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Kommen sich manches Mal in die Quere: Fahrradfahrer und Fußgänger.
© dpa

Radkolumne „Abgefahren“: Wenn der Radfahrer zum Fußgänger wird – und was er dabei erlebt

Radfahrer und Fußgänger haben ein schwieriges, nicht immer friedliches Verhältnis. Unser Kolumnist hat deshalb einen kleinen Selbstversuch gestartet.

Michael Wiedersich ist Sportjournalist und Radsporttrainer. Hier schreibt er im Wechsel mit Läuferin Jeannette Hagen.

Dass das Verhältnis zwischen Radfahrern und Autofahrern als ausbaufähig bezeichnet werden kann, ist allgemein bekannt. Aber es gibt noch eine andere Gruppe Verkehrsteilnehmer, die auf Menschen mit muskelbetriebenen Zweirädern nicht gut zu sprechen ist: die Fußgänger.

Dabei haben beide Gruppen Gemeinsamkeiten. Sie bewegen sich umweltverträglich und klimaneutral. In Sachen Geschwindigkeit können sie nicht mit dem motorisierten Individualverkehr mithalten. Alles dauert ein wenig länger, dafür können Strecken genutzt werden, auf die ein Auto niemals hinkommen wird. Und spätestens auf diesen Wegen ist es endgültig vorbei mit den vermeintlichen Gemeinsamkeiten.

Für Radfahrer sind die Fußgänger an solchen Orten meist nur bewegliche Hindernisse mit Nerv-Effekt. Dramatischer sehen es die Fußgänger, die teils von Todesängsten sprechen, wenn sie ganz knapp von einem Rüpel-Radler im Geschwindigkeitsrausch überholt werden. Nachdem mir neulich wieder einmal aus dem Bekanntenkreis Horrorgeschichten solcher Rad-Rowdys erzählt worden sind, beschloss ich einen temporären Perspektivwechsel.

Sehr zur Freude der Kulturbeauftragten des Hauses tauschte ich an einem Samstagvormittag die Radschuhe mit den Wanderstiefeln. Ziel des gemeinsamen Selbstversuchs war der Grunewald, den ich normalerweise nur mit grobstolligen Reifen und nur zwischen Montag und Freitag vormittags befahre. Die bekannten und beliebten Radfahrer-Hotspots sind am Wochenende eigentlich No-Ride-Areas.

Die ganze Bandbreite der Fahrradindustrie mitten im Wald

Denn dann wimmelt es dort von Läufern, Wanderern und Spaziergängern. Das Radfahren macht zu diesen Zeiten nicht nur keinen Spaß, sondern kann sogar für alle Beteiligten gefährlich werden. Ich rechnete also kaum mit Gesinnungsgenossen aus der Radfahrer-Zunft.

Ein Irrtum, wie sich schnell herausstellte. Nachdem das Hundeauslaufgebiet hinter dem Schlachtensee und Krumme Lanke passiert und der Kronprinzessinnenweg überquert war, konnte man in der Folgezeit die ganze Bandbreite der Fahrradindustrie mitten im Wald begutachten. Immer wieder kreuzten Zweirad-Freunde unseren Weg. Mal allein, mal in kleineren oder größeren Pulks zogen sie ihre Kreise, ich war wirklich erstaunt.

Eher harmlos war da beispielsweise ein älteres Ehepaar. Mit Trekking-Rädern und Dreigang-Schaltungen mühten sie sich einen Waldweg hinauf, klingelten freundlich und bedankten sich, als wir einen Schritt beiseite gingen. Weniger nett war die fünfköpfige Gruppe Gravelbiker, die zu zweit nebeneinander fahrend auf uns zu kamen.

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Obwohl wir unaufgefordert artig Platz machten, blieben sie in ihrer Spur und passierten uns, ins Gespräch vertieft, mit geschätzt gut 30 Zentimetern Sicherheits-Abstand. Wirklich gefährlich waren drei Radfahrer auf Elektro-Mountainbikes und mit extra dicken Reifen. Mit satten 35 Stundenkilometern pflügte das Trio durch den Wald und tauchten wie aus dem Nichts von hinten auf. Etwas erschreckt wichen wir zur Seite.

Die größte Gruppe, die uns per Rad überholte, zählte übrigens zwölf Männer und Frauen mittleren Alters. Sie hatten offenbar gute Laune. Schon von Weitem baten sie uns, etwas Platz zu machen. Drei von ihnen bedankten sich sogar dafür, geht doch.

Nach zweieinhalb Stunden Wanderung und um eine interessante Erfahrung reicher waren die Kulturbeauftragte und ich unversehrt zuhause angekommen. Der Perspektivwechsel hatte auf jeden Fall etwas in mir ausgelöst. Ich brauche nun dringend eine Klingel für mein Rad. Der Klang sollte einschmeichelnd sein und zukünftig jeden Fußgänger ein Lächeln ins Gesicht zaubern. Fündig geworden bin ich aber noch nicht...

Michael Wiedersich

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