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Ralf Rangnick wäre für viele Experten die logische Wahl, allerdings wohl nicht für Oliver Bierhoff.
© Jan Woitas/dpa

Nachfolger als Bundestrainer gesucht: Wer folgt auf auf Joachim Löw?

Kandidaten gibt es einige, aber nicht jeder möchte oder kann Nachfolger von Joachim Löw als Bundestrainer werden. Die Situation erinnert an das Jahr 2004.

Im Juni 2004 wurde das bisher letzte Mal ein Bundestrainer gesucht. Der Rücktritt von Rudi Völler nach der EM in Portugal traf den Deutschen Fußball-Bund (DFB) wie ein Keulenschlag. Völler, eigentlich eine Überbrückungslösung, hatte sich zum Glücksfall für die deutsche Nationalmannschaft erwiesen, nachdem sie bei der EM 2000 in Holland und Belgien mit Erich Ribbeck grandios durchs Turnier gefallen war.

Völler, der für den für 2001 ausgeguckten, aber wenig später nach einer Haarprobe (Kokain-Affäre) nicht mehr vermittelbaren Christoph Daum eingesprungen war, führte die rumpelnde Nationalelf bei der WM 2002 in Japan und Südkorea ins Finale. Was damals beinahe einem Wunder glich. So gut war der deutsche Fußball zu Beginn des neuen Jahrtausends gar nicht.

In jenem Sommer herrschte große Not beim DFB. Weil der Wunschkandidat Ottmar Hitzfeld absagte, fehlte es an einem Plan B, wie der damalige DFB-Präsident Gerhard Mayer-Vorfelder einräumte. Selbst Otto Rehhagel, der gerade mit Griechenland den EM-Titel ermauert hatte, fand sich in der Lostrommel wieder.

Lothar Matthäus, damals 43, der Trainererfahrungen bei Rapid Wien und Partizan Belgrad gesammelt hatte und gerade Nationaltrainer Ungarns war, brachte sich ins Spiel. Beckenbauer dachte eher an Guus Hiddink (Holland) und den Dänen Morten Olsen. Auch der Name Winfried Schäfer fiel, Kameruns Nationaltrainer.

Der DFB war mit seiner extra ins Leben gerufenen Trainerfindungskommission (TFK) auf dem besten Weg sich komplett lächerlich zu machen. Nach vielen Wochen wurde schließlich Jürgen Klinsmann als Bundestrainer aus dem Hut gezaubert und Oliver Bierhoff als Nationalmannschafts-Manager präsentiert. Einen Tag später, am 30. Juli 2004, unterschrieb Joachim Löw einen Zweijahres-Vertrag als Co-Trainer. Der Rest ist Geschichte.

Hansi Flick kennt sich beim DFB und mit der Nationalmannschaft aus.
Hansi Flick kennt sich beim DFB und mit der Nationalmannschaft aus.
© Imago

17 Jahre später muss wieder ein neuer Bundestrainer gefunden werden. Der inzwischen 61-jährige Löw wird nach der EM im Sommer aufhören. Die Suche nach seinem Nachfolger ist im vollen Gange.

Wenn Löw den Schreck über seinen am Dienstag angekündigten Rückzug aus dem Amt des Bundestrainers verdaut hat, wird er am Donnerstag der Öffentlichkeit Rede und Antwort stehen. Mit dabei sein werden DFB-Präsident Fritz Keller und Bierhoff, der 2018 zum „Direktor Nationalmannschaften und Akademie“ aufgestiegen ist.

Er hatte sich das Recht zusichern lassen, den neuen Bundestrainer vorschlagen zu dürfen. Die letzte Entscheidung muss das Präsidium absegnen sowie der kleinere Präsidialausschuss.

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Durch das Vorschlagsrecht Bierhoffs hat einer der gehandelten Kandidaten, der 62 Jahre alte Ralf Rangnick, weniger gute Karten. Bierhoff dürfte kaum einen Kandidaten präferieren, der sehr wahrscheinlich in seinen Autoritätsbereich des Managements und der Konzeptentwicklung eingreifen wollen würde. Genau dafür aber steht Rangnick, der sich als Trainer und Stratege mit weitreichenden Kompetenzen in Hoffenheim und Leipzig einen Namen gemacht. Sein Vorteil – er wäre sofort verfügbar. Das bestätigte er am Mittwochabend auch gegenüber Sky: „Für mich ist es in erster Linie eine Frage des Timings. Im Moment bin ich frei.“

Das trifft auch auf Lothar Matthäus zu, der dieses Mal von anderen wie etwa Mehmet Scholl und Ottmar Hitzfeld ins Spiel gebracht wird. Matthäus wird in diesem Monat 60. „Ich sehe keinen besseren als ihn. Er war Weltklassespieler, kennt Fußball wie kein Zweiter, ist ein Top-Experte. Ja, ich bin für Lothar Matthäus“, sagte Hitzfeld dem Schweizer „Blick“. Matthäus, der als Experte bei Sky tätig ist, hat selbst allerdings kein Interesse, zumindest sagt er das öffentlich.

Längst nicht so chancenlos im Rennen um die Löw-Nachfolge wie vor 17 Jahren ist Lothar Matthäus. Auch wenn dieser zunächst absagte, muss das nicht das letzte Wort sein. Deutschlands Rekordnationalspieler ist von Ottmar Hitzfeld und Mehmet Scholl ins Spiel gebracht worden.
Längst nicht so chancenlos im Rennen um die Löw-Nachfolge wie vor 17 Jahren ist Lothar Matthäus. Auch wenn dieser zunächst absagte, muss das nicht das letzte Wort sein. Deutschlands Rekordnationalspieler ist von Ottmar Hitzfeld und Mehmet Scholl ins Spiel gebracht worden.
© Federico Gambarini/dpa

Der heißeste aller Kandidaten, der 53-jährige Jürgen Klopp hat bereits abgewunken. „Dass ich gefragt wurde, ist erstmal eine Ehre. Aber ich sage: Nein, ich habe einen Vertrag, und selbst wenn Liverpool mich hier rausschmeißt: Wenn meine Zeit hier rum ist, werde ich erstmal ein Jahr Pause machen“, sagte der angesehene Coach dem Sender „Sky“. Der Bundestrainer-Job käme für ihn auch noch aus einem anderen Grund zu früh. Klopp steht im Zenit seiner Schaffenskraft, er braucht das Tagesgeschäft.

Gleiches trifft auch auf andere geeignete Kandidaten wie etwa Thomas Tuchel, 47, vom FC Chelsea zu, die zudem bei Top-Klubs langfristig unter Vertrag und daher gebunden sind.

Beim DFB hoch im Kurs steht Hansi Flick. Der 56-Jährige kennt sich beim Verband bestens aus, von 2006 bis 2014 war er Löws Assistent, anschließend zweieinhalb Jahre sogar Sportdirektor. Mit dem FC Bayern gewann er neben dem Triple aus Champions League, Meisterschaft und Pokal drei weitere Titel in der vorigen Saison.

Stefan Kuntz hat als U21-Nationaltrainer einige Erfolge vorzuweisen.
Stefan Kuntz hat als U21-Nationaltrainer einige Erfolge vorzuweisen.
© dpa

Für ihn sprechen seine fachliche Kompetenz, sein Umgang mit Stars und seine Menschlichkeit. Obgleich er in München noch einen Vertrag bis 2023 hat, scheint er nicht gänzlich abgeneigt, wie zu hören ist. Hitzfeld, der selbst beim Rekordmeister lange tätig war und neben Meisterschaften auch die Champions League gewann, ist da skeptisch. Er könne sich nicht vorstellen, dass Flick „Bayern stehen und liegen lässt und zum DFB geht.“ Auch er brauche noch die tägliche Arbeit mit einer Mannschaft.

Bleiben als interne Lösungen noch Löws Co-Trainer Marcus Sorg, 55, und Stefan Kuntz, 58, der seit 2016 die U-21-Nationalmannschaft trainiert und 2017 die EM gewann. Für sie spricht, dass sie keine Eingewöhnungszeit bräuchten. Es wäre eine bequeme Lösung.

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