zum Hauptinhalt
Rampensau: Der ehemalige Fußball-Nationalspieler Thomas Häßler und die Tänzerin Regina Luca bei der RTL-Tanzshow "Let's Dance".
© dpa/Kaiser

Thomas Häßler: Weltmeister auf neuen Wegen

Als Kandidat im RTL-Dschungelcamp tritt Thomas Häßler kommende Woche wieder vor ein Millionenpublikum. Im Alltag kommt er als Trainer eines Berliner Achtligisten ohne die große Bühne aus.

Der Dschungel könnte nicht weiter entfernt sein an diesem unwirtlichen Wintersonntag im Berliner Westend. Graue Wolkenfetzen jagen über den Fußballplatz, der versteckt zwischen Kleingärten und einem Friedhof liegt. Aber das ist eben der Alltag von Thomas Häßler. Der Fußball-Weltmeister von 1990 wird sich vom 13. Januar an im deutlich wärmeren australischen Urwald als Kandidat der RTL-Show „Ich bin ein Star - Holt mich hier raus“ bizarren Dschungelprüfungen vor Millionen von Fernsehzuschauern unterziehen - an diesem Adventssonntag steht er hier als Cheftrainer des Berliner Achtligisten Club Italia am Spielfeldrand.

Es ist eine Aufgabe, in der er für den Moment ganz aufgeht. Über das Dschungelcamp mag er nach dem Spiel nicht reden, das macht er freundlich, aber sehr bestimmt klar. Über seinen sportlichen Alltag spricht Häßler dagegen gerne. Der sieht auch erfreulich aus, seine Mannschaft hat inzwischen den Sprung auf den vor der Saison angepeilten Aufstiegsplatz geschafft. „Wir sind auf einem guten Weg. Mit der Saison bin ich soweit zufrieden, bis auf zwei Spiele, in denen wir ein bisschen geschwächelt haben“, sagt der 50-Jährige.

Anfangs habe er aber schon schlucken müssen über den Alltag in der achten Liga: „Da fängt es an zu regnen, und einer der Spieler hat den Co-Trainer gefragt, ob Training ist bei Regen“, erzählt er. „Daran musst du dich erst mal gewöhnen. Ich kannte ja bisher nur professionellen Fußball, und das hier ist eben der Amateurbereich.“ Aber inzwischen hat er sich an solche Widrigkeiten gewöhnt. „Ich nehme das alles sportlich“, sagt Häßler lächelnd. Im TV-Geschäft stand er für die RTL-Show „Let's Dance“ oder die VOX-Doku „Ewige Helden“ vor der Kamera.

Erwarten würde man Häßler in den Niederungen des Amateurfußballs eher nicht: Vor 26 Jahren wurde der Mittelfeldregisseur mit der deutschen Nationalmannschaft Weltmeister, 1996 folgte der Europameistertitel. Vier Jahre lang spielte er für Juventus Turin und AS Rom in der italienischen Serie A, der damals besten und glamourösesten Fußballliga der Welt, in der Bundesliga war er für den 1. FC Köln, den Karlsruher SC, Borussia Dortmund und 1860 München am Ball.

Aber nach dem Ende seiner glanzvollen Spielerkarriere lief es für den Berliner weit weniger gut. Und so steht er nun in der ersten Staffel der Berliner Bezirksliga auf einem kargen Kunstrasenplatz ohne Tribünen und Bandenwerbung an der Seitenlinie und versucht, sein Team zum Aufstieg in die siebte Liga zu führen.

Das Erstaunliche ist: Der Weltmeister fällt in diesem so unpassend erscheinenden Umfeld nicht weiter auf. Er ist keiner, der die kleine Bühne für große theatralische Auftritte zu nutzen versucht. Am Spielfeldrand ist er höchstens dadurch zu erkennen, dass er deutlich kleiner ist als der Rest seines Betreuerstabs. Er steht einfach da, die Hände in den Taschen der dicken Daunenjacke vergraben. Nur wenn er eingreifen muss, bewegt er sich ein wenig, winkt Auswechselkandidaten vom Platz und weist ihren Ersatzmännern die Position zu. Was ein Achtligatrainer halt so tut.

Dabei ist der Club Italia kein gewöhnlicher Achtligist

Dabei ist der Club Italia kein gewöhnlicher Achtligist. Der besteht zwar im Moment nur aus einer Mannschaft und einem klangvollen Namen, hat aber sportlich einiges vor. Kürzlich wurde eine zweite Mannschaft gegründet, im kommenden Sommer soll auch eine Jugendabteilung aufgebaut werden. Die Ambitionen sind groß. Eine treibende Kraft hinter dem Projekt ist Vizepräsident Laurence Hein. Der Marketingexperte setzt auf die Zugkraft des Namens - die Verbindung von italienischem Lebensgefühl und Fußball, die auch Häßler mit seinen Karrierestationen verkörpert. Ein „italienischer Verein“ in Berlin sei der 1980 gegründete Klub inzwischen nicht mehr, sagt Hein.

Nach einer oft turbulenten Historie stehen inzwischen kaum noch Spieler aus der italienischen Community unter Vertrag. Aber durch lukrative Kooperationen mit namhaften Firmen aus Italien will Hein nun den sportlichen Aufschwung finanzieren.

Dazu braucht es Aufmerksamkeit - und die hat der Klub durch die Verpflichtung Häßlers reichlich bekommen. „Was die Medienpräsenz angeht, sind wir inzwischen die dritte Kraft in Berlin“, sagt der Vizepräsident. So konnte inzwischen auch ein Sportdirektor verpflichtet werden, der den sportlichen Erfolg gewährleisten soll - und das ist in Mario Livolsi sogar ein echter Italiener. Der 56-Jährige hat einige Erfahrung im Berliner Amateurfußball. Auch er sieht, dass der große Name des Weltmeisters sich positiv auswirkt: „Seinetwegen klopfen immer mehr Spieler an“, sagt Livolsi. Gerade jungen Talenten könne er sagen: „Da steht ein Weltmeister. Was ihr hier mitnehmen könnt, ist einmalig.“

Dass der Verein sein Aushängeschild für ein paar Wochen an den Fernsehsender RTL verliert, sieht Vizepräsident Hein nüchtern: Häßler habe einen Vertrag, für die Vorbereitungs- und Spielzeit müsse er dem Klub zu Verfügung stehen, „aber was er in seiner Freizeit macht, ist seine Privatsache“. Häßlers Teilnahme am Dschungelcamp sei sogar positiv für den Verein: „Da sitzen Millionen Zuschauer vor dem Fernseher, und der Verein wird ständig genannt werden. Etwas Besseres kann dem Club Italia gar nicht passieren.“

Thomas Häßler möchte an diesem Tag noch gar nicht an die TV-Show denken. Er hat beim Club Italia erst einmal seine Aufgabe gefunden. „Die haben hier etwas vor. Ist doch toll, wenn man bei so einer Geschichte dabei sein und helfen kann“, sagt er. Da ist er ganz Fußballer - und es fällt in diesem Moment schwer, ihn sich in einer anderen Rolle vorzustellen. (dpa)

Zur Startseite