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Bleibt Pal Dardai als Trainer bei Hertha BSC?
© rtr

Hertha BSC: Was plant Pal Dardai?

Seit Wochen gilt es als offenes Geheimnis, dass Pal Dardai Trainer von Hertha BSC bleiben darf, wenn er den Klassenerhalt schafft. Michael Preetz geht von einem Verbleib des Ungarn aus. Doch offiziell hat sich Dardai noch nicht positioniert.

Der Laden lag strategisch günstig, direkt auf dem Weg zu Gate A 19, das Angebot war so, wie es in solchen Läden auf Bahnhöfen oder Flughäfen immer ist: belegte Baguettes, Müsli, Früchtequarks. Pal Dardai hatte Hunger, und dass er am Samstagabend vor dem Rückflug nach Berlin ausgerechnet hier landete, lag vermutlich weder an der kulinarischen Auswahl noch am Namen der Kaffeebar: Perfect Day.

Ein perfekter Tag? Pal Dardai, der Trainer von Hertha BSC, war weit davon entfernt, das so zu empfinden. „Ich bin heute sehr unzufrieden“, sagte er nach dem Spiel bei der TSG Hoffenheim. „Ich bin Sportler, ich hasse es zu verlieren.“ Herthas Erfolg im Großen wurde konterkariert durch den Misserfolg im Kleinen. 1:2 in Sinsheim verloren - und trotzdem den Klassenerhalt geschafft. Tierisch geärgert habe ihn das späte 2:1 der Hoffenheimer, sagte Dardai. „Wenn du mit einem 1:1 nach Hause fliegst, hast du ein anderes Gefühl.“ Hertha tat sich schwer, dem Überschwang freien Lauf zu lassen. Die Gefühle, positive wie negative, überlappten sich. Als sich die Mannschaft nach dem Schlusspfiff in die Kurve zu den eigenen Fans begab, war das eher Pflichterfüllung als volle Begeisterung. Ein kurzer Gruß, dann kehrte sie wieder um und verschwand in der Kabine.

Pflicht erfüllt, mehr aber auch nicht. „Bei mir ist auch noch keine Freude da, sondern eher Erleichterung“, sagte Herthas Kapitän Fabian Lustenberger am Tag nach dem Spiel. „Vielleicht kommt das am Donnerstag, wenn man die Relegation mit dem HSV schaut.“  Vermutlich wird den Berlinern erst dann so richtig bewusst: Wir sind noch einmal davongekommen. Ausgelassenheit herrschte bei Hertha nur, nachdem Roy Beerens zum zwischenzeitlichen 1:1 getroffen hatte. „In dem Moment war es ein sehr wichtiges Tor“, sagte der Holländer. „Du denkst: Es ist vorbei.“

 Für Hertha BSC ist eine komplizierte Saison zu Ende gegangen

Aus und vorbei. Für Hertha ist eine anstrengende, vor allem aber eine komplizierte Saison zu Ende gegangen. Mit letzter Kraft haben sie sich in Sinsheim über die Linie geschleppt. Vor sieben Wochen noch hätte vermutlich niemand mehr mit einem solchen Szenario gerechnet: Am Ostersonntag, nach dem 2:0 gegen Paderborn, schien Hertha den Verbleib in der Fußball-Bundesliga vorzeitig sicher zu haben. Die Mannschaft lag auf Platz 11, sieben Punkte vor dem Relegationsrang. An Pfingsten, nach sieben weiteren Spielen ohne einen einzigen Sieg, verhinderte sie mit dem denkbar dünnsten Vorsprung gerade noch Schlimmeres. Hertha beendet die Saison als Fünfzehnter, punktgleich mit dem HSV auf Platz 16, nur wegen der um neun Treffer besseren Tordifferenz. In Wirklichkeit war es sogar noch enger. Zwei Tore machten am Samstag den Unterschied zwischen Himmel und Hölle aus: Hätte Freiburg in Hannover den Ausgleich geschafft und Hertha ein weiteres Gegentor kassiert, müssten die Berliner sich jetzt auf die Relegation vorbereiten.

Auch wenn es müßig ist: Ein Spieltag mehr - und es hätte Hertha vermutlich noch erwischt. Aber wen interessiert das noch? Die Mannschaft war Vorletzter, als Pal Dardai sie Anfang Februar als Trainer übernommen hat. Er sollte sie vor dem Abstieg retten. Das hat er geschafft. „Es hat sehr gut funktioniert“, sagte Mittelfeldspieler Per Skjelbred. Kapitän Lustenberger hat in seiner Zeit bei Hertha einige Trainerwechsel miterlebt. Einen positiven Effekt haben sie eigentlich nie erzielt. „Diesmal hat’s gefruchtet.“ 

Hertha bleibt in der Bundesliga, das allein zählt

Dardai ist mit 39 Jahren noch jung, er hat in seiner Unerfahrenheit ein paar Fehler gemacht, letztlich aber ist sein Plan aufgegangen. Hertha bleibt in der Bundesliga, das allein zählt. Er habe die Mannschaft vom Negativen ins Positive zurückgeführt, sagt Fabian Lustenberger über Dardai. „Er hat ein bisschen frischen Wind reingebracht.“ Der Ungar hat die Defensive entscheidend stabilisiert, er hat die Mannschaft zum Laufen gebracht - aber er hat es am Ende nicht mehr geschafft, dem allgemeinen Spannungsabfall entgegenzuwirken. Ist seine Bilanz trotzdem eine Empfehlung für eine Weiterbeschäftigung? „Ich finde, dass er auf jeden Fall die Chance verdient hat“, sagt Lustenberger.

{Pal Dardai: Mehr als ein Feuerwehrmann?}

Der erfolgreiche Abstiegsverhinderer hat am Samstagabend zu seiner persönlichen Zukunft gesagt, man dürfe eine solche Entscheidung nicht aus der Euphorie heraus treffen. Es war Michael Frontzeck, der bei Hannover 96 quasi in letzter Minute den Absturz gestoppt und die Mannschaft mit zwei Siegen zum Schluss vor dem Abstieg gerettet hat. Seine Anstellung vor ein paar Wochen hat in Hannover nicht gerade unbändige Euphorie ausgelöst, inzwischen aber wird er für seine unaufgeregte Art ehrlich geschätzt. Dass Frontzeck erheblichen Anteil am Klassenerhalt hatte, wird wohl niemand bestreiten. Und trotzdem: Ist er mehr als ein guter Feuerwehrmann? Kann Frontzeck eine Mannschaft auch mittel- und langfristig entwickeln? Diese Fragen werden die Verantwortlich in Hannover nun für sich zu beantworten haben. Bei Hertha scheinen sie nicht einmal gestellt zu werden.

Seit Wochen gilt es als offenes Geheimnis, dass Dardai Trainer bleiben darf, wenn er den Klassenerhalt schafft. An diesem Automatismus haben die vergangenen Wochen mit den dürftigen Ergebnissen offensichtlich nichts geändert. „Ja, davon gehe ich aus“, hat Manager Michael Preetz unmittelbar nach dem Spiel gegen Hoffenheim in der Sportschau auf die Frage geantwortet, ob Dardai in der neuen Saison Cheftrainer sein werde. Preetz hat sich im Grunde selbst in eine Situation gebracht, in der er gar nicht mehr ergebnisoffen entscheiden kann. Schon vor seiner Beförderung zum Cheftrainer war Dardai ein besonderer Liebling des Anhangs, die erfolgreiche Rettungsmission dürfte seinen Sympathiewerten eher nicht geschadet haben. 

Welches Risiko liegt in einer Weiterbeschäftigung von Pal Dardai?

Aber Sympathie ist kein Ersatz für Kompetenz. Natürlich ist es gut möglich, dass Dardai mehr ist als ein guter Feuerwehrmann, dass er auch für die lange Strecke taugt. Dass man das noch nicht zweifelsfrei sagen kann, liegt vor allem daran, dass der Ungar bisher nicht die Chance gehabt hat, es zu beweisen. Aber welches Risiko liegt in seiner Weiterbeschäftigung? Für Hertha? Aber auch für Dardai selbst und seine weitere Karriere als Trainer? Mit dem Kader, so wie er aktuell zusammengestellt ist, drohen die Berliner auch in der kommenden Saison wieder in Schwierigkeiten zu geraten. Den großen Umbruch aber wird sich Hertha wohl nicht leisten können.

Dardai selbst hat alle Auskünfte zu seiner persönlichen Zukunft verweigert, solange der Klassenerhalt nicht gesichert war. Aber auch am Sonntag hat er noch gesagt: „Das ist nicht der richtige Zeitpunkt, um über den Vertrag zu reden.“ Sein Ehrgeiz sagt ihm wohl: Du musst das machen. Aber die Vernunft? Unterschreibt er mit dem neuen Vertrag nicht auch gleich seine Entlassung mit und damit dem Abschied von seinem Herzensverein Hertha? „Das war eine große Belastung auch für die ganze Familie“, hat er über die vergangenen drei Monate gesagt. In der schwierigen Zeit zu Beginn habe er zu Hause zwei, drei Wochen überhaupt nicht mehr geredet. Ist es das wert? „Natürlich ist das ein geiler Job“, sagt Dardai. „Wir werden sehen, was passiert.“

Die grobe Planung für die Saisonvorbereitung hat er schon ausgearbeitet. Am 28. Juni geht das Training wieder los. In den nächsten Tagen wird Dardai noch Einzelgespräche mit den Spieler führen. „Jeder kriegt meine Meinung“, sagt er. „Sie müssen ja wissen, wie man plant.“ Dass Pal Dardai einem möglichen Nachfolger die Entscheidung abnimmt, wer noch eine Zukunft bei Hertha BSC hat und wer nicht, das ist eher nicht zu erwarten.

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