Testspiel in Mailand: Wild und wechselhaft: Deutschland spielt 0:0 gegen Italien
Im letzten Länderspiel des Jahres kommt die deutsche Nationalmannschaft in Italien nicht über ein 0:0 hinaus. Und Italien hat die besseren Chancen.
Genau so muss das sein, wenn zwei Erzrivalen aufeinander treffen. Die Stimmung auf den Rängen ist schneidig und schwappt von dort aufs Spielfeld. Die Wechselwirkung zwischen Fans und Spielern war auch am Dienstagabend im Mailänder Giuseppe-Meazza-Stadion zu beobachten. Als viele italienische Anhänger die deutsche Nationalhymne niederpfiffen, folgte die Reaktion umgehend. Die italienischen Spieler fingen an zu klatschen und animierten dadurch immer mehr Zuschauer auf den Rängen, es ihnen gleich zu tun. Vor drei Jahren, als beide Teams zuletzt in Mailand gegeneinander gespielt hatten, war das schon genauso gewesen. Überhaupt ist die Squadra Azzurra zuletzt recht freundlich mit den Deutschen umgegangen. Der einstige Angstgegner hat seinen Schrecken verloren. Durch das 0:0 in Mailand ist die Nationalmannschaft nun schon vier Spiele gegen Italien ungeschlagen. Es war zudem das erste Mal seit der EM 1996, dass sie kein Gegentor kassierten – wenn auch mit etwas Glück.
„Insgesamt muss ich den Jungs ein Kompliment machen, wir haben eine gute Truppe, und ich bin stolz, dass ich sie aufs Feld führen durfte“, sagte Aushilfskapitän Thomas Müller in der ARD und sprach von „zwei unterschiedlichen Halbzeiten“. „Das war ganz ordentlich, insgesamt geht das 0:0 absolut in Ordnung“, sagte Benedikt Höwedes.
Bundestrainer Joachim Löw hatte seine Mannschaft in einem 3-4-2-1-System aufs Feld geschickt. Shkodran Mustafi verteidigte zentral in einer Dreierkette, Ilkay Gündogan und Leon Goretzka bildeten eine Doppel-Zehn, und davor versuchte sich Müller als einziger Stürmer. Das Team war nur bedingt nach taktischen Erwägungen konstruiert worden. Löw musste in seiner Rechnungen diverse Faktoren berücksichtigen, die Belastungen für die einzelnen Bundesligaklubs möglichst gerecht verteilen, so dass am Ende eine etwas windschiefe Anfangsformation zustande kam. Von Deutschlands Startelf, die Anfang Juli das EM-Halbfinale gegen Frankreich verloren hatte, standen in Mailand nur drei Spieler beim Anpfiff auf dem Platz: Joshua Kimmich, Höwedes und Müller.
Es war kein hochklassiges Spiel
Beim dritten Aufeinandertreffen beider Teams in diesem Jahr war das Meazza-Stadion nur zu etwas mehr als der Hälfte gefüllt. Ein hochklassiges Spiel bekamen die Zuschauer nicht zu sehen. Dazu fehlte anders als im epischen EM-Viertelfinale vor vier Monaten dann doch die letzte Ernsthaftigkeit, waren beide Teams in einigen Momenten ein bisschen zu unbedarft. Immerhin wurde es dadurch zumindest punktuell recht unterhaltsam, wenn es auf dem Rasen wild hin und her ging.
Angesichts der ungewöhnlichen Aufstellung durfte man von den Deutschen mit dem insgesamt unscheinbaren Debütanten Yannick Gerhardt im linken Mittelfeld nicht zu viel erwarten; natürlich funktionierten die Abläufe nicht reibungslos, in den Vortrag der Gäste schlichen sich immer wieder leichte Fehler ein. Trotzdem waren sie in der ersten Hälfte die eindeutig aktivere Mannschaft. Die Italiener zogen sich weit zurück und lauerten auf Konter. Dadurch war es nicht leicht, Lücken in ihrer Defensive zu finden – aber ist das gegen die Italiener je anders gewesen? In der Anfangsphase schaffte es Gündogan einmal, mit einem perfekten Pass die komplette Abwehr auszuhebeln, Goretzka aber brachte den Ball nicht an Torhüter Gianluigi Buffon vorbei. Italiens Rekordnationalspieler war auch zur Stelle, als Gündogan nach einem Doppelpass mit Müller zum Schuss kam.
Die Video-Assistenzschiedsrichter schritten nicht ein
Auf der anderen Seite versuchte es Andrea Belotti schon in der zweiten Minute mit einem Distanzschuss, der über die Latte flog. Mitte der ersten Hälfte verfehlte dann der frühere Dortmunder Ciro Immobile recht deutlich das Tor, nachdem er Benedikt Höwedes entwischt war. Sonst hatten die Deutschen die Angelegenheit in der Defensive weitgehend unter Kontrolle. Nach der Pause änderte sich das, gerade im Mittelfeld ließen die Gäste zu viel Platz, so dass die Italiener mehrmals mit Tempo umschalten konnten. Der für Mats Hummels eingewechselte Jonathan Tah musste einmal mit einer gewagten Grätsche gegen Belotti klären, ein weiteres Mal rettete Bernd Leno im Tor gegen Federico Bernardeschi, zehn Minuten vor Schluss traf Belotti den Pfosten.
Dafür hatten die Deutschen Pech, dass ihr vermeintliches 1:0 durch die erste Ballberührung des eingewechselten Kevin Volland nicht zählte. Wegen angeblichen Abseits. Es war denkbar knapp, vielleicht auch falsch. Aber nicht falsch genug, um den Video-Assistenzschiedsrichter zu einer Intervention zu verleiten.