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© ddp

Stadtgüter: Wind aus den Rädern genommen

Berlin streitet sich mit Brandenburg vor Gericht über die ökologische Nutzung der Stadtgüter. Die Wind- und Sonnenenergie-Pläne werden ausgebremst.

Berlin/Potsdam - Die Berliner Stadtgüter sind ein eher unauffälliger Teil der Wirtschaftsverwaltung. Und einer der größten Grundbesitzer weit und breit: Der landeseigenen GmbH gehören Flächen im Umland, deren Gesamtgröße rund einem Fünftel des Berliner Stadtgebietes entspricht. Und ihr Chef hat Pläne, bis zu 775 000 Menschen – also jeden fünften Berliner – von dort mit Ökostrom aus Sonne und Wind zu versorgen. Nur drehen sich bisher statt der Windräder vor allem die Mühlen der Justiz: Im Namen des Landes Berlin führen die Stadtgüter diverse Prozesse gegen das Land Brandenburg.

Stadtgüter-Chef Peter Hecktor kämpft dabei an mehreren Fronten. Zum einen werden seine Wind- und Sonnenenergie-Pläne ausgebremst: Den geplanten Bau von etwa 25 Windrädern nahe der Autobahn am Schönefelder Kreuz hätten die Behörden von Land und Kreis wegen der Nähe zum Flughafen BBI untersagt. „Dabei sind Windräder laut Baugesetz bundesweit privilegiert“, sagt Hecktor, der ein fundiertes Veto der Flugsicherung akzeptieren würde – aber kein vorauseilendes aus der „Regionalen Planungsgemeinschaft Lausitz-Spreewald“. Diesem Behördenkonglomerat mit Sitz in Cottbus hat er einen Brief geschrieben, in dem er zu „sachlicher Unterstützung“ und „verantwortlicher Daseinsvorsorge“ mahnt.

Sollte der Regionalplan trotzdem ohne die Windkraft-Option beschlossen werden, wäre wohl eine Klage notwendig, sagt Hecktor. Bei der Planungsgemeinschaft hieß es auf Tagesspiegel-Nachfrage nur, das Thema sei Chefsache – und der Chef im Urlaub.

Die nächsten Klagen betreffen ein Gebiet bei Stahnsdorf und Güterfelde: Das sei „über Nacht“ aus dem Wind-Regionalplan gestrichen worden, nachdem er einen Investor für 25 Windräder präsentiert habe, sagt Hecktor. Nun sei der Investor weg, und die Stadtgüter fordern eine halbe Million Euro Schadensersatz sowie eine Planänderung, zumal es einen neuen Investor gebe. Hecktor sagt, dass offenbar Reiterlobby und lokale Bundestagsabgeordnete gegen die Windkraftpläne interveniert hätten. Einer von ihnen ist Peter Danckert (SPD). Der sagt, er habe nichts gegen Windkraft – aber: „Ich habe da seit 1994 einen Pferdebetrieb, habe mehr als 30 Arbeitsplätze geschaffen und zahle den Stadtgütern knapp 7000 Euro Pacht pro Monat.“ Pferde seien halt besonders sensibel und andere Brandenburger Regionen dünner besiedelt, also besser geeignet für Windflügel. Mit dem, was er dann noch über bzw. gegen die Windkraft sagt, will Danckert sich so kurz vor der Wahl aber dann doch nicht zitieren lassen. Auch die SPD-Bundestagsabgeordnete Andrea Wicklein erklärt, sie sei nicht direkt gegen die Windkraft – aber für eine genaue Prüfung, wie man den Wasserhaushalt der Natur langfristig stabilisiere.

Das Argument ärgert den Stadtgüter-Chef: Denn auf mehreren der durch alte Industrieabwässer belasteten Rieselfelder-Flächen haben große Investoren wie RWE sogenannte Kurzumtriebsplantagen angepflanzt – schnell wachsende Wäldchen aus Robinien, Pappeln oder Weiden, die nach wenigen Jahren in Biomassekraftwerken zu Ökostrom und klimaneutraler Wärme verheizt werden können. Die lassen sich gut mit Windrädern kombinieren, halten das knappe Wasser in der Landschaft und halten Schadstoffe aus dem Grundwasser fern.

Vor einer Woche hat sich auch Vattenfall bei Hecktor gemeldet: Der Konzern sei auf der Suche nach Energieplantagen, die eines Tages auch das geplante Kraftwerk Klingenberg an der Rummelsburger Bucht speisen könnten. Hecktor prüft, was er für den Versorger tun kann. Er zählt Erfolgsgeschichten auf: 26 Windräder drehen sich schon jetzt auf Stadtgüter-Flächen. In Wansdorf westlich von Spandau gedeiht eine Plantage, die bald Hennigsdorf mit klimafreundlicher Energie versorgen soll. Und in Dallgow-Döberitz wird der Solarstrompark nach anfänglicher Skepsis der Gemeinde nun doch gebaut, was Berlin sowohl Pachteinnahmen als auch eine Gewinnbeteiligung sichert.

„Eigentlich ist es absurd“, meint der Berliner Hecktor: „Wir setzen in Brandenburg die Energiestrategie des Landes Brandenburg um. Und müssen vor Gericht ziehen, weil wir daran gehindert werden“ – von Brandenburg.

Bei einem anderen Großverfahren steht nach zwei Niederlagen für Berlin jetzt wieder alles auf Anfang: Der Bundesgerichtshof in Karlsruhe hat den Streit um 7000 Tonnen giftigen Klärschlamm ans Brandenburgische Oberlandesgericht zurückverwiesen. Der Schlamm wurde seit 1998 von der privaten Firma „Umweltforschung Großbeeren“ (UFG) auf einem früheren Rieselfeld südlich der Hauptstadt abgelagert. Eine Schilfsorte sollte giftige Schwermetalle und Wasser sauber voneinander trennen. Nur funktionierte dieser „Bio-Fresher“ nicht so wie erhofft. Und die in Zahlungsschwierigkeiten geratene UFG nahm immer mehr Schlamm an, bis sie schließlich Pleite ging.

Wenige Monate später erhielt Berlin das Gelände zurück, auf das die Stadtgüter bereits 1993 einen Restitutionsanspruch angemeldet hatten. Schon bald darauf kam die Aufforderung des Brandenburger Landesumweltamtes, das Gift zu beseitigen. Hecktor gibt zu, dass er erst daraufhin die volle Brisanz des Schlamms erkannt habe. Er sieht sich von den Brandenburger Behörden getäuscht: Wäre man besser informiert worden, hätte man vor der Übernahme des Areals um die Schadensregulierung verhandelt. So aber blieb Berlin auf den Beräumungskosten von 508 000 Euro sitzen, weil die Potsdamer Behörden mit der Sache nichts zu tun haben wollten.

Doch nach der im Juli gefallenen BGH- Entscheidung sieht Hecktor jetzt „gute Chancen, dass das alles aufgehoben wird“ und Brandenburg zumindest einen Teil des Schadens übernehmen muss.

Auch darüber, wer die Gerichtskosten in diesem Streit der Nachbarländer – Hecktor hält eine Summe von 100 000 Euro für realistisch – übernehmen muss, haben die Richter zu entscheiden.

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