Willmanns Kolumne: Wir machten das Tor auf
In dieser Woche berichtet Frank Willmann in seiner Kolumne über Welcome-United-Nulldrei, eine Flüchtlingsmannschaft des SV Babelsberg, die ab dem kommenden Jahr am Brandenburger Spielbetrieb teilnehmen wird.
Los, wagt mal einen flinken Blick auf die aktuellen Kriegsgebiete unserer lieben Mutter Erde. Es gibt massenhaft Gegenden, wo man als Erdenbewohner sehr schnell sein Leben verliert, wegen Kleinkram viele Jahre in den Knast kommt und nicht mal Zeit hat, seinen Kindern, die man wahrscheinlich nie wieder sehen wird, Lebewohl zu sagen. Täglich färbt sich unser blauer Planet blutrot und all unsere guten Vorsätze, Mensch zu sein, sind plötzlich gefragt. Auch wenn die schweigende Mehrheit sich in solchen Momenten gern elegant verdünnisiert, und sich ein nicht kleiner Prozentsatz Mitbürger wie ein Haufen menschlicher Verdauungsprodukte verhält. Wie viele Menschen sind im Februar auf dem Weg in die Freiheit ertrunken, erfroren, an Erschöpfung verreckt? Fünfhundert, tausend, viertausend?
Ich bin 1984 aus der DDR abgehauen. Weil es eine kleingeistige Diktatur von Dachdeckern und moskautreuen Wichten war. Und mich Land und Leute in meinem Freiheitsdrang zu erdrücken drohten. Ich hatte Glück, da ich zufällig Deutscher bin und die Bundesrepublik mich mit offenen Armen empfing. Mir Obdach gewährte, mich finanziell unterstützte und mir Bildung und Beruf offen standen. Gelegentlich wurde mir erklärt, ich sei ein Wirtschaftsflüchtling und räudiger Ossi, der dem deutschen Volk auf der Tasche läge. Daran gewöhnte ich mich schnell, ich lag in meinem Bildungshunger dem deutschen Volk gern auf der Tasche. Außerdem gab es genug neugierige und offene Leute, die wissen wollten, was im Arbeiter – und Bauernparadies wirklich abging.
Warum nicht ein Team von Flüchtlingen bilden?
Auch heute flüchten Menschen, bekommen Asyl gewährt und befruchten, im glücklichsten Fall, die neue Heimat mit ihren Talenten. Manja Thieme, ehrenamtliche Helferin bei der Ausländerseelsorge Babelsberg, lernte letztes Jahr im Rahmen ihrer Tätigkeit einen jungen Nigerianer kennen. Er erzählte ihr, wie gern er in Deutschland wieder aktiv Fußball spielen würde. Schnell bekam die Babelsberg-Anhängerin mit, dass der Mann mit seinem Wunsch nicht allein stand. Manja überlegte ein bisschen. Warum nicht ein Team von Flüchtlingen bilden? So etwas gab es bis dahin in Deutschland nicht. Sie fragte bei ihrem Lieblingsclub nach, ob es dort Verständnis für ein solches Projekt gibt. Sogleich griffen SV Babelsberg Geschäftsstellenleiter Björn Lars und Marketingleiter Thoralf Höntze ein. Im Juli 2014 war Welcome-United-Nulldrei geboren.
Drei coole Socken machten das Refugee Team zu einem offiziellen Team des Klubs. In der nächsten Saison wird die Mannschaft am Brandenburger Spielbetrieb teilnehmen. Und was sagten die Fans von Babelsberg dazu? Sie sind Sponsor der Mannschaft. Das Angenehme mit dem nützlichen verbinden. Fußball ist schon richtig geil. Manchmal. Die Kicker kommen überwiegend aus Afrika und Asien. Viele flüchteten über das Mittelmeer, einer sah hunderte auf einem Schiff sterben. Ehe er neben einer Handvoll Überlebender von der italienischen Küstenwache gerettet wurde. Ein stiller Mann, der mit seiner Geschichte nicht hausieren geht. Alle haben eine bittere Fluchtgeschichte hinter sich. Jochen Schmidt, einer meiner Mitspieler unserer Schriftstellermannschaft, hatte die Idee, gegen Welcome-United-Nulldrei zu kicken. Und ein paar dringend benötigte Dinge mitzubringen. Letzten Sonntag machten wir das Tor auf und ließen es sechsmal klingeln. 6:3 gewann Babelsberg, aber das Ergebnis wurde nicht ganz so eng gesehen.
Neben Babelsberg zeigt in unseren Breiten auch der 1. FC Union Flagge. Seit Dezember 2014 wohnen in einer neu errichteten Flüchtlingsunterkunft in der Alfred-Randt-Straße im Köpenicker Allende-Gebiet II Menschen, die aus ihren Heimatländern nach Deutschland geflohen sind. Schon länger wohnen Flüchtlinge in einem Heim im Allende-Gebiet I. Am 25.02. lud die Union-Familie Flüchtlinge, Unioner und Anwohner zum Anstoß zur Begegnung in die Haupttribüne des Stadions An der Alten Försterei. Gemeinsames Essen, Musik, Stadionführungen, Kinderprogramm. Ditte is meen Berlin. Auch in Magdeburg, Dresden, Leipzig, Jena, Rostock, Erfurt usw. geht Fußballfans das Thema nicht am Arsch vorbei. Sie spenden, nehmen die Menschen mit zum Fußball, integrieren sie in Trainingsgruppen und Vereine. Das ist mein Schland.
Wer spenden möchte, kann das hier tun: Commerzbank Potsdam/BIC: COBADEFFXXX/IBAN: DE 26 1604 0000 0131 1422 00/BLZ: 160 400 00/Kontonr.: 13 11 422/Verwendungszweck: Spende / Welcome United Nulldrei
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