Roberto Serniotti, Trainer der BR Volleys: „Wenn ich Deutsch spräche, verstünden mich nur vier Spieler“
Roberto Serniotti, neuer Trainer der BR Volleys, spricht im Interview über Sprachwirrwarr im Team und Improvisation im Trainingsalltag aufgrund der Sporthallenbelegung durch Flüchtlinge.
- Dominik Bardow
- Johannes Nedo
Roberto Serniotti, wo trainieren Sie eigentlich dieser Tage mit den Volleys?
Eigentlich ist unsere Halle ja im Horst-Korber-Sportzentrum, direkt neben der Geschäftsstelle hier. Aber da haben wir nur während der ersten drei Wochen der Vorbereitung gearbeitet, dann ist sie zum Aufnahmezentrum für die Flüchtlinge geworden. Das passierte von einem Tag auf den anderen – und jetzt trainieren wir an anderen Orten.
Wo?
Wir sind an einen Ort gegangen, der Sportforum heißt, wir trainieren auch in einer Seitenhalle der Max-Schmeling-Halle. Das ist alles okay, das einzige Problem ist nur: Wir verlieren so viel Zeit unterwegs im Auto.
Das Training ist also zu einer besonderen Herausforderung geworden?
Nein, nein. Wir fahren nur mehr zwischen den Einheiten hin und her. Denn das Krafttraining machen wir in einem Fitnessstudio – das ist auch sehr schön. Überhaupt improvisiert der Verein in dieser Situation sehr, sehr gut.
Hatten Sie denn auch Kontakt mit den Flüchtlingen in der Halle nebenan?
Nein, ich darf ja gar nicht rein, die Polizei lässt keinen rein. Ich sehe nur die Leute, die hier ankommen und draußen vor der Halle stehen. Und wenn wir jetzt über unsere Probleme sprechen, muss man auch klar sagen: Die Flüchtlinge haben deutlich größere Probleme.
Ihr Heimatland Italien hat auch Flüchtlingsprobleme.
Absolut, da geht es aber vor allem um die Schwierigkeiten derjenigen, die im Süden mit den Booten ankommen. Das ist noch einmal etwas anderes als hier.
Aber hat es Sie überrascht, dass es auch hier Flüchtlingsprobleme gibt?
Bei uns in Italien gibt es viele Diskussionen: Lässt man sie kommen oder nicht? Wohin mit ihnen? Hier in Deutschland habe ich gelesen, dass auch Arbeitskräfte gesucht werden, dass sie willkommen geheißen werden. Das finde ich sehr gut.
Wie die Flüchtlinge im Horst-Korber-Sportzentrum wirken auch die Volleys wie eine aus aller Welt zusammengewürfelte Gruppe – mit zwölf Spielern aus acht Ländern und von drei Kontinenten.
Der Sport und der Volleyball sind einfach so international. Das ist aber gar kein Problem. Wenn wir über Volleyball reden, sprechen wir alle die gleiche Sprache.
Aber ist die Kommunikation nicht schwierig? Wie machen Sie sich verständlich?
Als Sprache versuche ich viel Englisch zu verwenden, aber Italienisch ist auch eine wichtige Sprache im Volleyball. Die halbe Mannschaft der Volleys spricht Italienisch. Einer ist Italiener, die anderen haben in Italien gespielt. Englisch kann ich nicht so gut, aber für meine Zwecke reicht es. Ich sehe, dass die Spieler mich verstehen. Und nach einer Weile denkst du nicht mehr nach, man kommt einfach an sein Ziel. Die Spieler bilden natürlich Gruppen, wenn sie ausgehen. Die Amerikaner bleiben mehr mit den Amerikanern, die Jungen mit den Jungen, auch die Spieler, die Familie haben, sind öfter zusammen. Das gibt es aber in allen Teams.
Geht bei diesem Sprachwirrwarr nicht trotzdem viel verloren? Gerade abseits der Trainingsanweisungen – auch Psychologisches, Zwischenmenschliches?
Bei Mannschaften hängt viel von den Ergebnissen ab, wenn du oft gewinnst, hast du kaum Schwierigkeiten. Wenn man öfter verliert, beginnen plötzlich die Schwierigkeiten. Dann sieht man, ob die Gruppe stark und wirklich eine Mannschaft ist. Ich mag es aber auch, mit meinen Spielern zu diskutieren. Schließlich sind sie auch Experten. Ich frage sie im Training oft, was sie denken.
Wenn Sie dann eine andere Meinung haben, können Sie ja immer noch behaupten, Sie verstünden es nicht, oder?
Ich lasse mich auch mal überzeugen, aber am Ende entscheide ich. Ich bin ja der Trainer, wir können nicht nach der Hälfte des Trainings alles infrage stellen. Aber davor oder danach können wir diskutieren. Jeder lernt von den anderen Spielern.
Machen Sie einen Deutsch-Kurs?
Nein, ich habe keine Zeit um Deutsch zu lernen. Wenn ich super Deutsch sprechen würde, verstünden mich auch nur vier Spieler (lacht). Sie verstehen mich besser, wenn ich Italienisch spreche.
Da wäre ein Englisch-Kurs hilfreicher?
Ja, aber ich habe gerade keine Zeit für einen Kurs, ich kann allein studieren. Ich lerne überhaupt viel aus Erfahrung.
Sie haben bereits in vielen Ländern gearbeitet: in Italien, Griechenland, Frankreich, Russland, nun in Deutschland. Warum waren Sie schon so viel unterwegs?
Es gibt viele italienische Trainer, aber nur zwölf Erstligateams dort. Wenn du diesen Job machen willst, musst bereit sein, ins Ausland zu gehen. Es gibt viele italienische Trainer in Europa, einige auch außerhalb. Mir gefällt es, in verschiedenen Ländern zu arbeiten. Ich mag neue Orte. Klar ist es kompliziert, du musst immer von Neuem anfangen: neues Land, neue Stadt, neue Liga. Mir tut es dann auch immer leid um das, was ich verliere. Aber nach ein paar Jahren an einem Ort kennt man ihn und die Leute. Und dann ist es gut, weiterzuziehen.
Denken Sie nur an Volleyball? Oder schauen Sie sich auch mal eine Stadt an?
Es ist schwierig, sobald die Spiele losgehen. Ein Spieler kann auch an anderes denken, bei einem Trainer geht das kaum. Wir spielen bald zweimal pro Woche, da geht es natürlich fast nur um Volleyball.
Haben Sie sich in Berlin also noch keine Sehenswürdigkeiten angesehen?
Ich bin seit Mitte August hier, ich hatte eigentlich Zeit. Aber ich verliere viel Zeit damit, andere Mannschaften zu beobachten. Ich verbringe mehr Stunden vor dem Computer als in der Halle. In den ersten Monaten hatte ich ein wenig Zeit, um mich um Wohnung, Auto und so weiter zu kümmern.
Sie haben wirklich gar nichts gesehen?
Ein wenig, Berlin ist schon eine unglaubliche Stadt für Touristen. Ich wollte meine Frau in eine Fotoausstellung nahe des Potsdamer Platzes mitnehmen, hatte mich aber vertan, die war schon im Juli abgelaufen. Stattdessen gab es Botticelli, Botticelli interessiert mich jedoch nicht. Dann haben wir das gelbe Gebäude gesehen, die Philharmonie! Ich verstehe ja nichts davon. Aber da gingen Leute rein, eine halbe Stunde später gab es ein Konzert. Die Tickets sollten nur zehn Euro kosten, also sind wir reingegangen. Wir saßen zwar mit dem Rücken zum Orchester, aber es hat mir gefallen, auch wenn ich nach zwei Stunden fast ein wenig wegdöst bin. Das war eine schöne Erfahrung.
Haben Sie sich die Volleys wegen der Stadt Berlin ausgesucht?
Nein, absolut nicht. Doch wenn ich kann, suche ich mir einen schönen Ort aus. Ich hatte auch oft Glück, von 2000 bis 2002 war ich in Athen, vor 15 Jahren gab es da noch keine Probleme. Danach war ich zwei Jahre in Rom, das ist auch eine Stadt, in der es alles gibt. Auch in Tours und Trento hat es mir sehr gefallen. Jaroslawl in Russland war eher schwieriger. Berlin ist jetzt wirklich perfekt für mich. Und ich weiß, wenn die Saison gut läuft, wird alles noch schöner. Wenn es schlecht läuft, naja… In meinem Job sagt dir auch einmal ein Präsident nach drei Monaten: „Danke, das war's.“
Bei den Volleys stehen Sie vor einer großen Aufgabe. Von Ihnen werden nach dem Umbruch wieder Erfolge erwartet.
Das ist in Ordnung. Ich habe hier beste Bedingungen, um erfolgreich zu sein.
Was wollen Sie beibehalten, was ändern?
Man kann immer einige Dinge im Spiel besser machen. Es sind Kleinigkeiten: Am Block können wir uns verbessern, aber das dauert im Training. Ich mag taktischen Volleyball, nicht nur draufhauen.
Sie waren schon mal als Trainer Champions-League-Sieger, sind dann wieder Co-Trainer geworden. Warum?
Wenn das Projekt gut und die Mannschaft stark ist, akzeptierte ich auch mal einen Assistentenjob. Das war auch bei den Nationalmannschaften Italiens und Frankreich so, und bei Trento, das war eine superstarke Klub-Mannschaft. In einigen Fällen ist diese Rolle einfach eine intelligente Wahl, der erste Trainer hat viel Verantwortung, als Assistent siehst du oft mehr. Der erste Trainer muss mit dem Präsidenten reden, mit der Presse, den Spielern. Er ist auch in den Emotionen gefangen, weil am Ende alles seine Schuld sein soll. Als Assistent bleibst du konzentrierter und analysierst das Team.
Sie haben nun in Koichiro Shimbo einen japanischen Assistenten. Wollten Sie noch eine zusätzliche Sprache im Team?
Nein, wir kennen uns lange. Er war schon in Italien mein Assistent, jetzt ist er Co-Trainer von Japans Nationalmannschaft. Wir waren immer in Kontakt und Koichiro wollte nun gerne wieder nach Europa kommen. Mit ihm spreche ich aber Italienisch, ich könnte kein Japanisch lernen.
Sie waren schon mit 30 Jahren Klub-Trainer. Warum haben Sie so früh angefangen?
Ich habe schon mit 16 angefangen. Als ich spielte, hat mich mein Trainer nie aufgestellt, die anderen waren besser. Also habe ich gedacht, mache ich mich nützlich und habe Zehnjährige trainiert. Dann habe ich Sport studiert, aber immer mit dem Ziel, Trainer zu werden. Sportlehrer wollte ich nicht werden. Ich habe das bei Freunden gesehen, ich möchte einfach nicht mit Jungs arbeiten, die keine Lust auf Sport haben.
Gibt es die nicht auch unter Profis?
Die nimmt dann ja irgendwann keiner mehr. Außerdem erkundige ich mich ja vorher bei Kollegen über Spieler, ich habe viele Freunde unter den Trainern. Da weiß ich also, wer Lust hat.
Was müsste in dieser Saison passieren, damit Sie zufrieden sind?
Ich möchte es schaffen, hier ein gutes Gefühl hinzubekommen – mit den Spielern, dem Klub, den Fans. Ich möchte, dass wir uns miteinander wohl fühlen und viele gute Ergebnisse holen. Also am besten Meister werden und in der Champions League überzeugen. Ich habe aber auch nicht den Stress, nur Resultate liefern zu müssen. Wir wollen etwas aufbauen.
Das Gespräch führten Dominik Bardow und Johannes Nedo.