Big Four - Die US Sport-Kolumne: Wenn Baseball zum Marathon wird
Baseball war in den USA einst wegen seines rasanten Tempos beliebt. Davon ist heutzutage rein gar nichts mehr übrig geblieben. Dabei – so glaubt zumindest unser Kolumnist – wäre es gar nicht so schwer, den Spielfluss ein wenig zu straffen.
Drei, vier Stunden oder manchmal sogar noch mehr – so lange kann sich ein Baseballspiel mit Leichtigkeit hinziehen. Wenn die Spiele mitten in der Nacht stattfinden, ist das für den Zuschauer in Deutschland richtig hart. Und die Erfahrung zeigt, dass in den derzeit laufenden Play-offs der Major League Baseball (MLB) die Intensität sogar noch einmal deutlich zunimmt. Das führt aber nicht etwa dazu, dass das Spiel schneller wird – nein, eher das Gegenteil ist der Fall. Jede Entscheidung auf dem Feld wird noch ein bisschen länger herausgezögert.
Und so stellt sich derzeit allabendlich die gleiche Frage: Was tun, um so einen Marathon durchzustehen? Eine Variante ist, sich für ein paar Innings in den Schlaf zu verabschieden und für die entscheidende Phase neue Kräfte zu sammeln. Zugegeben, eine unbefriedigende, derzeit aber wohl die einzig mögliche Lösung. Dabei könnte es viel einfacher sein, wenn der Spielfluss nur ein wenig gestrafft werden würde. Es muss ja nicht gleich wie früher sein, als Spiele manchmal nur eine Stunde dauerten und die Amerikaner Baseball gerade wegen seines Tempos liebten. Vergleiche hierzu den wunderbaren Artikel von Jonathan Mahler in der New York Times vom 28. September.
Die Zeit lässt sich nicht zurückdrehen, an den Werbepausen der übertragenden TV-Sender führt kein Weg vorbei. In einem normalen Spiel über neun Innings mit dem einen oder anderen Pitcherwechsel kann das insgesamt schon mal eine Dreiviertelstunde ausmachen. In dieser Zeit läuft bei MLB.TV der ermüdende Satz „Commercial Break in Progress“ in gnadenloser Eintönigkeit über den Bildschirm. Aber es gäbe durchaus ein paar Möglichkeiten, das Spiel zu beschleunigen. Zum Beispiel könnte die Zeit, die zwischen den Pitches vergehen darf, auf sagen wir 25 Sekunden festgelegt werden. Wird diese Zeit überschritten, gibt es je nach Verantwortlichkeit dafür einen Ball oder Strike als Strafe. Natürlich müssten Ausnahmen zugelassen werden, beispielsweise bei einer Verletzung. Nach einem Aus oder einem Hit wäre dann ebenfalls ein Zeitraum festzulegen, bis das Spiel spätestens weitergehen muss. Nehmen wir hier 45 Sekunden.
Richtig nervig sind die Timeouts der Spieler während eines At-Bats. Da verstehen entweder Pitcher und Catcher ihre Zeichensprache nicht oder der Schlagmann tritt von der Platte zurück und verzögert das Spiel so. Abhilfe könnte hier eine klare Regelung schaffen, wonach solche Auszeiten von jedem Team in der Offensive und Defensive jeweils maximal dreimal in einem Spiel genommen werden dürfen. Unbedingt eingeschränkt werden müssten auch die Unterredungen der Trainer mit den Pitchern auf dem Werferhügel. Die zuvor erwähnten Auszeiten sollten das miteinschließen. Eine solche Auszeit darf dann natürlich auch nicht ewig dauern, höchstens 60 Sekunden und danach müsste das Spiel weitergehen.
Ein Problem, das kaum lösbar ist, sind die Pitches pro At-Bat. Durch Pick-off-Versuche oder Foulballs kann sich ein Duell zwischen Werfer und Schlagmann theoretisch ewig hinziehen, Eingriffe hier würden das Spiel aber zu grundlegend verändern. Auch wenn man durchaus argumentieren könnte, dass ein Foulball auch als solcher gewertet werden und ein Aus nach sich ziehen könnte. Oder dass eine Obergrenze von maximal zum Beispiel zehn Pitches pro At-Bat vielleicht für zusätzliche Spannung sorgen würde.
Von allen taktischen Mitteln in einem Spiel sind aber die endlosen Pitcherwechsel sicherlich die ärgerlichsten für den Zuschauer. Vor allem, wenn sie mitten im Inning vollzogen werden und damit eine weitere Werbepause nach sich ziehen. Eine Idee wäre, solche Auswechslungen nur noch zu erlauben, wenn der Pitcher zuvor einen Run erlaubt hat. Das würde den Managern zwar Spielraum nehmen, andererseits müssten sie ihre Strategien dadurch langfristiger planen. Und könnten eben nicht mehr nur einen Linkshänderspezialisten für gerade mal einen gegnerischen Schlagmann einwechseln. Natürlich dürfte auch weiterhin zwischen den Innings bzw. Halbinnings nach Belieben getauscht werden, aber eben nicht mehr ohne weiteres innerhalb des Innings.
Blieben noch die Extrainnings. Dadurch, dass es im US-Sport im Normalfall keine Unentschieden gibt, muss ein Sieger gefunden werden, was gerade im Baseball zu oftmals extrem anstrengenden Spielverlängerungen führt. Da kann dann schon mal die Siebenstundenmarke geknackt werden, wenn auch im 18. Inning immer noch kein Sieger gefunden ist. In den Play-offs sollte das aber durchaus beibehalten werden, in den anderen großen nordamerikanischen Ligen ist das nicht anders. Allerdings könnte die Sache in der regulären Saison verkürzt werden, indem einfach Spieler von vornherein auf Base platziert werden. Vielleicht noch nicht im zehnten Inning, aber ab dem elften. Zunächst einer, im nächsten Inning dann schon zwei und danach werden alle Bases geladen. So dürfte mit ziemlicher Sicherheit recht bald ein Gewinner gefunden werden.
Da sich Baseball größeren Regeländerungen aber seit über 100 Jahren ziemlich erfolgreich widersetzt hat, wird sich realistisch betrachtet kaum etwas ändern. Und so heißt es dann wohl weiter in den langen Play-off-Nächten irgendwie die Augen offen zu halten – oder sich das Spiel am nächsten Tag einfach als Aufzeichnung in aller Ruhe zu Gemüte zu führen. Das birgt den unschlagbaren Vorteil, dass alle Pausen – welcher Art auch immer - einfach durch Vorspulen ignoriert werden können. Die Müdigkeit hält sich zudem in Grenzen und die Gefahr, dass einen der Kollege im Büro gleich morgens mit dem Ergebnis eines Baseballspiels aus der vergangenen Nacht begrüßt, ist in Deutschland doch eher gering.
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