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Ungewöhnliche Interviewrunde. Bruno Labbadia beantwortet die Fragen der Journalisten vor dem Laptop.
© imago/Nordphoto

Erste Tage als Trainer von Hertha BSC: Wie Bruno Labbadia in die Köpfe der Spieler will

Bruno Labbadia agiert bei Hertha BSC mit Kreativität. Denn er habe hier noch „keine Mannschaft, die vor Energie und Selbstvertrauen strotzt“.

Zu den Pflichten jedes Trainers von Hertha BSC gehört – sofern er nicht Jürgen Klinsmann heißt – die Medienrunde nach der morgendlichen Einheit. Inklusive der handelsüblichen Fragen: Sind alle verletzungsfrei durchgekommen? Was macht Spieler XY? Wann ist mit Rückkehrern zu rechnen? Solche Sachen halt. „Aber im Moment geht das natürlich nicht – genau wie viele andere Sachen, die sonst normal sind“, sagt Bruno Labbadia.

So nimmt der Coach des Berliner Fußball-Bundesligisten aus Westend am Donnerstag vor einem Computer in den Geschäftsräumen des Vereins Platz, um die ersten Eindrücke von seinen Profis zu schildern. Knapp 45 Minuten lang steht Labbadia Rede und Antwort. Er sagt: „Bei aller Erfahrung, die ich mitbringe und auf meinen vorangegangenen Stationen gesammelt habe, es ist und bleibt es eine außergewöhnliche Situation.“

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Andere, fußballspezifische Sachen, lassen sich nämlich nicht so leicht simulieren wie die tägliche Frage-Antwort- Runde auf dem Schenckendorffplatz. Das geht schon bei der Zusammensetzung der Grüppchen los, die in der Coronavirus-Krise aus maximal acht Spielern bestehen dürfen. Erst kürzlich, erzählt Labbadia, habe eine Dame vom Berliner Senat beim Training vorbeigeschaut, um sich zu vergewissern, dass alle Auflagen ordnungsgemäß in die Tat umgesetzt werden. Dass also die drei Achtergruppen auch auf drei unterschiedlichen Feldern trainieren.

„Mit Fußball hat das, was wir im Moment machen können, wirklich nichts zu tun“, sagt Labbadia, „so ehrlich muss man sein.“ Seit fünf Wochen, darunter zwei in häuslicher Quarantäne, habe kein Spieler einen normalen Zweikampf bestritten, wie er sich sonst dutzendfach im Training ereignet. Deshalb ist tagein, tagaus vor allem eines gefragt: Kreativität. Eine elementare Frage vor dem Verlassen der Kabine lautet: Wie geht der frisch installierte Stab gut und verantwortungsvoll mit der Gemengelage um – und schafft es nebenher eben doch, sportliche Schwerpunkte zu setzen? Beim Abschlusstraining etwa dürfen keine Torhüter zwischen den Pfosten stehen. Deshalb hat Labbadia kleinere Tore in die großen, standardmäßigen stellen und Seile an die Querlatte binden lassen, um die Zielgenauigkeit seines Teams beurteilen zu können. „Mehr können wir nicht tun“, sagt er.

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Grundsätzlich hat Labbadia in den ersten Einheiten den Eindruck gewonnen, „dass ich hier keine Mannschaft antreffe, die vor Energie und Selbstvertrauen strotzt“. Das sei angesichts der vielen Trainerwechsel und der sportlichen Lage aber völlig normal. „Ich war auch mal Spieler und weiß, was drei Trainerwechsel innerhalb weniger Monate mit dir anstellen können.“ Labbadias primäre Aufgabe besteht folglich darin, in die Köpfe der Spieler zu kommen, sich mit ihnen auszutauschen, sofern das möglich ist.

Auf eine Feststellung legt der 54-Jährige dabei ganz besonderen Wert: Dass er jedem Profi das Gefühl geben möchte, gebraucht zu werden. „Mir ist total egal, ob ein Spieler alt ist oder jung, groß oder klein, ob sein Vertrag im Sommer ausläuft oder nicht“, sagt er, „wir müssen die elf Spieler finden, die als Mannschaft am besten zusammenpassen – und dann müssen wir sehen, wer darüber hinaus helfen und sich einbringen kann.“

Zum Ende der Konferenzschaltung sagt Labbadia schließlich noch einen Satz, dessen Doppeldeutigkeit ihm umgehend bewusst wird. „Wir erklären den Spielern immer wieder, dass wir jetzt ganz eng zusammenstehen müssen“, sagt er und ergänzt mit einem Lachen: „Das ist natürlich bildlich gesprochen.“

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