Segeln: Wenn das Meer immer größer wird
Ein deutsches Segelteam umrundet die Erde beim legendären Portimão Global Ocean Race und liegt weiterhin in Führung.
Sie fühlten sich bereits als sichere Sieger. Nur wenige Kilometer vom Etappenziel Ilhabela in Brasilien entfernt, dümpelten Boris Herrmann und sein Begleiter Felix Oehme am Donnerstagabend in der Flaute vor sich hin. 7200 Meilen lagen hinter den beiden Extremseglern. Von Neuseeland aus, wo sie vierzig Tage zuvor gestartet waren, hatten sie im Sturm die gefährlichsten Gewässer der Welt durchquert, das Kap Hoorn umrundet und einen Vorsprung von über hundert Seemeilen auf ihre ärgsten Verfolger herausgeholt. Die Deutschen brauchten nur einen kleinen Windstoß, um über die Linie geschubst zu werden. Dann hätten sie hintereinander auch den dritten von fünf Teilabschnitten des Portimão Global Ocean Race gewonnen.
Aber es kam anders: „Wir sehen die Chilenen mit der Front heranrücken“, schreibt Skipper Herrmann über den Moment, da sich am Horizont eine schwarze Wolke zeigt. Sie bringt den Wind – und den Konkurrenten. „Wir können nicht zur Front gelangen, da die Wolke auf der Vorderseite den Wind auszulöschen scheint.“ Also ziehen Felipe Cubillos und Jose Muñoz in einem Bogen an den festliegenden Fastsiegern vorbei und triumphieren. Eine Stunde später kommen auch die Deutschen in dem Urlaubsparadies nahe Sao Paulo an. Der Hochseemarathon bleibt damit auf den verbleibenden zwei Atlantiketappen spannend.
Es ist ein kleines Rennen. Die Boote sind klein. Die Crews sind klein und die Teilnehmerzahl ist es auch. Aber das macht das Meer nur umso größer. Zumal das Portimão Global Ocean Race, benannt nach der portugiesischen Küstenstadt, in der es am 12. Oktober 2008 losging, einmal um den Erdball führt. Und Herrmann und Oehme erleben als Neulinge alles zum ersten Mal: die tückischen, aus dem Nichts auftauchenden Orkane des Südpolarmeers, die zehn Meter hohe Wellen auftürmen und die „Beluga Racer“ flach aufs Wasser werfen, es gibt Windlöcher, die Umrundung Kap Hoorns und Fragen wie die, ob es besser ist, links oder rechts um die Falklandinseln herumzusegeln. Als diese Entscheidung ansteht, liegen Herrmann/Oehme hinter den Chilenen zurück. Gegen alle Prognosen wählen sie den inneren Weg und ziehen an ihren Dauerrivalen vorbei. „Unser Problem ist es, dass die Deutschen so gut navigieren und taktieren“, hatten die Südamerikaner bei einer ähnlichen Aktion zuvor erklärt.
Noch nie konnte ein deutsches Team sich auf einem Langstreckenrennen dieser Art so souverän behaupten. Das Lob der Experten gilt denn auch vor allem dem 27-jährigen gebürtigen Lübecker Herrmann, der bereits als „neuer deutscher Supersegler“ gefeiert wird („Focus“). Wettkampfmeriten verdiente er sich auf der 505er-Jolle, mit der er ab 2006 international auf sich aufmerksam machte.
Aber seine Leidenschaft gehört dem Hochseesegeln. Als 20-Jähriger nahm er allein am Minitransat teil, belegte als jüngster Teilnehmer auf einer der 6,50-Meter-Nussschalen Platz elf. Nach einem Volkswirtschaftsstudium kehrte er 2008 mit der „Beluga“ zu den Einhandseglern zurück. Um das Boot zu erwerben, musste sich Herrmann verschulden, obwohl ihm mit der Beluga-Reederei aus Bremen ein großes Unternehmen zur Seite stand. Das Geld reichte für ein zwölf Meter langes Serienmodell.
Trotzdem düpierte der Einsteiger die Konkurrenz beim legendären Artemis-Transat, als er auf Rang zwei fuhr. Danach eröffnete sich Herrmann die Gelegenheit zur ersten Weltumsegelung. Für das Portimão-Rennen holte er sich mit dem Oldenburger Felix Oehme einen starken Partner an Bord des Class-40-Bootes.
Vier Doppelcrews sowie zwei Einhandsegler machten sich von Portugal aus auf den Weg. Abgesehen vom Golden Globe Race vor vierzig Jahren hat sich eine Flotte mit so kleinen Rennmaschinen noch nie auf eine Wettfahrt um den Globus begeben. Wie riskant das Reisen über so lange Wegstrecken ist, erfuhr der niederländische Solosegler und Portimão-Teilnehmer Nico Budel. Von dessen Open-40- Yacht „Hayai“ löste sich im Indischen Ozean der Kiel. Das Boot drohte umzuschlagen. Budel musste es aufgeben und wurde von einem Frachtschiff gerettet.
Für Herrmann ist der 30 000-Meilen-Ritt eine Art Krabbelstube. Er macht keinen Hehl daraus, beim Vendée Globe, das zeitgleich mit dem Portimão-Race stattgefunden hat und vor ein paar Wochen zu Ende ging, dabei sein zu wollen – als erster Deutscher. Die „Beluga Racer“ ist ein Spielzeug gemessen an den beim Vendée Globe üblichen 18-Meter-High- Tech-Ungetümen. Und doch: Wie man gewinnt, hat Herrmann bereits gelernt.
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