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Oldenburg, Oldenburg, wir fahren nach Oldenburg! Alba Berlin zog gegen Bayern München in das Pokal-Top-Four ein.
© dpa

Kommentar zu Alba Berlin: Wenn Siege zur Sucht werden

San Antonio Spurs, FC Barcelona, Maccabi Tel Aviv und Bayern München: Alba Berlin schlägt reihenweise Spitzenteams. Zu erklären ist das nur mit der Sucht nach Siegen, findet unser Autor. Doch die könnte noch zum Problem werden.

Eine wirklich schlüssige Erklärung hatte niemand. Nicht einmal die Trainer Sasa Obradovic und Svetislav Pesic konnten den Spielverlauf überzeugend analysieren, allein das Ergebnis von 74:69 für Alba Berlin gegen den FC Bayern stand unstrittig fest. Wie genau die Berliner aber am Mittwochabend ein Pokalspiel an sich rissen, das die Münchner lange Zeit kontrolliert hatten, war kaum zu verstehen. Eine recht banale, aber vielleicht gerade deswegen zielführende Erläuterung lieferte Alex Renfroe, der beste Mann des Spiels. „Ich mag es einfach, zu gewinnen. Alle im Team mögen das“, sagte Renfroe. „In der Euroleague, in der Bundesliga, in jedem Trainingsspiel – wir wollen immer gewinnen.“

Albas Basketballprofis sind in dieser Saison auf den Geschmack gekommen. Durch Erfolge gegen Spitzenteams wie Bayern, Maccabi Tel Aviv, den FC Barcelona oder die San Antonio Spurs haben sie eine Sucht entwickelt – eine Sucht nach Siegen. Welche Folgen das hat, zeigte sich am Mittwochabend: In einer mitreißenden Schlussphase überrollten die Berliner den Deutschen Meister mit Leidenschaft, Selbstvertrauen und auch jenem Spielwitz, der ihnen zuvor 35 Minuten lang gefehlt hatte. Die Mannschaft profitierte in dieser Phase davon, dass sie besonders in der Euroleague Woche für Woche gefordert und manchmal überfordert wird.

Wie jede Sucht hat auch die Sucht nach Siegen einen Preis. Im Fall von Alba ist das die Belastung, die in den kommenden Monaten auch nach bislang 42 Pflichtspielen noch auf die Mannschaft zukommt. Die Qualifikation für das Pokal-Finalturnier beschert den Berlinern zum Beispiel Anfang April vier Spiele innerhalb von sechs Tagen, bis Mai wird das Team kaum durchatmen können. Und dann beginnt mit den Play-offs erst die Phase, in der sich das Gelingen einer Saison entscheidet. Kein Wunder, dass Manager Marco Baldi die Saison am Mittwoch offiziell unter das Motto „So weit die Füße tragen“ stellt.

Wie weit das sein wird, ist unklar. Auch die Frage, ob die Berliner mit dem dritten Sieg im dritten Saisonspiel das Selbstbewusstsein des Rivalen aus München nachhaltig erschüttern konnten, kann man noch nicht beantworten. Wenn die Berliner aber so gierig wie gegen Bayern bleiben, könnten sie am Ende der Saison womöglich ihr großes Verlangen stillen.

Noch stärker als die Sucht nach Siegen ist im Sport nur die Sucht nach Titeln.

Lars Spannagel

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