Sofasport aus Nordamerika: Washington im Finale? Ist das E-Sports?
Die Washington Capitals sind im Finale um den Stanley Cup! Und sie haben mit Philipp Grubauer einen deutschen Eishockey-Nationaltorwart im Aufgebot. Wie relevant ist das eigentlich hierzulande? Eine etwas anders Betrachtung
Jetzt holen wir mal ganz tief Luft und freuen uns. Die Washington Capitals sind im Finale um den Stanley Cup! Und schon wieder, wie vor 20 Jahren, als noch Olaf Kölzig in der US-Hauptstadt zwischen den Pfosten stand, haben sie einen deutschen Torwart. Jedenfalls im Kader, den Ersatztorwart Philipp Grubauer aus Rosenheim. Er hat zwar nur zwei Spiele in den Play-offs der National Hockey-League (NHL) gemacht. Wenn er denn aber schließlich als vierter deutscher Profi die Trophäe in der besten Eishockey-Liga der Welt gewinnt, dann ist das doch was wert, oder?
Es wird "Grubauer, Grubauer"-Sprechchöre auf Deutschlands Straßen geben, wildfremde Menschen werden sich in den Armen liegen und in Rosenheim wird der Verkehr ob des gigantischen Autokorsos kollabieren.
Es wird... gar nichts passieren. Nicht, weil der "Grubi", wie sie ihn in der bayrischem Heimat nennen, nur Ersatztorwart ist. Nicht, weil es nicht schön und gut für das deutsche Eishockey wäre, wenn der Nationaltorhüter dort etwas gewinnt. Nein, weil es doch zu weit weg ist und damit für den Sportinteressierten in diesem Lande weniger eine Rolle spielt. Auch wenn sie in Nordamerika besser spielen und mehr Geld zahlen, auch zehn Stanley-Cup-Siege von Grubauer in Serie würden in der Heimat nicht so viele Menschen interessieren, wie eine olympische Silbermedaille der Nationalmannschaft.
NHL ist Sofasport in Deutschland
In Deutschland kennen mehr Menschen die großen Ligen als andersrum. Man kann getrost davon ausgehen, dass 90 Prozent der US-Amerikaner selbst von der Fußball-Bundesliga noch nie gehört haben. Was uns Nerds aber nicht davon abhalten wird, in irgendwelchen Sportkanälen meist zahlpflichtig des Nachts NBA, MLB, NHL, NFL und sogar MLS zu schauen (jau, letzteres ist Fußball. Schweini & Ibrahimovic turnen ja im Winter ihrer Karriere in Nordamerika herum). Die US-Ligen sind für die Generation Ü30 das, was für die Generationen drunter E-Sports ist: Spiele weit weg, zwar nicht nur virtuell aber nah dran zu virtuell: Wer von den deutschen NHL-Fans kennt schon die Arena der Vegas Golden Knights, des Finalteilnehmers in der NHL, aus Nahansicht? NHL im TV das ist in Deutschland gemütlicher Sofasport.
Der Grubauer stand ja die ersten beiden Spiele der Play-offs sogar im Tor der Capitals. Hätte er da nicht so unglücklich ausgesehen (zwei Niederlagen gegen Columbus), dann wäre er nun sicher eine größere Betrachtung wert. Oder: Wäre Washington früher ausgeschieden und hätte Grubauer dann mit dem Nationalteam bei der WM in Dänemark sensationell das Finale erreicht - dann wären sie womöglich in Rosenheim auf die Straße gegangen. Aber das ist ja irreal.