Wimbledon: Warum Ashleigh Barty die etwas andere Nummer eins ist
Ashleigh Barty scheidet in Wimbledon schon im Achtelfinale aus. Doch als Rückschlag sieht sie das nicht.
Ein paar Minuten nach ihrem Ausscheiden in Wimbledon konnte Ashleigh Barty schon wieder lächeln. Auf die Frage, ob sie denn ihren Frust nach ihrer 6:3, 2:6, 3:6-Niederlage im Achtelfinale gegen die US-Amerikanerin Alison Riske mit dem ein oder anderen Bier ertränken würde, antwortete die Australierin schlagfertig: „Mal sehen, ein oder zwei könnten es vielleicht werden.“ In den vergangenen Wochen gab es für die 23-Jährige nur Gründe zum Feiern, nach ihren Siegen bei den French Open und zuletzt in Birmingham hatte sie davon berichtet, sich für ihre Erfolge auch schon mal mit einem alkoholischen Kaltgetränk zu belohnen. Wer will es ihr verdenken, das Jahr 2019 ist für sie das beste ihrer Karriere.
Vor ein paar Jahren war diese Karriere fast schon vorbei, als 18-Jährige hatte sie genug vom Profitennis und versuchte sich stattdessen in ihrer australischen Heimat im Cricket. Dass sie noch einmal auf die Tour zurückkehren würde, hatte sie damals selbst nicht unbedingt gedacht, auch wenn die Deutsche Julia Görges in Wimbledon erzählte, dass sie damals schon zu Barty gesagt hätte: „Man sieht sich immer zweimal auf dem Platz.“
Tatsächlich versuchte sich Barty doch noch einmal im Tennis, 2016 meldete sie als Weltranglisten-9999. für ein Challenger-Turnier im englischen Eastbourne und schaffte es dort über die Qualifikation ins Halbfinale. In dem unterlag sie damals Alison Riske, so wie am Montagmittag auf dem Court No. 2 von Wimbledon. „Ich hoffe, dass mir das nicht noch ein drittes Mal gegen sie passiert“, sagte Barty danach scherzhaft. Wirklich niedergeschlagen wirkte sie dabei schon nicht mehr. „Es ist schließlich auch nur ein Tennismatch gewesen“, hatte sie dafür eine simple Erklärung.
Ashleigh Barty ist die etwas andere Weltranglistenerste, sie nimmt den Profisport nicht so verbissen wie viele ihrer Kolleginnen. Zumindest ist das heute so. Einst galt sie als das größte australische Talent, 2011 gewann sie in Wimbledon die Juniorenkonkurrenz. Dann kamen die Rückschläge und der Rücktritt, von dem sie heute sagt, es sei „die beste Entscheidung gewesen, die ich treffen konnte“.
Der Erfolg gibt ihr Recht, auch wenn er auf dem Tennisplatz eher unspektakulär daherkommt. Mit ihren 1,66 Meter ist sie eine der kleineren Spielerinnen auf der Tour, sie spielt die Rückhand häufig unterschnitten, variiert sehr gut und traut sich auch oft ans Netz. Dabei hilft ihr natürlich die Erfahrung aus dem Doppel, hier stand sie schon bei allen Grand Slams im Finale. In Wimbledon spielte sie an der Seite der Weißrussin Victoria Asarenka, trat aber zu ihrem Drittrundenmatch am Montag nicht mehr an.
Ashleigh Barty: "Mein Aufschlag hat mich ein wenig im Stich gelassen"
Wohl auch, weil sich Barty für das Einzel nach zuletzt 15 Siegen in Folge mehr ausgerechnet hatte. Bis zum Achtelfinale stürmte sie mühelos durch das Turnier und auch gegen die Weltranglisten-55. Riske setzte sie zu Beginn gleich ein Zeichen. Das erste Spiel gewann Barty durch vier Asse in Folge, ohne dass ihre Gegnerin auch nur einmal am Ball gewesen wäre. Nach Satz Nummer eins deutete alles auf den nächsten Spaziergang für Barty hin, doch sie verlor den Faden und ihre Gegnerin steigerte sich. „Mein Aufschlag hat mich im zweiten Satz ein wenig im Stich gelassen, so ist Alison zurück ins Match gekommen. Am Ende hat sie in den wichtigen Momenten besser gespielt“, sagte Barty.
Und auch wenn Riskes Sieg für viele überraschend kam, so gibt es bei den Frauen kaum eine Spielerin, die Rasenplätze mehr bevorzugt als die 29-Jährige. Ihre 13 ersten Siege auf der WTA-Tour gelangen ihr alle auf Gras, in dieser Saison holte sie den Titel in ’s-Hertogenbosch und kurz darauf bei einem kleineren Turnier in Surbiton. „Seit ich zum ersten Mal auf Rasen gespielt habe, fühlte ich mich wie zu Hause“, sagte Riske, die in ihrem ersten Grand-Slam-Viertelfinale nun auf Serena Williams trifft.
Für Ashleigh Barty gab es nach dem Aus aber auch noch eine gute Nachricht. Weil die Tschechin Karolina Pliskova ebenfalls verlor, bleibt Barty auch über Wimbledon hinaus die Nummer eins. Dort steht sie als erste Australierin seit Evonne Goolagong-Cawley 1976, die als Kind ihr großes Idol war. Wie ihre Vorgängerin ist auch Barty Nachfahrin von Aborigines und in ihrer Heimat Botschafterin der australischen Ureinwohner. Goolagong-Cawley war vor 39 Jahren auch die letzte Spielerin Australiens, die in Wimbledon gewinnen konnte. Seither hat keine Australierin mehr das Finale beim wichtigsten Tennisturnier der Welt erreicht. Ashleigh Barty kann das bei der 133. Auflage der All England Championships auch nicht mehr gelingen. Den Spaß am Tennis wird sie deswegen aber nicht gleich wieder verlieren.