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Elfmeterdebatte: Von England lernen, heißt nicht nur siegen lernen

Grafite, Manuel Friedrich - und Matthias Sammer. Markus Hesselmann gibt eine Anregung für Elfmeter-Diskussionen - im Fernsehen und anderswo.

Wer gern Premier League und gern Bundesliga schaut, dem fällt als Vergleich nicht nur auf, dass die englischen Klubs in der Champions League erfolgreicher sind. Oder dass auf der Insel nun einmal schneller und härter gespielt wird. Lehrreich für uns könnte auch das unterschiedliche Muster bei Diskussionen über Elfmeterentscheidungen sein. Neuestes Beispiel: Grafites Faller heute im Spiel des VfL Wolfsburg gegen Leverkusen nach einem Gerangel mit Bayers Manuel Friedrich im Strafraum. Schiedsrichter Jochen Drees gab Elfmeter, Grafite verwandelte. Die typische Diskussion, wie sie deutsche Fernsehfußballexperten in so einem Fall führen, dreht sich vor allem um die Frage: Hat der Schiedsrichter richtig entschieden oder nicht?

„Premiere“-Moderator Dieter Nickles und Matthias Sammer – immerhin ja nicht nur „Premiere“-Experte, sondern auch durchaus in verantwortlicher Position beim Deutschen Fußball-Bund tätig – diskutierten genau darüber, ließen dabei eine wichtige Frage außer Acht: Hat sich Grafite fallen gelassen? Führte eine Schwalbe zur Führung des VfL Wolfsburg? Hat sich hier womöglich ein Wiederholungstäter einen weiteren Vorteil erschwindelt? Nichts davon. Als ob Fairness, Stil, Sportlichkeit überhaupt keine Rolle mehr spielten.

Der Fußball auf der Insel ist überkommerzialisiert und die legendäre englische Fankultur geht in der Premier League nach und nach kaputt. Doch die Elfmeterdebatte wird auf der Insel immer noch wohltuend anders geführt: Dort geht es nicht nur um den Schiedsrichter als oberste Autorität und um dessen Entscheidung, sondern immer zuerst um die Frage der Verantwortung des Spielers selbst: Ob da wohl wieder ein Schummler am Werk war? Der „Diver“ (am ehesten übersetzt als „Schwalbenkönig“) ist das berechtigte Feindbild der Fans, Trainer und Reporter.

Das ist manchmal sogar ein bisschen ermüdend, zum Beispiel wenn englische Fans mit einer gewissen Selbstgefälligkeit pauschal ausländische Spieler zu „Divern“ erklären (Jürgen Klinsmann wird sich erinnern, auch Michael Ballack kennt das). Doch bei uns in Deutschland wäre ein bisschen mehr Kritik an unseren notorischen Fallern in der Bundesliga doch angebracht.

Markus Hesselmann

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