Handball-Europapokal: Warum die Bundesliga den EHF-Cup dominiert
Alle Jahre wieder gewinnt ein deutsche Klub den EHF-Cup im Handball. In diesem Jahr rechnen sich auch die Füchse Berlin beim Final Four in Göppingen gute Chancen aus.
Uwe Gensheimer wird sich auf außerordentliche Unterstützung von den Rängen verlassen dürfen. Der Kapitän der deutschen Handball-Nationalmannschaft genießt große Popularität in den Hallen der Republik, daran hat auch sein Wechsel zu Paris St. Germain im letzten Sommer nichts geändert. Wenn am ersten Juni-Wochenende in Köln der Champions-League-Sieger des Jahres 2017 ermittelt wird, ist dem 30-Jährigen aber auch aus einem anderen Grund besondere Aufmerksamkeit gewiss: Beim Finalturnier wird er der einzige Deutsche unter den aktiv Beteiligten sein. Zum ersten Mal seit der dauerhaften Vergabe des Final Fours nach Köln vor sieben Jahren hat sich kein Bundesligist für das Halbfinale qualifiziert. Kiel, Flensburg und die Rhein-Neckar Löwen – alle sind frühzeitig ausgeschieden. Jetzt muss es der Legionär Gensheimer richten.
Im zweiten großen Wettbewerb der Europäischen Handball-Föderation (EHF) ist dagegen weiterhin Verlass auf die Teilnehmer aus der stärksten Handball- Liga der Welt. Für das Finalturnier um den EHF-Pokal, das an diesem Wochenende in Göppingen ausgetragen wird, haben sich gleich drei Bundesligisten qualifiziert: die Füchse Berlin, die es am Samstag (17.45 Uhr) mit dem französischen Vertreter St. Raphael zu tun bekommen, sowie Gastgeber Göppingen und der SC Magdeburg, die im rein deutschen Duell den anderen Finalisten ermitteln. Viel hätte nicht gefehlt, und mit der MT Melsungen wäre noch ein vierter Vertreter ins Schwabenland gereist. Am Ende scheiterten die Hessen jedoch im Viertelfinale an eben St. Raphael.
Das Teilnehmerfeld 2017 fügt sich damit in die Geschichte des EHF-Cups, der seit beinahe zwei Jahrzehnten von deutschen Mannschaften dominiert wird. Seit 2001 kam der Sieger des Wettbewerbs nur zwei Mal nicht aus der Bundesliga: 2003 triumphierte der FC Barcelona, 2014 nahm Pick Szeged den Pokal mit nach Ungarn. Vor allem bei den Füchsen Berlin werden sie sich an letzteren Fall schmerzlich erinnern, weil das Finalturnier damals in der Max-Schmeling-Halle stattfand und ein Sieg des ausrichtenden Vereins fest eingeplant war. Immerhin klappte es für die Berliner im Jahr darauf mit dem ersten Europapokal- Titel ihrer Vereinsgeschichte.
Berlin, Magdeburg, Göppingen - die Bundesliga stellt drei der vier Finalisten
„Diesmal kann jede Mannschaft das Ding gewinnen, davon bin ich fest überzeugt“, sagt Füchse-Manager Bob Hanning, „aber überraschend wäre es nicht, wenn wieder ein Bundesliga-Team in der Siegerliste auftaucht.“ Hanning begründet die Dominanz im EHF-Cup vor allem mit den Strukturen im deutschen Handball im Allgemeinen und in der Bundesliga im Speziellen. „In der Spitze hat es in dieser Saison ausnahmsweise nicht gereicht, wie man in der Champions League sehen kann“, sagt Hanning, „aber in der Breite ist die Bundesliga so stark aufgestellt, dass es für die Klubs aus anderen Ländern extrem schwierig ist mitzuhalten.“ Das bestätigt auch ein Blick auf die Siegerliste des EHF-Cups seit 2001, in der sich acht verschiedene Bundesligisten wiederfinden, teilweise mit mehr als einem Erfolg: THW Kiel, SC Magdeburg, Tusem Essen, TBV Lemgo, HSG Nordhorn, Frisch Auf Göppingen, VfL Gummersbach und die Füchse Berlin.
Was für die Champions-League-Vertreter jahrein, jahraus ein echtes Problem und – im Wortsinn – eine Belastungsprobe darstellt, wirkt sich äußerst positiv auf das Verfolgerfeld aus: Es ist der Umstand, dass es im Gegensatz zu anderen europäischen Ligen kaum mehr Bundesliga-Spiele gibt, die schon vor dem Anpfiff entschieden sind. Vorbei sind die Zeiten, in denen der THW Kiel unaufhaltsam vorneweg marschierte und der Rest des Feldes seine ganz eigene Meisterschaft ausspielte. Sowohl vom Leistungsniveau als auch unter finanziellen Aspekten sind die Klubs in Deutschland deutlich enger zusammengerückt, während im europäischen Ausland eine gegenteilige Entwicklung zu beobachten ist.
Fünf Standorte stehen gleichermaßen sinnbildlich für sportliche Langeweile, Turbokapitalismus oder Mäzenatentum: Barcelona und Paris finanzieren sich primär über ihre Fußball-Vereine, Veszprem (Ungarn), Skopje (Mazedonien) und Kielce (Polen) dürfen sich auf unbegrenzte Möglichkeiten und einen schwerreichen privaten Geldgeber verlassen, jedenfalls bisher. Andererseits birgt dieses Modell auch altbekannte Gefahren.
Wenn Bob Hanning etwa in der Füchse-Geschäftsstelle am Gendarmenmarkt sitzt und auf die Trikots der letzten Champions-League-Saison mit Berliner Beteiligung blickt, „dann sehe ich Trikots von Atletico Madrid, AG Kopenhagen und dem HSV Handball“, erzählt Hanning. Drei Klubs also, die nach dem Rückzug ihrer Mäzene beispielhafte sportliche Abstiege hinlegten. Bevor so etwas passiert, gehen sie bei den Füchsen dann doch lieber auf Nummer sicher – und arrangieren sich mit der Teilnahme am EHF-Cup. Jedenfalls für den Moment.