Relegation: Warum die Dritte Liga besser abschneidet als die Zweite
In der Relegation zur Bundesliga gewinnt meistens der Favorit. In der Relegation zur Zweiten Liga ist das nicht der Fall. Warum das so ist? Drei Erklärungsversuche.
Der VfL Wolfsburg hat am Donnerstagabend den ersten Schritt Richtung Bundesliga-Klassenerhalt gemacht, Holstein Kiel im Relegationshinspiel mit 3:1 (2:1) besiegt und damit den Trend bestätigt, dass der Erstligist in diesem Auf- und Abstiegsshowdown wenig zu befürchten hat. Wenn am Freitagabend (18.15 Uhr/ZDF) aber das Hinspiel in der Relegationsserie zur 2. Bundesliga zwischen dem FC Erzgebirge Aue und dem Karlsruher SC über die Bühne geht, sind die Vorzeichen überraschenderweise anders. Denn aus den bisherigen neun Duellen ging hier gleich sieben Mal der Herausforderer aus der Dritten Liga als Sieger hervor und tauschte die Plätze mit dem Zweitligisten. Drei Thesen, die das Phänomen erklären könnten:
Die finanzielle Schere
Geld schießt zwar nicht immer auf Anhieb Tore, es steigt aber trotzdem in den seltensten Fällen ab. Wenngleich sich der Hamburger SV oder der VfL Wolfsburg mühen, die These zu konterkarieren, steht fest: So viel Schindluder können Erstligisten mit ihrem Kapital fast gar nicht betreiben, dass zwischen ihnen und den Herausforderern so etwas wie Chancengleichheit entstehen könnte. Der Gesamtmarktwert aller 18 Bundesliga-Mannschaften wird laut transfermarkt.de auf 3,51 Milliarden Euro taxiert. Zum Vergleich: Die Gesamtmarktwerte der beiden Unterhäuser liegen bei schätzungsweise 295,83 Millionen Euro und 111,5 Millionen Euro. Zugegeben, der Wert der Bundesliga wird etwas verfälscht durch Imperien wie die von Bayern München oder Borussia Dortmund, die allein schon 1,18 Milliarden Euro auf die Waage bringen. Aber auch zwischen Wolfsburg (142 Mio.) und Kiel (15 Mio.) besteht ein Unterschied, der mit „himmelweit“ noch nett umschrieben ist. Derartige Differenzen ergeben sich auch aus unverhältnismäßiger TV-Vermarktung. Insofern dient die Tatsache, dass es die Zweitliga-Relegation im Free-TV zu sehen gibt und die zur Bundesliga nicht, schon als Indiz dafür, dass wir es hier mit zwei von Grund auf verschiedenen Relegationen zu tun haben.
Die sportliche Schere
Aus These 1 ergibt sich zwangsläufig These 2. Denn die monetären Gesetze, die in den Ligen vorherrschen, bestimmen auch das sportliche Monopol. Wer sich in der Bundesliga einmal etabliert hat, und zwar so richtig über mehrere Spielzeiten und nicht wie Freiburg oder Mainz, wo ein Sprung nach Europa etwas für die Geschichtsbücher ist, bleibt in der Regel auch oben. So hat sich das Gesicht der Bundesliga seit der Einführung der Relegation vor neun Jahren nur marginal verändert. Von den 18 Klubs aus der Saison 2008/09 sind immer noch deren zwölf erstklassig. In der 2. Liga stellt sich das Verhältnis ganz anders dar. Von den 18 Klubs aus der Saison 2008/09 sind nur noch vier übriggeblieben. Die Zweite Liga ist von einer ganz anderen qualitativen Zusammensetzung und der Dritten Liga deshalb auch bei Weitem nicht so überlegen, wie sie der Ersten Liga unterlegen ist. Nicht umsonst rasselten Teams wie Karlsruhe, Paderborn oder Braunschweig binnen eines Jahres von der Bundesliga respektive Relegation in die Dritte Liga und Klubs wie Darmstadt oder nun Kiel andersherum von der Dritten Liga bis in die Erste oder zumindest bis in die Relegation.
Das Heimspielrecht
Fragt man Spieler und Verantwortliche nach Auslosungen, welchen Gegner sie gerne zugelost bekämen, hört man oft ein „Egal. Hauptsache, wir haben das Rückspiel zuhause”. Viele Mannschaften hoffen vor heimischer Kulisse, einen möglichen Rückstand aus der ersten Partie noch aufzuholen. In der Relegation jedoch wirkt der Mythos vom Heimrecht im Rückspiel wie außer Kraft gesetzt. Sowohl bei den Aufstiegsspielen zur Bundesliga als auch darunter. Die Ergebnisse zeigen: Wer das Hinspiel nicht gewinnt oder gar verliert, kann sich kaum noch Chancen für das Rückspiel ausrechnen. Der spannende Punkt: Während bei der Relegation zur Bundeliga immer der Erstligist zuerst Heimrecht hat, genießt bei der Relegation zur 2. Bundesliga der Drittligist zuerst den Heimvorteil, weil seine Saison früher beendet wurde und der Deutsche Fußball Bund diesen Nachteil etwas ausgleichen wollte. Dieser Eingriff des DFB hatte aber keinen Effekt. Im Gegenteil. Mit dem 1. FC Nürnberg (2009) und Fortuna Düsseldorf (2012) stiegen nur zwei Zweitligisten nach der Wiedereinführung der Relegation auf. Kein Zufall, da sie die beiden einzigen Vereine sind, die den Erstligisten im Hinspiel auswärts besiegen konnten. In der Relegation zur 2. Bundesliga verlor der Drittligist das Hinspiel vor heimischer Kulisse nur ein einziges Mal.
Steven Wiesner, Henrik Hoelzmann