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In Südkorea kamen letztens 40.000 Zuschauer zum E-Sport. Hier ein Bild von einem Turnier in Manila.
© AFP

Auch der FC Bayern ist nun beim E-Sport dabei: Virtueller Sport schlägt traditionellen Sport

Bei der Generation unter 25 Jahren spielt E-Sport oft schon die Hauptrolle. In der weltweiten Szene gilt der Fußball mit seiner Fifa-Serie als antiquiert.

Kaum ist Uli Hoeneß nicht mehr im Amt, da werden sie digital beim FC Bayern München. Er könne sich vorstellen, „dass wir uns zumindest im Fußballspielen dem E-Sport zuneigen“, hat Karl-Heinz Rummenigge als Aufsichtsratsvorsitzender nun gesagt. Der ehemalige Präsident hatte zwar den Aufstieg der Basketball-Abteilung bei den Bayern forciert, für den neumodischen Computer-Krams war er aber nicht mehr zu haben.

Dabei hatte der mächtigste deutsche Fußball-Klub doch einst mit „Commodore“ einen Computerhersteller als Sponsor. Aber das war in den Achtzigern, also der Steinzeit der digitalen Neuzeit. 2019 spielt E-Sport für Menschen unter 25 Jahren mindestens eine so große Rolle wie der physische Sport – in Deutschland. In vielen asiatischen Ländern hat der elektronische den traditionellen Sport schon abgelöst.

Bei Bayern München ist allerdings nicht allein Rummenigge, sondern wohl mehr der Druck eines Sponsors die Motivation, in die Virtualität zu gehen. Vielleicht wäre das auch mit Uli Hoeneß passiert. Die Bayern treten in der neuen „E-Football-Pro-League" an, gegen große Player wie den FC Barcelona, Manchester United und Arsenal – aus Deutschland ist nur noch Schalke 04 dabei.

Der E-Sport-Alltag ist hierzulande an sich die Virtual Bundesliga (VBL), elf haptische Bundesligisten haben dort ihre virtuellen Teams (und spielen auch gegen Teams von Zweitligisten).

Wer junge Anhänger beim realen Spiel halten oder gar für es gewinnen möchte, der spielt wohl besser mit im virtuellen Spiel als dass er nur zuschaut. Womöglich ist es aber auch schon längst zu spät für den Fußball: Die VBL, ausgespielt mit der Spielserie „Fifa“ und seit knapp einem Jahr vom Sparten-TV („Pro Sieben Maxx“) übertragen, ist verglichen mit dem, was sich weltweit in der E-Sports-Szene bewegt, ein antiquiertes Produkt.

Bei der Virtual Bundesliga (VBL) sind elf haptische Bundesligisten vertreten.
Bei der Virtual Bundesliga (VBL) sind elf haptische Bundesligisten vertreten.
© imago/Jan Huebner

Die digitale Transformation traditioneller Sportarten wird künftig wohl keine tragende Rolle im E-Sport spielen. Denn der schafft sich seine eigene, virtuelle Realität.

Bis zu 40.000 Zuschauer

Es sind Spiele wie „League of Legends“ oder „Dota 2“, für die sich die Digital Natives interessieren. Das wird mit großen Events zelebriert. 2018 in Incheon vor 40.000 Zuschauern in Südkorea im Fußballstadion und 2019, erst kürzlich in der Riesenmehrzweckhalle von Paris-Bercy vor 17.000 Menschen, wurden die WM-Finalspiele der Profis in „League of Legends“ ausgetragen.

Angeblich sahen online live mehr Menschen weltweit beim League-of-Legends-Finale zu als beim Finale der Fußball-WM 2018. So weit sich das zuverlässig messen und vor allem vergleichen lässt.

Eines ist aber sicher: Die Jugend aus den Industrienationen findet das in der Mehrheit spannender als den haptischen Sport. Dass bei den jüngeren Generationen schon das Zuschauen beim virtuellen Sport das Zuschauen beim traditionellen Sport schlägt, überrascht den verantwortlichen Direktor im Sponsoring für Europa und Asien beim Software-Giganten SAP nicht. Lars Lamadé sagt: „Ich glaube durchaus, dass sich viele traditionelle Sportarten umschauen müssen. So wie der Fußball etwa bei uns viele traditionelle Sportarten verdrängt hat, wird es auch hier durch E-Sport einen Verdrängungswettbewerb geben.“

Das deutsche Unternehmen engagiert sich finanziell schon lange im Sport, das Sponsoring im virtuellen Sport wird wohl langfristig genauso wichtig – bei der Entwicklung von Software für E-Sports ist SAP stark engagiert, hat einen Sponsorvertrag beim „Team Liquid“, das ist ein sogenannter E-Sport-Clan (Team) und die größte englischsprachige Anlaufstelle für alles rund um das populäre Spiel „Dota 2“.

Entwickeln und forschen

Beim Team Liquid wird entwickelt und wenn man so will – auch geforscht. Und da ist eben Nachwuchs für den IT-Bereich unterwegs. Insofern schauen Unternehmen aus der Branche genau hin beim Thema E-Sport.

Milan Cerny, bei SAP verantwortlich für strategische Partnerschaften im E-Sports, glaubt: „Es geht ums Seh- und Nutzerverhalten. Wir sehen, dass sich das bei den jungen Menschen komplett ändert.“ Die würden anders konsumieren als die Generationen vor ihnen. „Lineares Fernsehen spielt überhaupt keine Rolle mehr. Die jungen Leute sind gewohnt, das zu sehen, was die sehen wollen. Idealerweise keine Werbung, auf jedem Device. Mit der Möglichkeit, jederzeit dahin zu springen, wo sie möchten.“

Streamingdienste wie „Twitch“ sind maßgebend bei der Übertragung von E-Sport. Da gibt es eben neben der Übertragung noch Plattformen, auf der man sich als User austauschen kann. „Wer auf das neue Konsumverhalten nicht reagiert, könnte ein Riesenproblem bekommen“, sagt Milan Cerny.

Das sich ändernde Konsumverhalten beeinflusst längst auch den traditionellen Sport. Feuerwerk vor dem Spiel, möglichst viel Geflacker auf Bildschirmen im Stadion, Musikeinspielung und Mätzchen wie Zuschauereinbindung auf dem Bildschirm – die Reize abseits des Spiels sind für die Zuschauer bei Hallensportarten wie im professionellen Eishockey oder Basketball in Deutschland schon lange normal und sie scheinen den Fußball in Europa noch nicht so ganz erreicht zu haben.

Doch das kann sich ändern, Fußball-Bundesligist Hertha BSC will mit dem avisierten Stadionneubau auch den Sehgewohnheiten einer neuen Generation Rechnung tragen, wie es Manager Michael Preetz erst in diesem Jahr formulierte. Der Vorteil eines Neubaus sei: „Wir könnten unter den aktuellsten, modernsten Gesichtspunkten bauen.“

Künftig würden aufgrund der digitalen Entwicklung eher weniger Zuschauer als heutzutage ins Stadion strömen und die müssten dann ganz anders unterhalten werden als vielleicht noch im Jahr 2019. Ein Fußballspiel allein wird womöglich nicht reichen. Die Tatsache, dass man beim Stadionbesuch nicht zu einem anderen Spiel schalten kann, dürfte es künftig dem traditionellen Sport schwerer machen, seine Zuschauer zu finden.

Elektronischer Sport ist einfach zu analysieren

Sport ist analoges Fernsehen, E-Sport ist Luxus. Auch in der Statistik, elektronischer Sport ist einfacher zu analysieren, da er nicht digitalisiert werden muss wie traditioneller Sport. Daten, die etwa in der Fußball-Bundesliga erfasst werden für Laufwege oder Ballbesitz, werden allein von außen aufgenommen.

Zeiten werden letztlich mehr oder weniger von Menschenhand gestoppt, die Spieler oder der Ball sind eben (noch) nicht mit Chips versehen – es gibt demnach eine Fehlerquote bei den Daten, die es im digitalen Sport nicht gibt.

Das Argument, dass E-Sport physisch kein Sport sei, wird oft angeführt, wenn es darum geht, den digitalen Sport als Sport zu akzeptieren. Wenige Verbände in der Welt machen das, der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) macht das wertkonservativ nicht. Nach einem kürzlich angefertigten unabhängigen Gutachten erfüllt E-Sport „nicht die Voraussetzungen, um als gemeinnützig anerkannt zu werden“.

International ist E-Sport da schon weiter, bei den Southeast Asian Games auf den Philippinen Anfang Dezember gab es erstmals überhaupt einen Wettbewerb um Medaillen in einer großen Sportveranstaltung, die vom olympischen Komitee sanktioniert wird. 2018 war E-Sport bei den Asian Games schon Demonstrationswettbewerb. Aber der Weg zu den großen Spielen ist natürlich noch weit.

E-Sport findet jung eher gut und alt eher schlecht – womit klar ist, was in Zukunft passieren wird . Der sportliche Wettkampf mit Computerspielen ist Teil der digitalen Revolution, die alles verändert. Den Sport und übrigens auch seine Sprache. Wie sagte der Analytiker auf Pro Sieben Maxx bei der Betrachtung einer Spielszene eines VBL-Matches erst vergangene Woche so schön: „Ich highlighte mal das Mismatch.“

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