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Die Zähne zusammenbeißen: Angelique Kerber steht vor schwierigen US Open.
© Matthew Stockman/AFP

Kein Coach, keine Konstanz: Was Angelique Kerber vor den US Open fehlt

Es läuft nicht gut für die dreimalige Grand-Slam-Siegerin. Zum Start der US Open sucht sie immer noch einen Trainer – und vor allem ihre Form.

Kein Trainer ist auch keine Lösung. Zu dieser Einsicht dürfte Angelique Kerber nach der Trennung von Rainer Schüttler inzwischen womöglich auch gelangt sein. Nachdem sie sich in Wimbledon als Titelverteidigerin bereits in Runde zwei verabschiedete, sagte sie wenig später zum einstigen Weltklasseprofi an ihrer Seite: „Auf Wiedersehen.“ Seither tourt die Deutsche ohne Coach durch die Tenniswelt, bislang allerdings erfolglos. Zwei Turniere spielte sie nach dem Debakel von Südwest-London, beide Male verlor sie jeweils ihr Auftaktmatch.

„Ich werde mir Zeit nehmen, um den richtigen zu finden. Ich will keine schnelle Entscheidung treffen, die ich dann bereuen werde“, sagte sie unlängst bei einem Sponsorentermin. Wenig später erklärte sie sogar, notfalls auch ohne Trainer bei den US Open starten zu wollen. Die beginnen für die Deutsche am Montag nun tatsächlich ohne Coach mit einem Match gegen Kristina Mladenovic. Auf Hartplätzen hat die Deutsche bisher viermal gegen die aktuelle Weltranglisten-53. aus Frankreich gespielt und alle Matches gewonnen, doch derzeit stellt Kerber auf dem Tennisplatz keine große Bedrohung dar.

2019 hatte sie wenige starke Momente, dafür umso mehr schwache. Immer wieder wechseln sich bei ihr gute mit enttäuschenden Leistungen ab. Und das nicht nur von Turnier zu Turnier, sondern manchmal auch während einer Spielwoche oder sogar in einem Match. In Toronto fegte sie kürzlich ihre Gegnerin Daria Kasatkina im ersten Satz 6:0 vom Platz, verlor die folgenden Durchgänge dann aber noch 2:6 und 4:6. Auch in Wimbledon sah sie anfangs gegen Lauren Davies wie die sichere Siegerin aus, einem 6:2 folgten dann aber ein 2:6 und 1:6. „Auf und Ab gehören zu mir, zu meiner Geschichte, zu meiner Karriere. Ich komme immer stärker zurück“, erklärte sie kürzlich ihre mangelnde Konstanz.

Ein guter Trainer könnte ihr dabei helfen, das Gleichgewicht auf dem Platz wieder zu finden. Wim Fissette, der sie im Vorjahr zum Wimbledonsieg führte, war so einer. Aber menschlich passte es nicht mit ihm. Rainer Schüttler wiederum war vielleicht zu lieb, konnte Kerber nicht aus ihrer Komfortzone bewegen und sie spielerisch nicht weiterbringen.

„Es muss halt passen, egal welcher Name es ist. Wenn es ein Name ist, den man nicht kennt, es aber passt, dann ist es das, was ich suche“, sagte Kerber. An Ratschlägen von außen mangelt es bei der Trainerfindung nicht. So sagte die deutsche Frauentennischefin Barbara Rittner im Interview bei Eurosport: „Sie braucht jemanden, der anpackt und ihr Mut macht und eventuell aufkommende Zweifel beseitigt.“

Kompliziert und hilflos

Das mit den Zweifeln ist bei Kerber allerdings so eine Sache. Sie umgeben sie schon seit Jahren. Vor allem zweifelt sie offenbar häufiger an sich selbst, gerade wenn der Druck zu groß zu werden droht: „Ich kann damit schon umgehen“, verteidigte sie sich jüngst. Ihrem Spiel war zuletzt allerdings anzusehen, dass dem nicht ganz so ist. Nichts wirkte mehr locker und entspannt, alles kompliziert und zuweilen hilflos. In diesem Punkt unterscheidet sie sich im Moment gar nicht so sehr von ihrem deutschen Kollegen Alexander Zverev, der bei den Männern ebenfalls eine veritable Krise durchlebt.

Anders als der gerade erst 22-Jährige hat Kerber allerdings nicht mehr viel Zeit für große Erfolge. Vier, fünf Jahre wolle sie schon noch spielen, meinte sie vor einigen Wochen. An Rücktritt denke sie zurzeit nicht. „Ich muss die Motivation haben, hart zu arbeiten. Das ist die Grundlage, und die ist natürlich da“, versicherte sie in einem Gespräch mit der Deutschen Presseagentur. Zuweilen wirkten ihre Auftritte zuletzt allerdings fast lustlos, ein bisschen Resignation war bei sich abzeichnenden Niederlagen schon allein durch ihre Körpersprache spürbar.

Wie viel Bereitschaft, sich zu quälen, steckt tatsächlich noch in einer Athletin, die praktisch alles in ihrem Sport erreicht hat? In New York kann Kerber darauf eine Antwort geben. Dass sie diesmal nicht zum engeren Favoritenkreis gehört, dürfte sie nicht weiter stören. Allerdings wissen das auch ihre Gegnerinnen. Vor Respekt vor der einstigen Nummer eins erstarrt aktuell jedenfalls niemand mehr.

Eine der wichtigsten Aufgaben für Kerbers neuen Coach dürfte es daher sein, in ihr noch einmal den unbedingten Ehrgeiz zu wecken. Dann wäre ein Trainer tatsächlich auch eine Lösung und Kerber womöglich noch einmal zu Großtaten auf dem Tennisplatz fähig. Das allerdings kommt für die US Open 2019 zu spät. Angelique Kerber muss sich beim letzten Grand Slam des Jahres alleine behaupten. Auch das kann zuweilen eine lehrreiche Erfahrung sein.

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