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Wetten, dass...!? Hertha BSC hat seit letzten Sommer einen Wettanbieter auf der Brust.
© dpa

Kontroverse um Sponsorenpartner: Wettanbieter auf der Brust: Da ist doch etwas faul

Seit dieser Saison wirbt Hertha BSC für einen privaten Wettanbieter. Den Amateuren in Berlin ist genau das verboten. Sie sind durch die unklare Gesetzeslage benachteiligt.

Wenn Bernd Schultz an diesem Samstag ins Olympiastadion geht, wird er sich wieder ärgern. Nicht, dass Hertha miserabel Fußball spielen würde. Iwo, das Gegenteil ist der Fall. Berlins führendes Fußballunternehmen spielt so erfolgreich wie zu besten Zeiten, als es noch keine Sportwettenanbieter gab. Wenn also der Präsident des Berliner Fußball-Verbands (BFV) dem neuen Hauptstadtstolz auf die Füße schaut, kommt er an deren Brust nicht vorbei. Der Verein hat seine wertvollste Werbefläche, die Trikotbrust, an einen privaten Sportwettenanbieter verkauft hat und läuft seit vorigen Sommer für ihn Reklame. Ein Novum im deutschen Fußball und ein Fall, der Berliner Gerichte bewegt. Dem Amateurfußball der Stadt nämlich ist genau das verboten.

Derzeit unterhalten 14 der 18 Bundesligavereine wirtschaftliche Partnerschaften mit privaten Wettanbietern, allein in dieser Spielzeit fließen 16 Millionen Euro in die Bundesliga, davon sechs Millionen per anno in Herthas Kasse. „Und wir gucken in die Röhre“, sagt Schultz.

Der Sportwettenmarkt in Deutschland ist derzeit unübersichtlich. Es gibt ein gesetzliches Vakuum. Davon profitieren Bundesligisten, die Verträge von privaten Anbietern unterhalten. Das Nachsehen haben die Amateure, die an den alten Status quo gebunden sind.

Die Profis dürfen Werbung für Wettanbieter tragen, die Amateure nicht

Noch im September 2015 untersagte der Berliner Verband seinen Amateuren, Trikots mit dem Logo eines Wettanbieters zu tragen. Hintergrund war eine Aktion eines prominenten Wettanbieters, der zusammen mit einem stadtbekannten Warenhaus Trikotsätze zu stark reduzierten Preisen anbot.

Denn laut der Spielordnung des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) darf die Trikotwerbung nicht gegen die allgemein im Sport gültigen Grundsätze von Ethik und Moral verstoßen. Werbung für Waffenhersteller und private Wettanbieter etwa könne nicht genehmigt werden. Ausdrückliche Ausnahme: Spiele der Bundesliga und Zweiten Liga, die vom ausgegliederten Profiligaverband organisiert werden. Dem Berliner Fußball-Verband dagegen teilte die Senatsverwaltung für Inneres und Sport schriftlich mit, dass für die Werbung von privaten Wettanbietern keine behördliche Duldung erfolgt.

Das Problem ist, „dass es keine Lizenzen gibt und damit kein legales Sportwettenangebot, nicht mal ein staatliches. Und so entgeht dem Sport das Geld“, sagt Schultz. Berlins Fußballpräsident fühlt sich von der Politik allein gelassen. „Ich sehe, dass dem Amateurfußball das Geld entgeht, die Bundesligisten dagegen haben alle ihre Bandenwerbung.“

Bereits im vergangenen Herbst ist das Lizenzvergabeverfahren für Sportwettenanbieter in sich zusammengefallen. Der hessische Verwaltungsgerichtshof (VGH) in Kassel stoppte das Vergabeverfahren für Sportwettenanbieter endgültig. Anfang Februar nun urteilte der Europäische Gerichtshof (EuGH), dass der deutsche Glücksspielstaatsvertrag zur Regulierung der Sportwetten gegen europäisches Recht verstößt. Wie Schultz es sagt: „Der Staatsvertrag ist tot.“

Die Klagewelle nach 2011 und wie es dazu kam

Bereits vor mehr als fünf Jahren hatte der Europäische Gerichtshof den deutschen Glücksspielstaatsvertrag aus dem Jahre 2008 für rechtswidrig erklärt und damit das staatliche Sportwettenmonopol gekippt. Die Politik versuchte danach zu retten, was noch zu retten war. Am 15. Dezember 2011 unterzeichneten die Ministerpräsidenten in Berlin den Glücksspieländerungsstaatsvertrag. Es sollte damit der Grundstein für die Öffnung des Marktes für Sportwetten in Deutschland gelegt werden, doch in Wirklichkeit wollten die Bundesländer nur das Geschäft privater Anbieter in staatlich kontrollierte Bahnen lenken. Denn über allem waberte die Sorge: Wenn erst einmal der Sportwettenmarkt geöffnet ist, könnte der Markt für Lotto dran kommen.

Der abgeänderte Staatsvertrag sah eine Teilprivatisierung vor. 20 Konzessionen sollten an Wettanbieter vergeben werden, auch an die staatliche ODS, die Sportwette der Lottogesellschaft. Doch dazu kam es nie. Private Wettanbieter überzogen das Vorhaben von Beginn an mit Klagen – und bekamen Recht. Das Konzessionsverfahren sei fehlerhaft und intransparent und die Anzahl 20 willkürlich.

Was aber tun, wo doch an jedem Wochenende drei Millionen Menschen regelmäßig auf Sportereignisse wetten? In Deutschland gibt es derzeit 4500 Wettbüros und weit über 100 Internetanbieter. Es ist ein Milliardengeschäft.

Um an den gigantischen Gewinnen des Sportwettengeschäfts zu partizipieren, hatte der DFB im Juli 2012 einen Vermarktungsvertrag mit ODS Deutschland (früher Oddset) abgeschlossen. Die Erlöse sollten vollständig dem Amateurfußball zufließen. Zwei Jahre später, im WM-Sommer 2014, beschwerten sich die 21 DFB-Landesverbände über die Handlungsunfähigkeit der Politik.

Während die privaten Wettanbieter in einer rechtlichen Grauzone ihre extrem lukrativen Geschäfte uneingeschränkt abwickeln und mächtig wachsen, spielt die staatliche Sportwette keine Rolle mehr. Die Glücksspielaufsicht der Bundesländer misst hier oft mit zweierlei Maß. Kein Wunder, denn illegale oder bestenfalls geduldete private Wettanbieter zahlen Steuern. Bisher rund eine halbe Milliarde Euro. Dieses Geld landet in den jeweiligen Landeshaushalten. Niemand stört sich dort daran, woher das viele Geld eigentlich kommt.

Der Fußball allein kann nichts gegen die Situation tun

Der Fußball allein kann dagegen nichts unternehmen. In ihrer Not haben sich inzwischen die DFB-Landesverbände dafür ausgesprochen, Trikotwerbung mit Wettanbietern nicht mehr zu verbieten. Ihr Argument: Warum soll der Fußball gegen illegale Trikotwerbung vorgehen, wenn die Innenminister der Länder nichts unternehmen?

Bis zuletzt war die gängige Praxis der Innenverwaltungen der Bundesländer, jene 20 Wettanbieter, die gute Chancen auf eine Lizenz hatten, nicht mehr als illegal, sondern nur als nicht konzessioniert anzusehen. Das Berliner Verwaltungsgericht hat unlängst Herthas Hauptsponsor untersagt, im Internet Casino- und Pokerspiele anzubieten. Gegen diese Untersagungsverfügung „haben wir Rechtsmittel eingelegt, wir setzen darauf, vor dem Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg Recht zu bekommen“, sagt Claus Retschitzegger, Leiter der Rechtsabteilung von bet-at-home.

Wie schwammig der Umgang der Politik mit diesem Thema ist, verdeutlicht ein Statement der Berliner Senatsverwaltung für Inneres und Sport: „Ungeachtet dessen erfolgen gegenwärtig Abstimmungen zwischen den Bundesländern, inwiefern und zu welchem Zeitpunkt beteiligte Dritte (z. B. werbende Sportvereine, Medienwerbung) in Anspruch genommen werden können/sollten. Nach Abschluss dieser Abstimmungen wird auch in Berlin über den Erlass weiterer Maßnahmen zu entscheiden sein.“

In der Zwischenzeit darf nun auch Herthas zweite Mannschaft, die U 23, die in der Regionalliga spielt, für den privaten Wettanbieter Werbung laufen. Nicht weil sie es regulär darf, sondern weil der Nordostdeutsche Fußball-Verband (NOFV) nichts entschieden hat. „Wir haben über diesen Antrag nicht befunden, uns fehlt die rechtliche Grundlage“, sagt Bernd Schultz, der im NOFV Vizepräsident ist. Man habe Hertha den Antrag zurückgegeben mit dem Hinweis, „sie können auf eigene Gefahr hin spielen – keine ideale Lösung“, sagt Schultz.

Der Ausweg wäre eine neuer, tragfähiger Glücksspielstaatsvertrag. Auf den müssten sich erneut die Ministerpräsidenten einigen. Das aber kann dauern. Bliebe noch die Möglichkeit, den Sportwettenmarkt kontrolliert zu öffnen und Konzessionen an alle Anbieter erteilen, die entsprechende Kriterien erfüllen wie etwa der Kampf gegen Spielsucht und Geldwäsche. Und schließlich den Markt entscheiden zu lassen. „Alles andere halte ich für weltfremd“, sagt Bernd Schultz. Doch bis dahin muss der BFV-Präsident ins Olympiastadion gehen, wenn er Werbung für Wettanbieter auf einem Fußballtrikot sehen will.

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