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Mein Freund, der Statist. Bastian Schweinsteiger war eine zentrale Figur der Nationalmannschaft – im Moment aber scheint sich kein Platz für ihn zu finden.
© dpa

WM 2014: Debatte um die Nationalmannschaft: Was wird aus Bastian Schweinsteiger?

Er ist allen sympathisch, hat viel für den deutschen Fußball getan - aber nun steht er am Rande der deutschen Nationalmannschaft bei der WM in Brasilien. Wird er noch eine tragende Rolle spielen oder sehen wir den Anfang des Endes eines großartigen Spielers? Was sagen Sie, liebe Leser?

Die sportliche Leitung der deutschen Fußball-Nationalmannschaft ist mit einigen guten Ideen zur Weltmeisterschaft nach Brasilien geflogen. Sie hat den Spielern geraten, sich auf die neue Umgebung einzulassen und dem Rhythmus des Landes zu folgen. Ganz so einfach aber ist das offensichtlich nicht, zumindest nicht mit dem Schlafrhythmus. Viele Spieler gehen auch nach Bewältigung des Jetlags früh zu Bett und sind entsprechend früh auch wieder wach. Bastian Schweinsteiger zum Beispiel wurde schon mehrmals morgens um sechs am Strand gesichtet, mit der Heimat telefonierend oder einfach nur dem Rauschen des Atlantiks lauschend. An einem der ersten Tage in Santo André soll Schweinsteiger sogar die Fäuste geballt haben wie nach einem wichtigen Tor und beim Anblick des Meeres gerufen haben: „Ist das geil!“

Inzwischen kann man sich nicht mehr sicher sein, ob Bastian Schweinsteiger das immer noch so sieht.

Nach dem Sieg gegen Portugal stand Schweinsteiger in der Trainingsgruppe zwei

Als die Stammspieler am Tag nach dem 4:0-Auftaktsieg gegen Portugal ihre müden Knochen ein wenig bewegen durften, stand der 29-Jährige mit der Trainingsgruppe zwei auf dem Platz. Schweinsteiger musste sich mit Christoph Kramer, Erik Durm und Kevin Großkreutz beim Torschusstraining verdingen, nachdem er das Spiel 90 Minuten lang von der Bank verfolgt hatte. Schweinsteiger saß in Salvador am äußeren Ende der Ersatzbank, so weit wie möglich von Joachim Löw entfernt. Natürlich ist die Sitzordnung oft dem Zufall geschuldet, und doch wird ihr immer auch eine entsprechende Symbolik beigemessen: Aus Schweinsteiger ist plötzlich eine Randfigur geworden.

So sehr wie sich die WM-Aussichten der deutschen Mannschaft durch den rauschhaften Sieg gegen Portugal aufgehellt haben, so sehr hat sich die persönliche Perspektive für den Münchner verdüstert. Im Moment dürfte es schwierig für ihn sein, einen Platz im Team zu finden.

Gegen die Portugiesen formierte Bundestrainer Joachim Löw seine Mannschaft in einem 4-3-3-System. Im zentralen Mittelfeld gab Philipp Lahm den defensiven Sechser, Toni Kroos und Sami Khedira spielten als Achter auf den Halbpositionen davor. Damit waren in der Zentrale sämtliche Eigenschaften vertreten, die in dieser sensiblen Zone benötigt werden: Präsenz, Robustheit, strategisches Geschick, Übersicht, Passgenauigkeit.

Selbst wenn Schweinsteiger einen der drei zentralen Mittelfeldspieler ersetzen sollte: Was wäre der Mehrwert für das Team? Lahm durchschaut das Spiel wie kein Zweiter, Khedira ist der bessere Zweikämpfer, und Kroos verfügt über die Fähigkeit, mit seinen unwiderstehlichen Pässen das Spiel der Deutschen zu beschleunigen. Das Gesamtkonstrukt, die Statik der Mannschaft, würde auch durch Schweinsteigers Mitwirken ganz sicher nicht ins Wanken geraten. Es würde aber auch nicht zwingend besser werden.

"Ich hatte schon die Idee, ihn zu bringen", sagt Bundestrainer Löw

„Ich hatte schon die Idee, ihn zu bringen“, sagte Joachim Löw nach dem Sieg gegen Portugal. Eigentlich sollte Schweinsteiger nach 60 Minuten Khediras Platz einnehmen, doch dann musste der Bundestrainer eine seiner drei Wechseloptionen für den verletzten Innenverteidiger Mats Hummels opfern. Ist das jetzt die Perspektive für Schweinsteiger nach zehn Jahren in der Nationalmannschaft und 102 Länderspielen? Dass er eine knappe halbe Stunde vor dem Ende für den erschöpften Sami Khedira auf den Platz darf? Dass er im dritten Gruppenspiel auch mal von Anfang an auflaufen darf, falls die Qualifikation fürs Achtelfinale bereits geschafft sein sollte? Oder bleibt bei seiner dritten WM am Ende nur ein Gnadeneinsatz im Spiel um Platz drei?

Joachim Löw hat die drohenden Härten in seinem Kader schon begrifflich zu mildern versucht, indem er die Ersatzspieler zu Spezialkräften ernannt hat. Das mag auf die Offensivleute zutreffen, die nach ihrer Einwechslung noch einmal neuen Schwung entfachen können. Aber welcher Spezialeinsatz ist für Bastian Schweinsteiger denkbar, der Teile der Vorbereitung wegen Problemen an der Patellarsehne verpasst hat?

Selbst als Back-up von Sami Khedira schwinden seine Einsatzchancen. Zum ersten Mal nach seiner Verletzungspause blieb Khedira 90 Minuten auf dem Platz, 11,3 Kilometer legte er zurück, mehr als jeder Portugiese. Aus der eigenen Mannschaft waren nur Toni Kroos (11,7) und Mario Götze (11,6) noch mehr unterwegs. „Sami Khedira hat zuletzt mehr gespielt“, erklärte der Bundestrainer. Warum er sich gegen Schweinsteiger entschieden hatte? „Die Spielpraxis war ein kleiner Vorteil von Khedira.“ Für Bastian Schweinsteiger muss das wie Hohn geklungen haben. Sein Problem ist: Die Spielpraxis wird künftig noch weit weniger für ihn sprechen.

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