Cas hebt Sperren russischer Sportler auf: Von der Strafe bleibt außer Symbolik nichts übrig
Das Cas-Urteil ist eine Blamage für das IOC – weil es zeigt, wie wenig Ernst es ihm mit dem Kampf gegen Doping ist. Ein Kommentar.
Systematisches Doping, angeordnet von ganz oben und unter Mitwirkung des Geheimdienstes. Ein unter Morddrohungen geflüchteter Kronzeuge im Schutzprogramm. Der große Betrug – wenn nicht der größte Verrat, den der olympische Sport bisher gesehen hat. Und das soll nicht reichen für lebenslange Sperren?
Als Moralist könnte man sich sofort empören über dieses Urteil, das der Internationale Sportgerichtshof Cas jetzt gefällt hat. 39 russische Sportler dürfen nun doch bei den Olympischen Winterspielen in Pyeongchang starten. Zu mangelhaft sei die Beweislage, um die Sperren durch das Internationale Olympische Komitee (IOC) zu rechtfertigen. Aber darf man sich darüber wirklich empören?
Eigentlich ist die Frage schon falsch. Denn der Cas hat klar Stellung bezogen: Selbst wenn ein System schuldig ist, gilt auch im Sport vor Gericht für den Einzelnen erst einmal die Unschuldsvermutung. Mit Entlastung und Freispruch ist das längst nicht gleichzusetzen. Niemand behauptet, dass nicht gedopt wurde – nur, dass ein Generalverdacht unangebracht ist.
Das Cas-Urteil zeigt aber auch und vor allem, wie hilflos Akteure sind und wie schwer der Anti-Doping-Kampf ist, wenn er nur mit forensischen Mitteln vor Gericht geführt wird. Im Kampf gegen Betrug und Manipulation, im Ringen um Glaubwürdigkeit, muss es auch um eine Haltung gehen: darum, zu zeigen, was das Ideal sauberen Sports noch wert ist. Dafür war der Cas die falsche Adresse. Vor Gericht geht es um Recht, nicht um Gerechtigkeit.
Dem IOC fehlt für Haltung der Mut – oder der Wille
Die notwendige Haltung zu zeigen, hat das IOC schon vorher versäumt, indem es willkürlich einzelne Athleten verbannte, statt bewusst und konsequent alle unter dem Schirm des Staatsdopings auszuschließen. Nur das wäre ein starkes Zeichen gewesen; ein Zeichen für fairen Wettbewerb. Doch dafür fehlt dem IOC um Präsident Thomas Bach offenbar der Mut – oder der Wille. Die fehlende Haltung ist jedenfalls fatal für all jene, denen noch etwas an den Werten des Sports liegt.
Das IOC will nun trotzdem keine Einladung aussprechen für jene, deren Sperre der Cas für Unrecht erklärt hat. Es geht ihm wohl darum, das Gesicht zu wahren – sich nicht völlig der Lächerlichkeit preiszugeben, indem zumindest der Schein der Strafe gewahrt bleibt. Damit stellt es aber auch noch die Sportgerichtsbarkeit infrage.
Russische Sportler werden in Pyeongchang in annähernd gleicher Mannschaftsstärke wie beim Sündenfall von Sotschi 2014 vertreten sein. Es braucht nicht viel Fantasie, um sie im Medaillenspiegel weit vorn zu sehen. Von der Strafe bleibt letztlich nur die Symbolik von fehlender Flagge und Hymne. Und man muss nicht glauben, dass den Siegern nichts einfällt, um sich und Russland bei Medaillenzeremonien in Szene zu setzen: Sie werden schon mit der Hand auf dem Herzen singen, wenn sich die Gelegenheit bietet.
Was bleibt, ist eine Blamage für das IOC – und eine weitere Niederlage für die ganze olympische Bewegung. In Pyeongchang wollte sie mit der Annäherung von Nord- und Südkorea Friedensspiele feiern und mit der Bestrafung Russlands Fortschritte in der Dopingbekämpfung demonstrieren. Außer Inszenierung ist nicht viel übrig geblieben.