Volleys-Manager Kaweh Niroomand im Interview: „Wenn sich nichts ändert, muss man es eskalieren lassen“
Volleys-Manager Kaweh Niroomand spricht vor dem Supercup über die geringe Aufmerksamkeit für Volleyball, die hohen Gagen der Fußballexperten und die Ansprüche an die Berliner Profiklubs.
- Johannes Nedo
- Katrin Schulze
Herr Niroomand, wie froh sind Sie, dass Sie nicht wie einst gedacht in der Politik, sondern im Sport gelandet sind?
Ich war immer politisch interessiert und während meines Studiums auch politisch aktiv. Irgendwann habe ich aber den Entschluss gefasst, mich neben meiner beruflichen Tätigkeit lieber im Sport zu engagieren. Das bedeutet jedoch keinesfalls, dass ich unpolitisch bin. Ganz im Gegenteil. Ich glaube aber, dass ich in der Wirtschaft und im Sport mehr Gestaltungsfreiheit hatte und habe. Die Entscheidungswege und die Zyklen der Umsetzung dieser Entscheidungen sind kürzer.
Inwiefern hilft Ihnen Ihr politisches und wirtschaftliches Talent bei den BR Volleys?
Was mich von den anderen Sportkollegen unterscheidet ist, dass ich mein Amt bei den BR Volleys immer ehrenamtlich ausgeübt habe. Meine eigentliche Tätigkeit lag in den vergangenen 25 Jahren in der Wirtschaft. Wenn man große Firmen geführt hat und für mehrere 100 Millionen Euro verantwortlich war, kann man das nicht mit der Brechstange erreichen. Man muss mit Menschen umgehen können, sie überzeugen. Und man muss kämpfen können. Denn ein verlorener Auftrag ist noch lange kein verlorener Kunde. Genauso hat man die Meisterschaft noch nicht verpasst, wenn man mal ein Spiel verloren hat.
Sie können Ihre Spieler demnach besonders gut motivieren?
Ich habe viele meiner Erfahrungen in der Wirtschaft auf den Sport übertragen können – und umgekehrt. Der große Unterschied war aber immer: Wenn ich in der Firma etwas entschieden hatte, dann wurde das in der Regel auch gemacht. Im Sport ist das anders. Wenn ich einem Spieler sage, gehe doch lieber nach links, dann fragt er mich: Warum soll ich das machen? Die hierarchische Struktur ist ein wenig anders.
Sportler sind nicht so obrigkeitshörig?
Zum einen das, denn sie sind ja der Star. Und das setzt sich dann in ihrem Verhalten fort. Die Unabhängigkeit der Spieler ist eben größer als bei Angestellten in einer Firma.
Konnten Sie sich mit Ihrer Erfahrung trotzdem meist durchsetzen?
Ich kann schon sehr gut in Konflikte reingehen. Aber ich habe auch die Fähigkeit, Konflikte zu lösen. Das hängt nicht zuletzt mit meiner Kindheit zusammen. Ich bin im Alter von zwölf Jahren nach Deutschland gekommen und meine Eltern sind im Iran geblieben. Ich musste mich immer durchbeißen und kämpfen.
Vor einiger Zeit schon haben Sie sich aber aus der Wirtschaft zurückgezogen und können sich voll auf Ihre Aufgaben im Sport konzentrieren.
Ich gehöre nicht zu den Leuten, die ewig über ihre Kindheit nachdenken müssen, ich habe auch keine Kaninchen oder eine Briefmarkensammlung. Und ich kann nicht stillsitzen. Insofern brauche ich Projekte, die ich vorantreiben kann. Ehrlich gesagt, füllen mich die BR Volleys allein nicht aus. Es ist meine Herzensangelegenheit, aber den ganzen Tag kann ich mich damit auch nicht beschäftigen.
Deshalb sind Sie so umtriebig, unter anderem auch als Sprecher aller Berliner Profiklubs. Keine einfache Aufgabe – denn die Konkurrenz untereinander ist immer groß gewesen.
Wir stehen wirklich in vielen Punkten in Konkurrenz. Aber wir haben es trotzdem geschafft, dass jeder sein Eigenleben hat. Wie in einer guten Ehe. Die Profiklubs in Berlin haben viele gemeinsame Interessen. Und dass wir mit diesen vorankommen, sieht man daran, dass der Spitzensport in Berlin eine immer stärkere Bedeutung entwickelt. Wir werden mehr gehört, aber immer noch nicht genug. Es muss mehr getan werden, dass der Spitzensport hier weiterwächst und noch mehr Anerkennung erhält.
Wie kann das gehen?
In Berlin kann es nicht das Ziel sein, dass die Füchse im Handball immer hinter Flensburg und Co. stehen oder dass Alba im Basketball nicht mehr um die Meisterschaft mitspielt. Das habe ich auch der Politik deutlich gesagt. Bei den Budgetdifferenzen zu den anderen Spitzenvereinen der jeweiligen Liga brauchen wir mehr Unterstützung aus der Wirtschaft und der Politik – es geht um die Rahmenbedingungen. Wenn wir es schaffen, mit allen Vereinen nach ganz oben durchzustoßen, wird es uns dabei helfen, unserer gesellschaftlichen Verantwortung noch mehr nachzukommen. Denn im Spitzensport geht es nicht nur ums Geldverdienen.
Sondern?
Uns Berliner Vereine eint die Nachwuchs- und Integrationsarbeit. Der pädagogische und gesellschaftliche Wert unserer Kinder- und Jugendarbeit wird bei der Beurteilung der Profiklubs leider häufig verkannt. Je erfolgreicher der Spitzensport ist, umso mehr wirkt sich das auf die jungen Talente aus. Wir haben viel mehr Nachwuchs, weil die BR Volleys erfolgreich sind und Volleyball in der Stadt populärer geworden ist.
Die Ansprüche an die Profiklubs haben sich verändert, seit Sie hier tätig sind.
Die Erwartungshaltungen in Berlin sind gestiegen. Und dafür, dass die wirtschaftlichen Bedingungen in der Stadt nicht so einfach sind, leisten all die Profivereine eine hervorragende Arbeit. Jeder Klub ist in seiner Liga eine Marke. Damit sind jedoch auch die Ansprüche gewachsen. Keiner kann sich mit Platz sieben zufriedengeben. Alle müssen in der Lage sein, in der Spitze mitzuspielen. Das ist auch für die Stadt wichtig, nur leider spiegelt sich das nicht immer in der Unterstützung wider.
Die Stadt unterstützt die Klubs zu wenig?
Es gäbe einige Sachen, die besser laufen könnten. Zum Beispiel, dass die großen Unternehmen der Stadt sich mehr für die Profiklubs einsetzen, auch wenn es städtische sind. Wir sind hier zwar mit der Unterstützung des Berliner Senats ein ganzes Stück vorangekommen, aber bei diesem Thema ist noch reichlich Luft nach oben. Ein anderes Beispiel ist die Verwendung der City-Tax. Die Profiklubs und der Spitzensport insgesamt sind ein wichtiger Tourismusfaktor. Insofern wäre es mehr als berechtigt, die Spitzenklubs aus diesen Mitteln zu unterstützen. So könnte der Tourismus noch stärker angekurbelt werden und die Investitionen würden in die Stadt zurückfließen.
Damit auch Fußball-Bundesligist Hertha BSC künftig ganz oben angreifen kann?
Fußball ist eine Welt für sich. In der Spitze ist die Konkurrenz hier natürlich viel härter als zum Beispiel im Volleyball. Aber langfristig muss es natürlich auch der Anspruch von Hertha BSC sein, zu den Besten in Deutschland zu gehören. In meinen Augen ist der Klub schon auf einem guten Weg dahin.
Ihre Volleyballer spielen seit Jahren ganz oben mit. Empfinden Sie es nicht als ungerecht, dass trotzdem immer der Fußball im Fokus steht?
Der Fußball an sich ist nicht das Problem. Die Leute im Umfeld des Fußballs machen nur ihr Geschäft, und da ist eben gerade sehr viel Geld im Umlauf. Die Frage ist, inwieweit das langfristig gesund sein wird, aber das ist eine andere Diskussion. Was mich ärgert, ist das Verhalten der öffentlich-rechtlichen Sender.
Was meinen Sie damit?
Es ist beschämend, dass wir als Volleyball-Bundesliga für die Zweitverwertungsrechte eine untere fünfstellige Summe bekommen. Ganz abgesehen von den klassischen TV-Rechten sind allein schon rund um die Berichterstattung über den Fußball gewaltige Summen im Spiel. Wenn man bedenkt, dass ein Co-Moderator im Fußball mehrere Hunderttausend Euro für zirka 20 Auftritte im Jahr erhält, steht das in keinem Verhältnis. Das kann nicht der öffentliche Auftrag sein. Wenn die Sender fünf Prozent der Gagen, die sie für die Mehmet Scholls dieser Welt zahlen, der Volleyball-Bundesliga geben würden, wäre ich schon sehr zufrieden.
Das wird aber kaum passieren, oder?
Aber es kann auch nicht sein, dass sich die TV-Anstalten an einer Spirale beteiligen, in der immer mehr Geld in den Markt strömt. Die Fernsehgelder landen ja nicht nur bei den Fußballvereinen. Sobald ein Fernsehvertrag abgeschlossen wird und mehr Geld fließt, erhöhen alle Spielerberater die Gehälter und ihre eigenen Gagen. Das heißt, indirekt beteiligt sich die öffentliche Hand an dem Verdienst des Spielerberaters aus Casablanca oder Rio de Janeiro.
In Deutschland interessieren sich die meisten Menschen aber nun einmal für Fußball.
Ich weiß nicht, ob ein öffentlicher Sender nur nach dem Kriterium der Quote gehen sollte, wie es Privatsender machen. Und wenn alle anderen Sportarten totgeschwiegen werden, kann dafür natürlich auch kein Interesse entstehen.
Sie meinen, es müsste einen Anspruch auf Sportübertragungen abseits des Fußballs geben, so wie es einen Anspruch auf Nachrichten- und Informationssendungen gibt?
Absolut. Deutschland ist ein Land des Mannschaftssports. Es gibt kaum ein Land, das so viele interessante Ligen hat – ob das Handball, Basketball oder Hockey ist. Doch all das wird weggeschwiegen. Es kann nicht sein, dass wie jüngst im Volleyball eine deutsche Nationalmannschaft in einem Finale der Europameisterschaft steht und das im öffentlich-rechtlichen Fernsehen nicht übertragen wird. Das ist unmöglich.
Wie lässt sich das ändern?
Unsere Möglichkeiten sind leider sehr begrenzt. Hier ist vor allem die Politik gefragt und vielleicht sind es auch die Intendanten. Und wenn sich nichts ändert, muss man es eskalieren lassen. Ich habe unserem Ligaverband geraten, bei der nächsten Verhandlungsrunde ein solches Vertragsangebot nicht zu unterschreiben.
Dann kommen Sie mit Ihrem Sport aber gar nicht mehr vor.
Dann setzen wir aber auch mal ein Ausrufezeichen. Wenn wir immer alles akzeptieren, wird sich auch nichts verbessern. So wie es jetzt läuft, ist es jedenfalls geradezu eine Beleidigung.