Basketball an der Konsole: Wie sich die NBA mit E-Sport vermarkten will
Ein virtuelles Turnier der NBA-Profis, eine eigene E-Sport-Liga – die Basketball-Simulation NBA 2K soll die Liga pushen. Die deutsche Szene profitiert kaum.
Patrick Beverley kann einfach nicht anders. Der 31-jährige NBA-Profi der Los Angeles Clippers ist einer dieser Basketballspieler, die auf dem Parkett in jeder Sekunde unter Strom stehen, eisenhart verteidigen, sich noch dem allerletzten Ball hinterherschmeißen und ihren Gegenspielern genussvoll einen Spruch nach dem anderen drücken. Für die einen ist Beverley ein unnachgiebiger Kettenhund, für die anderen ein jähzorniger Giftzwerg. Und auch während der Spielbetrieb der glamourösesten Basketballliga der Welt ruht, schraubt der Aufbauspieler weiterhin fleißig an seinem Image.
In dieser Woche war Beverley nämlich als virtueller Dirigent seines Teams gefragt. Ähnlich der „Bundesliga Home Challenge“ hat sich auch die NBA mit dem „NBA 2K Players Tournament“ einen E-Sport-Wettbewerb ausgedacht, mit dem die Profis für ein bisschen Entertainment in der spielfreien Zeit sorgen sollen. Im K.o.-Modus duellieren sich 16 NBA-Spieler an der Xbox via „NBA 2K20“, der weltweit populärsten Basketball-Simulation. Die Begegnungen werden live bei ESPN und auf den Social-Media-Kanälen der NBA gezeigt, an diesem Samstag findet die Endrunde statt. Dem Sieger winken 100 000 US-Dollar für eine Charity-Aktion in Sachen Coronavirus-Krise.
Beverley ist einer der vier Finalisten. Doch während seine Kollegen tiefenentspannt mit dem Controller in der Hand und dem Headset am Kopf auf den Couches und Sesseln ihrer Luxusvillen relaxten, sprang der Clippers-Profi selbst wie aufgedreht durch sein Zimmer, brüllte „I'm the best ever!“ oder „Ihr könnt mich Cheatcode nennen!“ und nutzte die Gelegenheit auch gleich noch für ein bisschen Stichelei gegen Superstar LeBron James vom Stadt- und Titelrivalen Los Angeles Lakers.
„Wenn sich Patrick Beverley da am Trash-Talk versucht, dann schaue ich mir das natürlich auch an“, sagt Jannis Neumann: „Generell sind viele NBA-Spieler ganz gut an der Konsole.“ Der 23-jährige E-Sportler aus dem Westmünsterland kann es einschätzen: Als bislang einziger Deutscher hat er 2018 eine Saison in den Vereinigten Staaten verbracht, um dort unter Profibedingungen in der „NBA 2K League“ zu spielen. Die 2K-League ist die 2017 ins Leben gerufene virtuelle Variante der NBA. Alles orientiert sich am analogen Original: Es gibt eine Hauptrunde, Play-offs und sogar einen Draft, bei dem die verschiedenen NBA-Teams – über 20 sind dabei – die E-Sportler in ihre Kader berufen. Jeder von ihnen übernimmt dann einen Akteur auf dem virtuellen Parkett.
Jannis Neumann wurde damals natürlich von den Dallas Mavericks ausgewählt, dem Team, bei dem Dirk Nowitzki zur Legende wurde und Nationalspieler Maxi Kleber nun weiter die Fahne hochhält. Beide schauten damals immer mal wieder bei den E-Sportlern vorbei, erzählt Neumann. Auch als virtueller Basketballprofi fühlte er sich voll als Teil der gesamten Organisation akzeptiert. Die äußeren Rahmenbedingungen erleichtern das natürlich: Mindestens 30 000 Dollar erhält jeder E-Sportler für die sechsmonatige Saison in der 2K-League, dazu kommen Preisgelder und sonstige Spesen, alle Versorgungsprogramme der NBA stehen den Gamern im gleichen Umfang wie den analogen Profis offen. Denn wenn die NBA etwas anpackt, dann meist richtig.
[Mit dem Newsletter „Twenty/Twenty“ begleiten unsere US-Experten Sie jeden Donnerstag auf dem Weg zur Präsidentschaftswahl. Hier geht es zur kostenlosen Anmeldung: tagesspiegel.de/twentytwenty.
In Sachen Innovation sieht sich die Liga schon immer als Speerspitze der globalen Entwicklung, investierte bereits früh in die Märkte außerhalb Nordamerikas, geht mit digitalen Konzepten vorweg und sorgt sich auch politisch um ein möglichst progressives und liberales Image. Mit einer eigenen E-Sport-Liga war die NBA ebenfalls ganz vorne dabei. „Im Endeffekt ist das Ziel natürlich, die Marke NBA zu pushen“, weiß auch Jannis Neumann. Er glaubt an eine Win-Win-Situation: Die NBA könnte neue Fans aus dem E-Sport gewinnen, der E-Sport neue Fans aus der NBA.
Die Situation in Deutschland ist davon noch weit entfernt. „Das ist ein Unterschied wie Tag und Nacht“, sagt Neumann. Zwar haben auch hier ein paar Basketballklubs erste Gehversuche in Sachen E-Sport unternommen, doch die stagnieren zurzeit mehr, als dass sie sich weiterentwickeln. Bundesligist Frankfurt etwa, 2017 mit der Gründung einer NBA-2K-Abteilung der Pionier der Szene, hat sein Team inzwischen schon wieder eingestampft. Einzig der FC Bayern stellt derzeit noch ein professionelles Team mit höheren Ambitionen.
Von den bereits vorhandenen Strukturen des traditionellen Sports profitieren NBA 2K oder auch die Fußball-Serie „Fifa“ natürlich. Zugleich werden die Sportsimulationen jedoch auch immer an ihren analogen Originalen gemessen. „Das ist der Nachteil bei Sporttiteln“, glaubt Jannis Neumann, der lange für das Team des FC Bayern gespielt hat: „Andere Spiele wie ‚League of Legends‘ oder ‚Fortnite‘ haben keine realen Vorlagen.“
[Mehr guten Sport aus lokaler Sicht finden Sie – wie auch Politik und Kultur – in unseren Leute-Newslettern aus den zwölf Berliner Bezirken. Hier kostenlos zu bestellen: leute.tagesspiegel.de]
Im Februar gab es eine Art Klassentreffen der deutschen 2K-Teams bei einem Turnier in Oldenburg. Neumann holte mit seinen Münchner Kollegen den Pokal. Danach verfolgten sie gemeinsam den Draft für die neue Saison der 2K-League, für den auch er und drei seiner Mitspieler sich über ein Turnier in London qualifiziert hatten. Doch nicht ein einziger Europäer wurde an diesem Abend ausgewählt. Dafür erstmals ein Chinese. „Asien ist die Priorität für die 2K-League, weil der E-Sport dort einfach viel anerkannter ist“, sagt Neumann. So wird zur kommenden Saison auch erstmals ein Team aus Shanghai in der 2K-League starten. Die Begeisterung sowohl für E-Sport als auch für die NBA ist in China nach wie vor um Welten größer als in Deutschland, der Markt ohnehin.
Schwere Zeiten also für hiesige 2K-Spieler, das hat auch Neumann bemerkt. Er selbst hat sein Engagement beim FC Bayern nun erst einmal beendet. „Mal schauen, wie es weitergeht“, sagt er. Vielleicht wird er künftig mehr im Hintergrund arbeiten. Oder sogar auf Fifa umsteigen. Virtueller Basketball in einem Land, in dem der Basketball ohnehin schon vom alles vereinnahmenden Fußball zugekleistert und E-Sport obendrein noch allzu oft belächelt wird, das ist eben die Nische in der Nische.
Leonard Brandbeck