiebe ohne Tore nach regulärer Spielzeit. Sampdorias Deckung hat uns ganz schön zugesetzt. Typisch italienisch haben die gespielt: Hinten war alles dicht und vorne hatten sie gefährliche Leute wie Gianluca Vialli oder Roberto Mancini. Als wir dann in der Verlängerung einen Freistoß dicht vor dem Tor von Genua bekamen, war ich mir aber sicher, dass Ronald Koeman den reinhaut. Ronald hatte damals den härtesten Schuss überhaupt, wenn der Ball aufs Tor kam, war er meistens drin. So war das auch in London. Den Europapokal haben wir aber nicht an diesem Tag gewonnen.
Sondern?
In der zweiten Runde in Kaiserslautern. Von da an konnten wir eigentlich nicht mehr verlieren.
Auf dem Betzenberg trafen Sie in der 90. Minute zum 1:3. Das reichte Barcelona gerade so zum Weiterkommen. Hatten Sie Kaiserslautern unterschätzt?
Schwer zu sagen. Das Hinspiel konnten wir noch locker mit 2:0 gewinnen, Kaiserslautern war chancenlos. Als wir zum Rückspiel auf dem Betzenberg ankamen, schwante mir Böses. Das Stadion war klein und eng, und die Zuschauer saßen ganz dicht am Spielfeldrand. Ich kannte das aus meiner Zeit in San Sebastian und wusste, welchen Einfluss die Fans nehmen konnten. Die Kaiserslauterer war auf einmal nicht wiederzuerkennen.
In Barcelona sagt man, Ihr Tor veränderte die Geschichte des Klubs.
Stimmt, weil in den Köpfen der Leute etwas passierte. Bis dahin hatte Barca den Ruf des ewigen Zweiten, der in den entscheidenden Momenten versagt. Der Klub hatte bis 1990 in 30 Jahren zuvor nur zwei Meisterschaften gewonnen, das nagte am Selbstvertrauen der Menschen. Dazu kam eine Niederlage im Europapokal-Finale 1986 gegen Steaua Bukarest. Es hieß, dass aus der Primera Division nur Real Madrid diesen Titel gewinnen kann – bis wir kamen.
Barcelonas Mannschaft der frühen Neunziger mit Ihnen, Hristo Stoitschkow oder Michael Laudrup wird heute als Dream Team bezeichnet. Wie kam es zu diesem Namen?
1992, bei den Olympischen Spielen in Barcelona, wurden die amerikanischen Basketballer um Michael Jordan und Magic Johnson Dream Team genannt, weil sie nicht zu schlagen waren und dabei auch noch wunderschön spielten. Die Menschen in Barcelona fanden, dass für uns das Gleiche zutrifft.
Was zeichnete diese Mannschaft aus?
Der Zusammenhalt. Natürlich haben wir auch einen ganz ansehnlichen Fußball gespielt, aber das kam erst später. Als Johan Cruyff 1987 Trainer des FC Barcelona wurde, hat er elf neue Spieler geholt, dreizehn mussten gehen. Ich gehörte zu den Neuen, und wir verstanden uns alle auf Anhieb. Wir waren eine Gruppe junger Männer, die die gleichen Sorgen, Ängste und Freuden teilte: weit weg von zu Hause, ein neuer Klub, neue Stadt. Das schweißte zusammen.
Cruyffs System mit drei Stürmern gilt bis heute als die Grundlage der offensiven Spielphilosophie des FC Barcelona. Wie ungewöhnlich war dieses System damals?
Es war nicht völlig neu. Cruyff gab weiter, was er in Holland gelernt hatte. Seit Cruyffs Ankunft in Barcelona in den siebziger Jahren orientiert sich der Klub an der holländischen Schule. Das wird über Generationen weitergegeben. Einige der damaligen Mannschaft sind wie ich Trainer geworden. Wir sind alle Cruyffistas.
Einer, der heute wie Sie Trainer ist, ist Barcas aktueller Trainer Pep Guardiola. Er galt schon zu Spielerzeiten als Cruyffs verlängerter Arm auf dem Feld.
Es gibt für Barca keinen besseren Trainer als Pep. Er war schon als Spieler unheimlich wissbegierig und immer ein Vorbild. Er ist Katalane und hat im Klub fast alle Stationen durchlaufen. Kaum jemand kennt den Verein so gut wie er.
Angeblich will Guardiola nach dem Champions-League-Finale den Klub verlassen.
Das kann ich nicht genau sagen, dafür bin ich in Polen zu weit weg von Barcelona. Aber Pep hat ein gutes Gespür dafür, wann es Zeit ist zu gehen.
Unter Guardiola wurde Barcelona in drei Jahren drei Mal Meister und steht nach dem Sieg 2009 zum zweiten Mal im Finale der Champions League. Ist die jetzige Mannschaft besser als das Dream Team?
Das kann man nicht vergleichen, weil beide Teams in einer anderen Zeit anzusiedeln sind. Wir hatten mehr Arbeiter im Team, die neben den Feingeistern Michael Laudrup, Hristo Stoitschkow oder später Romario für Sicherheit sorgten. Die heutige Mannschaft ist fußballerisch viel stärker. Sie ist wie eine Weiterentwicklung von uns. Wir sind die Väter, aber unsere Söhne haben die DNS der Familie noch mal verbessert. Ganz nach Johan Cruyff: Barca heute ist Fußball total.