Jürgen Klopp trennt sich von Borussia Dortmund: Wenn der Trainer zum Guru wird
Wenn er sein Gesicht zur Fratze verzieht, kann man Jürgen Klopp mit einem Fan verwechseln. Dahinter steckt ungezügelte Leidenschaft - und ein moderner Trainer jenseits von Floskeln. Doch nun ist das Projekt Borussia Dortmund für ihn beendet.
Ein Fußballtrainer geht, ein anderer wird kommen. Das ist der ewige Kreislauf des Profifußballs. Und doch lohnt es sich, den Ball kurz zu stoppen und noch einmal die Zeitlupe anzuschauen. Was einen Fußballtrainer ausmachen kann, das führt Jürgen Klopp beinahe an jedem Spieltag mit Borussia Dortmund vor. Er steht für ein bestimmtes Bild, das wir inzwischen vom Trainer haben und damit auch vom Fußball an sich.
Ein Spiel für Gefühl und Geist. Denn einerseits kann man Klopp mit einem Fan verwechseln, wenn er am Rasen steht und brüllt und sein Gesicht manchmal bis zur Fratze verzieht. Da ist Fußball ungezügelte Leidenschaft. Aber Klopp ist auch deshalb groß herausgekommen, weil er dafür besonders originelle Worte findet. Ein Beispiel: „Begeisterung ist das, wo du nicht mehr weißt: Zuckst du jetzt wegen einer Fehlfunktion deines Körpers oder weil da unten auf dem Rasen die Post abgeht?“ Leicht vorzustellen, wie so jemand in der Kabine seine Spieler einschwört.
Als Trainertyp verkörpert Klopp den Spaß am Spiel, andererseits aber auch die Auseinandersetzung mit dem Spiel. Seinen Durchbruch feierte er eben nicht im Stadion, sondern im Studio, nicht mit einem Pokal in der Hand, sondern einem Mikrofon, als er bei der WM 2006 im Fernsehen über Fußball philosophierte, analysierte und witzelte. Da kam einer ohne die Floskeln der Trainerväter Herberger, Weisweiler und Rehhagel aus und zeigte, welch anspruchsvolle Unterhaltung der Fußball bieten kann.
Er kam damit gerade recht. Denn die fußballerische Allgemeinbildung hat immer mehr zugenommen. Als Spiel für den Kopf fordert Fußball nicht nur das Gedächtnis, wenn es in bierseliger Erinnerung darum geht, Meistermannschaften und Titelsammlungen aufzuzählen. Beinahe jeder Fan beherrscht inzwischen die Grundrechenarten der Mannschaftsaufstellung, vom 4–4–2 bis zum 3–5–2. Taktikportale haben im Internet regen Zulauf.
Weil sich im Fußball so viel verdichtet hat, der Raum auf dem Rasen immer enger geworden ist und das Tempo immer höher, wird dem erfolgreichen Trainer etwas Guruhaftes angedichtet. Als ob die Beine der Spieler an Fäden hingen und er die Puppen tanzen lassen könnte. In Wirklichkeit ist seine Arbeit die Mischung aus kühler Analytik und empathischer Motivation. Da sind moderne Trainer Prototypen einer sich wandelnden Arbeitswelt geworden. Teamorientiert. Projektorientiert.
Hinter Klopp steht ein Co-Trainer als taktisches Mastermind. Der will nie in der Öffentlichkeit stehen. Klopp dagegen hat die Aufmerksamkeit gesucht und sich zur Werbefigur gemacht. Der Star ist in Dortmund der Trainer. Bis zu dieser Saison ist das gut gegangen. Projekte sind eben zeitlich begrenzt, mit sieben Jahren war das immerhin ein ziemlich langes Projekt. Jetzt könnte mit Thomas Tuchel einer folgen, dem die Bundesliga das Wort „Matchplan“ verdankt. Also wieder einer, der Fußball nicht nur fühlt, sondern sich sehr viel dabei denkt.
Auch andere Vereine hätten ihn gerne verpflichtet. Trainer können global begehrt sein, wie Pep Guardiola, den die ganze Welt haben wollte. Hinter dieser Jagd auf die Besten steckt zum einen unbändiger Ehrgeiz und Erfolgswille. Aber auch die Sehnsucht, eine Identität zu gewinnen. So viel haben Trainer inzwischen zu verschenken.