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Lothar Matthäus war damals sofort Fan der neuen Regel.
© picture-alliance / dpa

20 Jahre Drei-Punkte-Regel: Vom Schwachsinn zum Standard

Die Drei-Punkte-Regel feiert 20 Jahre Jubiläum. In ihrer ersten Saison 1995/96 wurde noch erbittert über sie gestritten. Und einige Spielzeiten wären ganz anders ausgegangen.

Von Johannes Nedo

Die zwei Wörter gehören zum Standardfloskel-Repertoire aller Fußballer, natürlich auch gleich zum Saisonauftakt der Bundesliga. So sagt Stuttgarts Stürmer Daniel Ginczek vor dem Spiel gegen Köln: „Es wäre schön, wenn wir mit drei Punkten vor ausverkauftem Haus starten könnten.“ Und Darmstadts Trainer Dirk Schuster betonte: „Wir versuchen, Hannover zu ärgern und einen oder drei Punkte hierzubehalten.“ Drei Punkte, drei Punkte – sie sind zum Synonym für Sieg und Erfolg geworden. Daran rüttelt heutzutage kein Fußballer mehr. Die Drei-Punkte-Regel gehört zur Bundesliga wie der Ball und das Tor. Und so begeht sie jetzt ein stilles Jubiläum. Denn vor 20 Jahren wurde sie zum ersten Mal eingeführt. Und damals, in der Saison 1995/96, ging es auch alles andere als ruhig zu um diese Regel.

Der Weltverband Fifa hatte 1994 beschlossen, für einen Sieg nun drei statt zuvor zwei Punkte zu vergeben. Zur Saison 1995/96 führte der Deutsche Fußball-Bund (DFB) die Regel dann für die Bundesliga ein. Begründet wurde die Neuerung vor allem damit, dass der Sieger nun mehr belohnt werde und die Mannschaften offensiver spielen würden. Doch um Sinn und Nutzen der Drei-Punkte-Regel wurde in der Liga erbittert gestritten. Zu den Kritikern gehörte Erich Ribbeck (damals Trainer von Bayer Leverkusen), zu den Befürwortern Lothar Matthäus (damals beim FC Bayern). Ribbeck schimpfte, eigentlich „wurde die bewährte Zwei-Punkte-Regel abgeschafft, um weniger unentschiedene Spiele zu bekommen. Es wird aber nicht mehr auf Sieg gespielt als früher auch. Ich halte sie nach wie vor für Schwachsinn.“ Matthäus hielt dagegen: „Man muss zwangsläufig offensiver werden.“

Die Mehrheit der Bundesliga-Profis waren 95/96 gegen die Regel

Die Mehrheit der Bundesliga-Spieler schloss sich damals jedoch Ribbeck an. Zum Ende der Hinrunde 1995/96 gaben bei einer Umfrage unter den Profis 66 Prozent an, die neue Drei-Punkte-Regel habe sich nicht bewährt. Nur 33 Prozent sagten, sie habe das Spiel attraktiver gemacht. Mittlerweile stellt niemand mehr die Regel infrage. „Auch wir älteren Fans haben uns an die Drei-Punkte-Regel gewöhnt“, sagt der 58-jährige DFB-Generalsekretär Helmut Sandrock. „Und wer genau nachrechnet, stellt fest, dass die Bundesliga-Tabellen nur marginal anders ausfallen würden, rechneten wir heute noch mit zwei Punkten.“

Das stimmt zwar im Großen und Ganzen. Allerdings wären in den vergangenen 20 Jahren einige denkwürdige Spielzeiten vollkommen anders ausgegangen, wenn die Zwei-Punkte-Regel noch bestand hätte. Das dramatische Saisonfinale 2001 um die Schalker Vier-Minuten-Meisterschaft hätte es nicht gegeben. Schalke wäre sicher Meister geworden statt der Bayern. Auch Nürnberg wäre 1999 nicht abgestiegen, sondern Zwölfter geworden. 2011 wäre Mönchengladbach direkt abgestiegen und hätte sich nicht über die Relegation retten können.

Über den Effekt der Regel wird noch heute gestritten

Heute rechnet kaum jemand mehr nach. In der Premierensaison der Regel taten dies aber viele. Das Ergebnis war ein Aufreger: Mit zwei Punkten für einen Sieg wäre damals nicht Kaiserslautern, sondern der FC St. Pauli abgestiegen. Auch zum erhofften Offensivschwung kam es in der Saison 1995/96 nicht, zuvor wurden nur einmal seit der Bundesliga-Gründung 1963 weniger Treffer erzielt. Und so gibt auch Sandrock zu: „Über den Effekt der Reform wird bis heute gestritten.“

Eine Ausprägung der Regel, die auch in dieser Saison wieder eintreten könnte, stellte jedoch damals schon Jürgen Klinsmann richtig. Klinsmann, vor 20 Jahren Stürmer des FC Bayern, sagte: „Bei der Drei-Punkte-Regel sieht es nur so aus, als ob wir einen großen Vorsprung hätten. Doch das täuscht.“

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