Formel 1: Wer ist entspannter: Lewis Hamilton oder Nico Rosberg?
Nico Rosberg und Lewis Hamilton schwingen vor dem Formel-1-Finale das psychologische Florett. Beim Auftakttraining ist der Brite schneller.
Dafür, dass in Abu Dhabi ein WM-Finale stattfindet, ist die Stimmung merkwürdig entspannt. Nicht nur im Formel-1-Fahrerlager allgemein, sondern auch bei Mercedes, zwischen Nico Rosberg und Lewis Hamilton. In der mobilen Teamzentrale laufen sich die beiden Stallrivalen ständig über den Weg, ohne groß Aufhebens darum zu machen. Und auch im zweiten Teil der offiziellen Pressekonferenz, den die beiden Titel-Kontrahenten allein abhielten. Zwar ließen sich die beiden nicht zu einem gestellten Handschlag für die Kameras zwingen. Doch daraus gleich große Spannungen oder Hass zu konstruieren, ist gewagt. Eher zeigt es wohl, dass keiner der beiden große Lust darauf hat, nur für ein paar schöne Bilder den Hampelmann zu machen.
Einen Tag später machten die beiden beim Auftakttraining vielmehr eine gute Figur auf der Strecke: Hamilton gelang die schnellste Runde, 0,374 Sekunden langsamer und damit Zweitschnellster war Rosberg.
Frei von psychologischen Sticheleien ist der Anlauf zum Showdown beim Großen Preis von Abu Dhabi natürlich nicht. Gerade Hamilton versucht, den WM-Führenden Rosberg mit kleinen Nadelstichen zu reizen. Aber auch Rosberg, dem selbst bei einem Sieg Hamiltons ein dritter Platz zum Titel reichen würde, probiert es mal. Als er nach den stärksten Rennen des Teamkollegen in diesem Jahr gefragt wird, sagt er nur: „Ich kann mich jetzt an keines so besonders erinnern.“
Aber letztlich sind das alles Kleinigkeiten. Kein Vergleich mit dem, was die Formel 1 bei anderen Teamduellen dieser Art schon erlebt hat, als sich Nigel Mansell und Nelson Piquet oder Ayrton Senna und Alain Prost spinnefeind waren. Vielleicht sind es doch nicht Lippenbekenntnisse, wenn beide betonen, dass sie sich respektieren, vor allem auch auf Grund der gemeinsamen Kinder- und Jugendjahre in der Kartzeit. „Wir hatten damals sehr viele gleiche Interessen“, sagt Hamilton, „heute ist das etwas anders. Aber wir schaffen es, miteinander klarzukommen, auch wenn es Höhen und Tiefen gibt.“
Hamilton gibt sich ungewohnt gelassen
Der Brite zeigt eine bei ihm fast ungewohnte Gelassenheit. Angesichts der drohenden Niederlage scheint er seinen Frieden damit gemacht zu haben, es jetzt nicht mehr selbst in der Hand zu haben, was am Sonntag passiert. „Ich kann nicht mehr als gewinnen, und wenn mir das gelingt, dann bin ich auch zufrieden“, sagt er.
Und Nico Rosberg? Der scheint aus dem Wissen, in der deutlich besseren Ausgangsposition zu sein, tatsächlich eine gewisse Ruhe und Sicherheit zu ziehen – in öffentlichen und auch in eher unbeobachteten Momenten. Dass er in Abu Dhabi vor zwei Jahren schon einmal ein Titelduell gegen Hamilton durch einen technischen Defekt verlor, lässt ihn äußerlich ungerührt. Ein solches Malheur und ein Unfall mit einem anderen Kontrahenten sind die größten Gefahren, die ihn noch am Titelgewinn hindern könnten. „Schon einmal in so einem Finale gestanden zu haben, die Situation zu kennen, das hilft sogar eher“, sagt er. Negative Gedanken will er ausblenden, und das scheint ihm auch tatsächlich zu gelingen. Er will seiner Herangehensweise treu bleiben, „die dieses Jahr immer so gut funktioniert hat“, nämlich sich nur auf sein eigenes Rennen zu konzentrieren.
Auch den Druck, womöglich die letzte Chance zum Titelgewinn zu haben, schiebt er weg. Das wichtigste Wochenende seines Leben sei dieses WM-Finale schon gar nicht, sagt Rosberg und lacht: „Spätestens seit der Geburt meiner Tochter gibt es anderes.“ Die kleine Alaia wird am Sonntag nicht in Abu Dhabi sein, Rosbergs Frau Vivian dagegen schon. Sein Vater Keke, der Weltmeister von 1982, vielleicht auch. Hamilton könnte sich von Rihanna trösten lassen, wenn es mit dem vierten Titel nicht klappt. Die Starsängerin, die Hamilton als „eine gute Freundin" bezeichnet, bestreitet das Abschlusskonzert nach dem Rennen.