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Stammgast. Weißrusslands Trainer Juri Schewzow hat sein Handball-Team zu einem ernstzunehmenden Turniergegner geformt.
© Miroslav Chaloupka/dpa

Deutsche Handballer bei der EM: Warum Weißrussland zu einer anspruchsvollen Aufgabe wird

Das deutsche Team trifft bei der Handball-EM am Donnerstag auf Weißrussland. Deren Trainer Juri Schewzow kennt sich im deutschen Handball bestens aus.

Juri Schewzow hat sich kaum verändert, nicht mal mit dem fiesesten Indiz älter werdender Herren muss er sich eingehender beschäftigen – weil sein Haupthaar schon vor vielen, vielen Jahren zahlreiche graue Stellen aufwies. Mittlerweile ist es komplett weiß, aber unabhängig davon wirkt Schewzow jung. Er macht einen dynamischen Eindruck, ist braungebrannt, seine wachen Augen wandern und fokussieren die Gesprächspartner mit großer Eindringlichkeit.

So steht der 60-Jährige, kurz nach der Wende Spieler und Coach des damaligen Handball-Bundesligisten Blau-Weiß Spandau und heute Nationaltrainer Weißrusslands, am Mittwochvormittag beim sogenannten Media Call des europäischen Verbands EHF in der Wiener Stadthalle. Schewzow wird von Reportern umringt, überwiegend von deutschen, die von seinen hervorragenden Sprachkenntnissen und seiner Vorgeschichte wissen. Schewzow genießt die Aufmerksamkeit, er hat sie sich nach mehr als zehnjähriger Abstinenz als Bundesliga-Trainer wieder erarbeitet.

Weißrussland zieht souverän in die Hauptrunde ein

Unter seiner Verantwortung ist Weißrussland längst zu einem Stammgast bei Welt- und Europameisterschaften geworden; beim Dreiländer-Turnier in Österreich, Schweden und Norwegen hat das Team mit zwei Siegen gegen Serbien und Montenegro sowie einer Niederlage gegen Mitfavorit Kroatien souverän die Hauptrunde erreicht.

Dort treffen die Weißrussen am Donnerstag (20.30 Uhr, ARD) auf die deutsche Mannschaft – und nach Lage der Dinge dürfte es eine anspruchsvolle, unangenehme Aufgabe für das Team von Bundestrainer Christian Prokop werden. Bislang konnten die Deutschen nicht wirklich überzeugen, trotzdem haben sie sich irgendwie nach Wien gezittert.

Das hat doch sicherlich auch der alte Trainerfuchs Schewzow registriert? Weißrusslands Nationaltrainer lächelt milde. „Was wollen Sie jetzt hören?“, fragt er. „Es ist doch jedem klar, dass Deutschland der große Favorit ist, oder?" Die DHB-Auswahl sei auf fast allen Positionen besser besetzt, habe trotz zahlreicher Verletzungen einen ganz anderen Pool, aus dem sich Bundestrainer Prokop bedienen kann.

Zuletzt ist der Abstand der Weißrussen zu den führenden Handball-Nationen allerdings Stück für Stück kleiner geworden. „Wir haben ganz andere Strukturen als noch vor ein paar Jahren“, sagt Schewzow. „Ich kann mich nicht darüber beklagen, dass es keine Nachwuchsspieler gibt oder die Jugendtrainer schlechte Arbeit leisten, im Gegenteil.“

Lange Jahre war das Spiel der Weißrussen vor allem auf einen Mann zugeschnitten: Siarhei Rutenka, den großen Star des Teams, der auf dem Höhepunkt der Karriere beim großen FC Barcelona spielte und den spanischen Spitzenklub zu diversen Titeln in der Champions League führte. Im Frühjahr 2020 ist Weißrussland weit weniger einfach auszurechnen. „Wir freuen uns über diese Entwicklung, das haben wir uns hart erarbeitet“, sagt Schewzow.

Mit dem HC Brest verfügt Weißrussland auch über einen Verein, der sich in der Champions League regelmäßig mit den großen europäischen Klubs messen darf. „Für mich als Nationaltrainer ändert das nicht viel, weil in Brest viele ausländische Profis angestellt sind“, sagt Schewzow, „aber für die Popularität unserer Sportart ist das natürlich sehr hilfreich.“ Auch Schewzow und sein Team tragen dazu bei.

Juri Schewzow verfolgt den deutschen Handball noch

Vor dem Duell gegen Deutschland am Donnerstag sollte der weißrussische Trainer vor allem ausführen, inwiefern seine Kenntnisse über Deutschland und die Bundesliga möglicherweise von Vorteil sein könnten. Hat er besondere Quellen, die er anzapfen kann, quasi Spione? Weiß er nicht ganz genau, was da im ersten Hauptrundenspiel auf ihn und sein Team zukommt? „Wenn es so wäre, bräuchten wir ja nicht zu trainieren“, sagt Schewzow und lacht. „Ich verfolge mit großem Interesse die Bundesliga und das ganze Drumherum“, ergänzt er. „Ich glaube, ich kenne die meisten deutschen Spieler besser als viele meiner Jungs.“

Das liegt nicht zuletzt daran, dass Schewzow die Kontakte zu seinen alten Arbeitgebern in Deutschland nie hat abreißen lassen. „Ich komme immer wieder gern in die Städte und die Vereine, für die ich mal aktiv war“, sagt er – nach Berlin, Essen und Mannheim also. Kürzlich war Schewzow auch wieder in jener Stadt, in der die Trainerkarriere des ehemaligen Weltklasse-Rechtsaußen so richtig begonnen hat: in Berlin. Für den April, wenn in der Max-Schmeling-Halle das Qualifikationsturnier für die Olympischen Spiele in Tokio stattfindet, hat Schewzow außerdem eine Einladung bekommen. „Ich freue mich darauf, da werden bestimmt Erinnerungen hochkommen“, sagt er.

Etwa an seine letzte Profi-Saison, in der bei Blau-Weiß Spandau ein aufstrebender deutscher Handball-Star verpflichtet wurde: ein gewisser Stefan Kretzschmar. „Kretzsche war damals ein ganz junger Kerl, er hatte kaum Tätowierungen“, sagt Schewzow. „Da merkt man erstmal, wie viel Zeit seitdem vergangen ist.“ Zeit, die man bei Juri Schewzow aber eben nur am Haupthaar ablesen kann.

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