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Wieder kein Sieg. Die Kölner Guirassy (li.) und Heintz nach dem Spiel.
© dpa

Tristesse bei Köln und Werder: Wieder zu wenig

Nur die Schlussphase ist vogelwild und aufregend – der 1. FC Köln und Werder Bremen trennen sich torlos.

Der Fußballer mit dem schönen Namen Tim Handwerker hat in der vergangenen Woche traurige Berühmtheit erlangt. Beim Auswärtsspiel des 1. FC Köln in Stuttgart fälschte er den Ball so unglücklich ab, dass der VfB in letzter Minute noch den Siegtreffer erzielte. Am Sonntagnachmittag war Handwerker auf dem besten Weg, seinen Fauxpas wieder gutzumachen. Nach einem Spielzug von seltener Klarheit passte er den Ball von der linken Seite in die Mitte, hart und präzise und an allen Bremern vorbei. Sein Kollege Serou Guirassy musste drei Meter vor dem Tor nur noch seinen Fuß hinhalten. Das tat er auch. Doch der Ball flog nicht nach vorne über die Linie, sondern in einer skurrilen Kurve schräg nach oben und ging gefühlte acht Meter am Pfosten vorbei.

„Es ist wie verhext“, sagte Torhüter Timo Horn. „Ich weiß nicht, wo der Ball noch hin muss. Das ist Wahnsinn.“ Wenn man wissen wollte, wie der Abstiegskracher zwischen dem 1. FC Köln und Werder Bremen gewesen war, man müsste nur diese Szene aus der 86. Minute zeigen, in der sich alles verdichtete: Unvermögen, Pech, Tragikomik. Dass das Duell mit einem 0:0 endete, war fast folgerichtig. Auch wenn der FC seine Punktzahl damit verdoppelte: „Mit dem Ergebnis kann keiner so richtig was anfangen“, sagte Trainer Peter Stöger. Sein Bremer Kollege Alexander Nouri nickte. Das einzig Positive für die beiden Trainer: Unmittelbar nach diesem Spiel wird keiner seinen Job verlieren. Eine Diskussion um Stöger? „Gibt es nicht“, sagte Kölns Sportdirektor Jörg Schmadtke.

Als beide Mannschaften Anfang Mai zuletzt aufeinandertrafen, war es noch das Duell des Tabellenachten gegen den Sechsten. Werder und der FC lieferten sich ein begeisterndes Offensivspektakel. Am Ende zogen die Kölner durch einen 4:3-Erfolg an den Bremern in der Tabelle der Bundesliga vorbei und qualifizierten sich für den Europapokal. Für Werder war es das erste von nun zwölf Spielen ohne Sieg.

Aus Werders erfolgreicher Offensive der vergangenen Saison saßen zwei Spieler zu Beginn auf der Bank

Vom Rausch des Frühjahrs ist bei beiden Klubs wenig geblieben. Am Sonntag trafen der Letzte und der Vorletzte der Fußball-Bundesliga aufeinander, und so sah es lange Zeit auch aus. Böse Zungen könnten behaupten, die DFL hätte das Spiel auf halb zwei terminiert, damit sich beide Mannschaften schon mal an die Anstoßzeiten der Zweiten Liga gewöhnen können. Das Niveau war bereits zweitligareif. „Es hat nicht alles geklappt“, sagte Timo Horn, „das ist aber auch kein Wunder in dieser Situation.“

Aus Werders erfolgreicher Offensive der vergangenen Saison saßen zwei Spieler zu Beginn auf der Bank: Max Kruse bei den Bremern und Claudio Pizarro beim FC. Während es bei Kruse eine gute Nachricht war, weil er es zum ersten Mal nach wochenlanger Pause überhaupt wieder in den Kader geschafft hatte, war es für die Kölner eine schlechte. Pizarro stand auf dem Spielberichtsbogen schon in der Startelf, doch beim Aufwärmen rutschte er weg und musste anschließend wegen muskulärer Probleme passen.

Ersetzt wurde der Peruaner durch den jungen Franzosen Guirassy, der nicht nur wegen seines Fehlschusses kurz vor Schluss der auffälligste Offensivspieler war. Nach etwas mehr als einer halben Stunde waren sämtliche Torschüsse für den 21-Jährigen notiert – allerdings war das Bedrohungspotenzial in allen vier Fällen überschaubar: Ein Kopfball ging am Tor vorbei, einer landete in den Armen von Werders Torhüter Jiri Pavlenka genauso wie sein Schuss aus elf Metern. Nur einmal, als es Guirassy von der Strafraumgrenze probierte, hatte der Tscheche leichtere Probleme.

Nachdem die Kölner Fans unter der Woche, bei der Niederlage in der Europa League, erstmals ihren Unmut kundgetan hatten, war die Haltung diesmal wieder von Nachsicht geprägt. Als Simon Zoller, eigentlich Stürmer, zu Beginn des Spiels einen Ball kurz hinter der Mittellinie ins Seitenaus grätschte, gab es ekstatischen Applaus von den Rängen. Man ist in Köln schon mit Kleinigkeiten zufrieden – anders wäre eine Begegnung wie die gegen Bremen, eine geradezu obszöne Aneinanderreihung von Fouls und Fehlpässen, ein Fußballspiel ohne Fußball gewissermaßen, auch kaum zu ertragen. Eine Stunde dauerte es, bis die Kölner ihre erste Ecke bekamen. „Es war genau das Spiel, das alle erwartet haben“, sagte Bremens Trainer Nouri. „Die Moral hat gestimmt.“ Die Abstriche bei der ästhetischen Komponente waren angesichts der kritischen Lage beider Teams wohl systemimmanent. Erst in den letzten zehn Minuten inklusive Nachspielzeit wurde die Begegnung richtig aufregend – weil offensichtlich beide Teams festgestellt hatten, dass das jeweils andere so schlecht ist, dass man dieses Spiel eigentlich gewinnen muss.

Die Schlussphase war vogelwild und aufregend – auch weil die Bremer nun etwas riskierten. Kapitän Thomas Delaney hätte in der Nachspielzeit fast das 1:0 erzielt – doch Konstantin Rausch rettete nach dessen Kopfball auf der Linie. „Ganz wichtig war, dass wir nicht verloren haben", sagte Horn. „Sonst hätten wir den Anschluss verloren.“ Manchmal muss man eben auch mit Kleinigkeiten zufrieden sein. Stefan Hermanns

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