Kolumne: So läuft es: Wenn der Arzt sagt OP, ist meistens OP
Viele Läufer kennen diesen stechenden Schmerz im Knie - und die Orthopäden greifen sofort zum Messer. Dabei gibt es bei Meniskusproblemen genügend Alternativen.
Mein Vater war ein ziemlich schneller Sprinter in seiner Jugend. Sport war für ihn lange ein wichtiges Thema, Bewegung ist noch immer sein Lebenselixier. Heute, mit fast 70 Jahren, geht er jeden Morgen ein bis zwei Stunden mit dem Hund. In den Siebziger Jahren wollte sein Meniskus nicht mehr so recht. Ich habe noch immer das Bild vor mir: Vater mit einem komplett eingegipsten Bein, mehrere Wochen komplett außer Gefecht. Noch heute ist die recht große Narbe am Knie sichtbar.
Wie der Vater, so der Sohn. Auch ich habe das durch. Allerdings sieht man bei mir die beiden kleinen Punkte der Arthroskopie, die zur Operation meines Meniskus eingesetzt wurde, nach einem Jahr praktisch gar nicht mehr. Bereits wenige Tage nach der OP konnte ich wieder gehen. Zeiten ändern sich. Medizin auch. „Schön an unserem Beruf ist, dass wir sie alle kriegen. Eines Tages kriegen wir sie alle“, feixte mein Orthopäde.
Ich glaubte ihm. Ich vertraute ihm, und legte mich unters Messer. Wenn der Arzt sagt OP, dann ist OP. Ich bin so erzogen worden. So wie viele viele andere auch. Ich wusste nicht, dass es vom Martina Hansens Hospital in der Nähe von Oslo bereits 2016 eine Studie gab, die bescheinigte, dass ein spezielles Sportprogramm einen Meniskusschaden ebenso gut beseitigen kann wie eine Operation. Dieser Tage erschien nun eine neue Studie. Dr. Victor A. van den Graaf und sein Team vom städtischen Krankenhaus in Amsterdam bestätigten erneut: Gezielte Physiotherapie ist ebenso wirkungsvoll bei Meniskusbeschwerden, wie die gute alte Operation. Über zwei Jahre hinweg untersuchte van den Graaf den Gesundungsverlauf von 321 Patienten.
Es geht darum, die Muskulatur durch gezieltes Training zu stärken
Für den Kölner Physiotherapeuten Stefan Schulz ist das längst ein alter Hut. Er behandelt seit vielen Jahren Läuferinnen und Läufer, aber auch Spitzensportler: „Durch gezielte Traktion, durch Be- und Entlastung, durch Anregung des Stoffwechsels ist es in der Tat möglich, dass sich das Milieu rund um die Kapsel so verbessert, dass Heilungsprozesse stattfinden bzw. die umliegenden Strukturen immer mehr Aufgaben übernehmen können.
Es geht darum, die Muskulatur durch gezieltes Training zu stärken, aber auch die Körperwahrnehmung muss sich verbessern, das Schmerzgedächtnis muss austrainiert werden. Das erreicht man zum Beispiel durch das Training auf einem Anti-Schwerkraft-Laufband, in dem man das Körpergewicht verringert. Das alles kann in der Summe eine Operation verhindern.“
Ohne Stefan wäre mein Knie nach der Operation nicht wieder so schnell so stabil gewesen, dass ich wieder Marathon laufen kann. Und ich bin ein wenig traurig, dass ich die Studien nicht vor dem Arztbesuch kannte. Sören – ein enger Freund und Leidensgenosse – bekam die selbe Diagnose vom Orthopäden. Meniskus. Operation. Ich habe ihm von den Studien berichtet. Er hat die Operation zunächst verschoben und geht mehrmals in der Woche zur Physio.
or einigen Tagen schrieb er mir: „Aaaaalter! Heute war der Tag. Der Tag, an dem ich tatsächlich meine erste kleine Intervallrunde draußen gedreht habe. Gehen, laufen, gehen, trippeln. Es hat so gut getan, Mann. Es war Pippifax, aber für mich so sensationell! Bis jetzt ohne Schmerz, drück mir die Daumen, dass es so bleibt.“ So läuft es.
Mike Kleiß leitet eine Kommunikations- und Markenagentur in Köln und schreibt hier an jedem Donnerstag übers Laufen.
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