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Immer ein fürsorglicher Gefährte beim VfB: Maskottchen Fritzle.
© Uwe Anspach/dpa

VfB Stuttgart in der Relegation: Warum Fritzle immerzu trösten muss

Stuttgart macht aus großen Möglichkeiten bemerkenswert wenig. Das kann auch an der Nähe zum großen Autobauer Daimler liegen.

Neulich, der Südwestrundfunk hatte es mit seinen Kameras eingefangen, schlurfte einer der dienstältesten Akteure des VfB Stuttgart übers Trainingsgelände des Klubs. Alligator-Maskottchen Fritzle musste die Seele so mancher Zaungäste streicheln. Ein leicht ergrauter Herr blickte traurig in die Kamera und sagte, dass er keine Zuversicht mehr habe, nur noch ein bisschen Hoffnung, dass es irgendwann mal wieder besser werde. Fritzle legte währenddessen seine grünen Patschen auf die Schultern des Mannes und tätschelte ihn aufmunternd.

Fritzle ist seit 1992 in Amt und Würden beim VfB. Den Titel 1992 hat das Krokodil knapp verpasst, aber auf der VfB-Internetseite gibt Fritzle an, dass in dem Ei, aus dem er geschlüpft sei, ein Poster dieser Meistermannschaft hing. Der Alligator hat in seinen 27 Jahren viel erlebt bei den Stuttgartern. Eine Meisterschaft, einen Abstieg und überhaupt ständige Achterbahnfahrten. Der VfB, das muss man ihm wirklich lassen, ist nicht langweilig. Auch in dieser Saison macht er es wieder spannend. Nur drei Jahre nach dem Abstieg in die Zweite Liga stehen die Stuttgarter in der Relegation.

Die eigentliche Geschichte bei diesem Verein ist aber nicht, dass er es gerne spannend macht, sondern vielmehr, dass er so viele Fehler macht. Der VfB Stuttgart hat ohne Zweifel die Voraussetzungen, um dauerhaft eine Spitzenmannschaft in der Bundesliga zu sein. Der Klub hat allein wegen seiner Lage (die Daimler-Zentrale liegt nur wenige hundert Meter entfernt von der Stuttgarter Arena) quasi einen Vertrag auf Lebenszeit mit dem Autobauer-Weltkonzern, er hat ein sehr großes und – trotz aller Bruddlerei – ein sehr treues Publikum.

Außerdem haben die Stuttgarter eine Infrastruktur (Stadion, Klubgelände, Nachwuchsakademie), auf die auch einige europäische Spitzenklubs stolz wären. Mit den Möglichkeiten dieses Vereins und dem, was dabei herausspringt, verhält es sich wie mit einem Fahranfänger, den man in einen Sportwagen setzt. Er bringt die PS nicht auf die Straße. Und wenn er es doch versucht, rast er gegen eine Mauer.

Unglaubliche 15 Trainer in den vergangenen zehn Jahren verschliss der VfB

Der VfB Stuttgart hatte in der Vergangenheit viele Ideen, aber alle wurden nur so lange verfolgt, bis es erste Rückschläge gab. Dann wurde alles verworfen. Unglaubliche 15 Trainer in den vergangenen zehn Jahren verschliss der Klub und dieses Chaos zeigte sich auch an den Saison für Saison stark veränderten Spielerkadern. Die Talfahrt des VfB erinnert an jene des Hamburger SV. Die Stuttgarter lernen nicht aus ihren Fehlern. Und wenn es hart auf hart kommt, dann haben sie zwar nicht wie der HSV einen vermögenden Mäzen, dafür aber den Autobauer-Weltkonzern, der die Schatulle aufmacht. Vielleicht liegt darin das Dilemma des Vereins begründet.

Dennoch gibt es Licht am Ende des Tunnels. Wenige Wochen vor dem Ende der Bundesliga-Saison hat die Mannschaft die Kurve bekommen. Seit Nachwuchstrainer Nico Willig interimsweise die Profimannschaft übernommen hat, tritt der VfB stabil auf. In den letzten vier Bundesligaspielen blieben die Stuttgarter drei Mal ohne Gegentor. Es war dies ohnehin das Mantra des VfB in dieser Saison: Hinten keines kriegen und vorne irgendwie ein Törchen reinwürgen. Oft hat es nicht geklappt. Sieben Siege und 28 Punkte hat Stuttgart in 34 Spieltagen geholt. Deswegen sagte Trainer Willig vor dem Spiel am Donnerstag: „Es ist nach der Saison nicht selbstverständlich, dass wir diese Chance mit der Relegation noch haben.“

Die Herausforderung für Willig gegen Union wird sein, dass die Berliner gegen seine Mannschaft hinten gut stehen und vorne ein Tor reinwürgen wollen. Der VfB wird tatsächlich richtig Fußball spielen müssen, mit Ballbesitz, mit Kombination in der Offensive und so weiter. Das wiederum könnte einen alten Helden auf den Plan rufen: Mario Gomez. Der frühere Nationalstürmer saß zuletzt meist auf der Ersatzbank. Dem 33-Jährigen fehlt inzwischen ein wenig das Tempo für die Bundesliga, vor allem dann, wenn sein Team sich auf das Konterspiel verlegt. Gegen Union aber soll das nicht der Fall sein. Willig schwebt viel Ballbesitz vor. „Alle wissen, was Mario innerhalb des Strafraums zu leisten in der Lage ist“, sagte der Trainer vor dem Duell mit den Köpenickern. Mit „heißem Herz und kühlem Verstand“, so Willig, wolle seine Mannschaft die beiden Spiele angehen.

Es ist ein schönes Motto des jungen Trainers, vielleicht eines, das sich der Klub auf sein Vereinswappen tackern sollte.

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