Blatters Herausforderer: Wie Prinz Ali die Fifa verändern will
Fifa-Vizepräsident Prinz Ali bin al Hussein spricht im Interview mit dem Tagesspiegel über die umstrittene WM in der Wüste, Reformen in der Fifa und seine Ideen für einen sozial engagierten Fußball.
Er ist der Herausforderer von Joseph Blatter bei der Wahl zum Fifa-Präsidenten am Freitag (alle aktuellen Ereignisse lesen Sie hier im Ticker). Nun könnte er wegen der aktuellen Korruptionsaffäre doch eine Außenseiterchance haben. Der Tagesspiegel hat Prinz Ali bin al Hussein schon im Sommer 2012 interviewt - als erstes Medium in Deutschland. Schon damals schilderte er, wie er die Welt des Fußballs gerne verändern will.
Prinz Ali, wird die Fußball-WM 2022 tatsächlich in Katar stattfinden?
Warum nicht? Die Fifa hat 209 Mitgliedsstaaten. Und ich denke, es ist das Recht jedes einzelnen Landes, eine Weltmeisterschaft auszurichten – so es diese organisieren kann.
An dem Turnier in der Wüste gibt es erhebliche Zweifel, insbesondere wegen der hohen Temperaturen im Sommer.
Ich denke, es ist besser, im Winter zu spielen. Dann wäre das Wetter für Spieler und Fans gut. Das müsste allerdings der Gastgeber entscheiden.
(Anmerkung der Redaktion: Das ist inzwischen passiert.)
Dafür müssten weltweit die Spielpläne umgestellt werden.
In Asien schon einmal nicht. Wir haben die letzten Asien–Meisterschaften auch im Januar ausgespielt. Ich sehe nicht, warum eine Winter-WM in Katar ein großes Problem sein soll. Schließlich gibt es in Europa ja auch eine Winterpause.
Ist es nicht aber ein großes Problem, dass es in Katar kaum Fußballfans gibt?
Die WM kann ein Fest für ganz Asien werden, wir sollten dabei die Nachbarländer auf alle Fälle einbinden. Und das Turnier muss eine soziale Dimension haben, Menschen in Asien zum Fußball zu bringen. Mit diesem Projekt sollten wir jetzt schon anfangen. Vor allem Frauen möchten wir für unseren Sport motivieren. Die Entwicklung des Frauenfußballs in Asien ist mir sehr wichtig, denn sie hat eine soziale und gesellschaftliche Funktion.
Die Korruptionsaffären der FIFA
Der Fußball-Weltverband Fifa hat auf Ihre Initiative hin gerade das Kopftuchverbot für Spielerinnen aufgehoben. Kann das helfen?
Nach der Aufhebung des Verbots ist das Interesse bei vielen Mädchen in arabischen Ländern gestiegen, selbst Fußball zu spielen. Gerade in ärmeren Gegenden, in denen Traditionen eine große Rolle spielen, gibt es eine Menge Zuspruch und Neugier. Auch deshalb arbeiten wir jetzt mit der Berliner Initiative von „Streetfootballworld“ zusammen, um den Straßenfußball zu fördern. Auch eine Weltmeisterschaft in Katar kann dazu beitragen.
Viele europäische Fans können sich die WM in Katar nur schwer vorstellen.
Viele konnten sich auch eine WM in Südafrika nicht vorstellen. Es gab nun einmal eine Doppelentscheidung der Fifa für Russland 2018 und Katar 2022, über deren Umstände ich nicht sehr glücklich war. Aber Russland ist eine großes Land, und Katar ist gewählt worden. Nun sollten wir etwas daraus machen.
Entbehrt der Vorwurf denn völlig den Tatsachen, dass Katar die WM gekauft hat?
Um ehrlich zu sein: Das kann ich Ihnen nicht beantworten. Ich war an dieser Entscheidung nicht beteiligt und bin erst danach ins Fifa-Exekutivkomitee gerückt.
Prinz Ali, Sie sind mit 36 Jahren das jüngste Mitglied im Fifa-Exekutivkomitee. Wie fühlen sich die Sitzungen für Sie an im Kreise der sonst sehr betagten Herren?
Natürlich lerne ich noch viel; es ist aufregend, hier mitzuarbeiten. Ich würde mir aber mehr Mitstreiter mit verschiedenen Hintergründen wünschen. Wir haben die gewählten Verbandsvertreter im Exekutivkomitee, das ist klar. Aber warum sitzt kein Vertreter der Fußballmanager dort, weshalb kein Vertreter der Spieler, kein Vertreter der Schiedsrichter? Sie alle machen doch den Fußball aus, und sie hätten sicher neue Ideen.
Welche Ideen haben Sie denn für eine Reform der Fifa?
Mein Ansatz ist, den Fußballverband wieder näher an den Fußball heranzuführen. Wir wollen hier in Asien dafür ein Modell entwickeln. Es gibt eine Kluft zwischen Menschen, die Fußball spielen und lieben, und denen, die Fußball verkaufen. Die Perspektive der Basis will ich in Asiens Fußball einbringen und natürlich in die Fifa. Es geht nicht nur um Meisterschaften, sondern auch um die Graswurzelbewegung, die der Fußball ist.
Der letzte asiatische Vertreter, der die Fifa verändern wollte, war Mohamed bin Hammam. Kurz vor seiner Kandidatur gegen Fifa-Präsident Joseph Blatter wurde der Katarer gesperrt, weil er angeblich beim Stimmenkauf erwischt worden war. Nun hat der Welt-Sportgerichtshof seine Sperre aufgehoben, bin Hammam kämpft um Rehabilitierung. Unterstützen Sie ihn dabei?
Dazu möchte ich mich nicht weiter äußern. Ich finde nur, dass in den Medien zu sehr über Personen gesprochen wird und zu wenig über Strukturen.
Welche Strukturen wollen Sie ändern?
Wir müssen das System Fifa reformieren. Fußball muss ein stärkeres Instrument der Entwicklungshilfe und der sozialen Entwicklung werden. Warum können Fußballverbände nicht auch Brunnen bauen, warum müssen es immer Fußballplätze sein? Der Fußball kann auch Menschen helfen, die im Krieg verletzt und verstümmelt worden sind. Der paralympische Sport macht es vor, hier kann sich die Fifa stärker engagieren. Reformen im Fußball sollten sich nicht auf die Einführung der Torlinientechnik beschränken.
Wie wollen Sie in der Fifa die inzwischen gerichtsamtlich festgestellte Korruption bekämpfen?
Es gibt dazu richtige Reformansätze und externe Experten. Aber ich sage ganz offen: Der Kampf gegen Korruption muss ehrlich geführt werden und effektiv sein. Da stehen wir gerade am Anfang.
Ist Joseph Blatter der richtige Präsident für einen Neuanfang?
Darüber möchte ich nicht spekulieren.