Auslaufen mit Lüdecke: Wenn eine Bremer Tennisspielerin wichtiger ist als das 3:3 von Hertha BSC
In der Fußball-Bundesliga gibt es bei Hertha BSC und in Dortmund zahlreiche Aufreger - aber alle interessieren sich nur für Tennis und Handball.
Jetzt muss auch mal Kritik erlaubt sein. Also: Wie Sie vielleicht wissen, habe ich den Auftrag, für eine hauptstädtische Tageszeitung eine Glosse zum Thema Fußball-Bundesliga zu verfassen. Das tue ich auch ausgesprochen gern. Wirklich. Es wäre nur sehr hilfreich, wenn nicht parallel irgendwelche sportlichen Großveranstaltungen stattfänden, die die Aufmerksamkeit des Lesers für die wichtigen Angelegenheiten des Fußballs nachhaltig beeinträchtigten.
Wer interessiert sich denn für die x-te Niederlage des Hamburger Sportvereins, wenn gleichzeitig eine Tennisspielerin aus Kiel ein extrem wichtiges Turnier auf irgendeinem anderen Kontinent gewinnt? Da interessieren sich plötzlich alle nur für die Kielerin, obwohl Hamburg eine viel größere Stadt ist. Wie soll ich Ihnen die schwere Krise von Hannover 96 schmackhaft machen, wenn gleichzeitig eine deutsche Auswahl das Finale einer Europameisterschaft gewinnt?! In einer Sportart wohl bemerkt, in der man den Ball gar nicht mit den Füßen berühren darf? Doch, so was gibt es.
So. Aber jetzt will ich Ihnen mal was verraten. Einen echten Knaller! Und ich kann nur hoffen, Sie sitzen! Und bitte: Darmstadt 98, ja? Darmstadt 98 – hat zu Hause gegen Schalke – 0:2 verloren! Na? Ist das ein Ding?
Interessiert Sie heute aber gar nicht. Ist mir klar. Sie interessiert heute nur, was die Kieler Tennisspielerin mit den 2,2 Millionen Euro Preisgeld anstellt. 2,2 Millionen, pah! Das sind doch Peanuts! Wussten Sie, dass der Münchener Fußballprofi Arturo Vidal seine Gehaltsabrechnung mehrfach in der Kabine hat liegen lassen, damit alle Welt sehen kann, dass er jeden zweiten Monat über zwei Millionen Euro erhält? So sieht das nämlich aus!
Aufregung ist hier Gedächtnisverlust
Und übrigens: Nachdem ich überall gelesen hatte, die tolle Tennisspielerin sei aus Kiel, stolpere ich jetzt über die Behauptung, sie sei 1988 in Bremen geboren. Bremen! Na, das passt ja! Bremen ist nämlich der Ort, wo ein in Berlin ansässiger Fußballverein am Samstag einen Zwei-Tore-Vorsprung verspielte. Viele haben sich darüber aufgeregt. Ich nicht. Weil ich weiß: Um einen Zwei-Tore-Vorsprung zu verspielen, muss man vorab erst mal zwei Tore geschossen haben. In diesem Fall sogar drei. Es ist noch kein Jahr her, da hat dieselbe Mannschaft überhaupt keine Treffer erzielt, geschweige denn überhaupt aufs Tor geschossen. Aufregung ist hier Gedächtnisverlust.
Einen echten Aufreger gab es aber trotzdem. In Dortmund. Da wurde ein irregulärer Treffer mehrfach auf der großen Videoleinwand wiederholt. Und jeder konnte sehen: Abseits! Na, da war was los, in Dortmund.
Im Tennis ist so etwas nicht möglich. Da gucken sich nämlich Spieler, Schiedsrichter und Zuschauer strittige Szenen gemeinsam in der Wiederholung an. Und wenn eine getroffene Entscheidung falsch war, darf der Schiedsrichter sie zurücknehmen. Das muss man sich mal vorstellen! Da nimmt der Tennisschiedsrichter eine falsche Entscheidung zurück und korrigiert sie!
Was für eine saublöde Sportart, Tennis.
Der Berliner Kabarettist Frank Lüdecke schreibt jeden Montag über die Fußball-Bundesliga.
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Frank Lüdecke