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Ryoyu Kobayashi war im Weltcup bisher der überragende Springer.
© AFP

Die Tournee-Favoriten: Vier Schanzen zum Glück

Der Sieg bei der Vierschanzentournee ist für Skispringer das Größte. Wer kann es diesmal schaffen? Ein Favoritencheck.

17 Jahre nach dem letzten deutschen Gesamtsieg von Sven Hannawald kommen die ganz großen Favoriten für die Vierschanzentournee wieder nicht aus Deutschland. Gesamtweltcup-Spitzenreiter Ryoyu Kobayashi und Titelverteidiger Kamil Stoch, der im vergangenen Winter bei der Tournee als zweiter Flieger nach Hannawald alle vier Springen gewann, werden am häufigsten genannt. Größter Hoffnungsträger für die deutschen Flieger ist überraschend der Team-Olympiazweite Karl Geiger, der bei der Tournee-Generalprobe in Engelberg den ersten Weltcup-Sieg seiner Karriere gefeiert hat. Wer hat vor dem Auftaktwochenende in Oberstdorf mit Qualifikation (Samstag 16.30 Uhr/ live im ZDF und Eurosport) und Springen (Sonntag 16.30 Uhr/live in ZDF und Eurosport) die größten Chancen?

Ryoyu Kobayashi (Japan)

Der 22-Jährige ist mit vier Siegen und zwei weiteren Podestplätzen in bislang sieben Saisonspringen zweifellos der Dominator des bisherigen Skisprung-Winters. Der raketenartige Aufstieg des ehemaligen Nordischen Kombinierers kommt überraschend, schließlich war vor dieser Saison ein sechster Platz seine beste Weltcup-Platzierung. Sein Erfolgsgeheimnis: Nach dem Absprung „die Ski im Flug irrsinnig schnell aufzunehmen“ (Bundestrainer Werner Schuster) und wie „ein Pfeil durch die Luft zu fliegen“ (Olympiasieger Andreas Wellinger). Deshalb ist Kobayashi für fast alle Springer und Trainer der große Favorit. Aber hält er mit der Chance auf den ersten japanischen Tournee-Gesamtsieg seit Kazuyoshi Funaki seit 21 Jahren auch dem Nervendruck stand? Schuster sagt: „In den letzten beiden Jahren gab es mit Domen Prevc und Richard Freitag auch solche Topflieger vor der Tournee – und beide haben es dann nicht geschafft.“ Zumindest die Wettfans glauben an den Tournee-Gesamtsieg von Kobayashi, der aus einer wahren Fliegerfamilie mit drei Geschwistern kommt: Für ein Euro Einsatz gibt es bei einem großen Anbieter nur zwei Euro zurück.

Überflieger. In der vergangenen Saison gewann Kamil Stoch (o.) alle vier Springen.
Überflieger. In der vergangenen Saison gewann Kamil Stoch (o.) alle vier Springen.
© imago/Eibner Europa

Kamil Stoch (Polen)

Spätestens seit dem vergangenen Winter weiß jeder, was für ein Ausnahmespringer Kamil Stoch ist. In Pyeongchang holt er seinen dritten Einzel-Olympiasieg, nachdem er zuvor bei der Vierschanzentournee als zweiter Springer nach Sven Hannawald alle vier Springen gewonnen hatte. Auch bei dieser Tournee könnte Stoch wieder Geschichte schreiben: Mit Gesamtsieg Nummer drei in Serie würde er die historische Bestmarke des Norwegers Björn Wirkola (1967 bis 1969) einstellen. Mit bislang drei Podestplätzen und Gesamtweltcup-Position drei hat der 31-Jährige Routinier bereits seine Topform nachgewiesen. „Er ist ein Springer, der bei den besonderen Springen oft Besonderes leisten kann“, sagt Skisprung-Legende Toni Innauer. Im skisprungverrückten Polen hat er eine eigene Bekleidungslinie und ist als Social-Media-Millionär so bekannt wie Fußballstar Robert Lewandowski. Stochs Wettquote: 3:1.

Piotr Zyla (Polen)

Der 31-Jährige hat erst in diesem Winter den Durchbruch in die absolute Weltspitze geschafft. Von bislang neun Weltcup-Einzelpodestplätzen seiner Karriere stammen gleich fünf aus den letzten Wochen. In den bislang sieben Weltcupspringen dieser Saison war er nie schlechter als Platz sechs – genau diese Ausgeglichenheit prädestiniert den aktuellen Gesamtweltcup-Zweiten geradezu für die Vierschanzentournee. Allerdings müsste Zyla dazu endlich aus dem Schatten seines übermächtigen Wegbegleiters Kamil Stoch treten. Mit dem gleichaltrigen polnischen Nationalhelden war er schon auf der Sportschule in einer Klasse. Zylas Wettquote: 7:1.

Johann Andre Forfang (Norwegen)

Für viele Experten gehört der 23-Jährige spätestens seit seinem Sieg und einem weiteren zweiten Platz beim Weltcup im russischen Nischni Tagil zu den Geheimfavoriten. Der begnadete Flieger drehte bei den Olympischen Spielen von Pyeongchang im vergangenen Februar richtig auf: Nach Einzel-Silber holte Forfang mit seinem starken Team den Olympiasieg im Mannschaftswettbewerb. Was für Forfang spricht: Er ist ein absoluter Deutschland-Spezialist: Zwei seiner bislang drei Weltcup-Siege feierte der Mann aus Tromsö hierzulande in Titisee-Neustadt/2016 und Willingen/2018. Zum Problem könnte seine bislang noch nicht vorhandene Konstanz werden, die bei den vier Tourneespringen besonders wichtig ist. In Engelberg zum Beispiel landete Forfang nach Platz vier am ersten Tag im zweiten Springen nur auf Position 15. Seine Wettquote: 17:1.

Karl Geiger (Deutschland)

Statt der großen Namen wie Andreas Wellinger, Richard Freitag oder Severin Freund ist diesmal ein Nobody die größte deutsche Sieghoffnung bei der Tournee: Karl Geiger. Der 25-Jährige ist in der Form seines Lebens, was nach dem zweiten Platz in der Gesamtwertung des Sommer-Grand-Prix spätestens sein erster Weltcup-Sieg bei der Tournee-Generalprobe in Engelberg bewiesen hat. Das Auftaktspringen des Grand Slams findet in seiner Heimat Oberstdorf statt. Dann wird sich zeigen, ob das eher ein Vorteil oder eine Bürde ist. Bundestrainer Werner Schuster traut Geiger „selbstverständlich“ den ersten deutschen Tournee-Gesamtsieg seit 17 Jahren zu: „Karl hat noch einmal einen deutlichen Schritt nach vorn gemacht – sportlich, genauso wie im Kopf und in der Entwicklung seiner Persönlichkeit.“ Geigers Wettquote: 26:1.

Die Außenseiter

Bei der 67. Vierschanzentournee gibt es so viele chancenreiche Außenseiter mit großen Namen wie selten zuvor. Österreichs Doppel-Weltmeister Stefan Kraft (Quote 26:1) liegt nach den Plätzen acht und zwölf beim letzten Tournee-Test in der Schweiz in der Lauerposition. Der Skiflug-Weltrekordler weiß seit 2015, wie man den Skisprung-Grand-Slam gewinnt. Genau wie der Slowene Peter Prevc (151:1), der ein Jahr später ganz oben stand. Prevc meldete sich nach einer Sprunggelenksoperation mit einem 16. Platz in Engelberg wieder in der Weltspitze zurück. Auch sein jüngerer Bruder Domen Prevc (81:1), der vor zwei Jahren schon mal als Gesamtspitzenreiter zur Tournee gereist war, gehört zu den chancenreichen Außenseitern. In diesem Winter schon einmal auf dem Podest stand Andreas Wellinger (51:1). Der deutsche Weltmeister und Olympiasieger ist der Mann für die großen Momente – und nach Gesamtplatz zwei bei der Tournee im Vorwinter fehlt nur noch eine Stufe nach oben. Wie es sich dort anfühlt, hat in diesem Winter auch der Russe Jewgeni Klimow (51:1) erstmals im Weltcup erfahren. Der Überraschungs-Gesamtsieger des Sommer-Grand-Prix gehört ebenfalls zu den Geheimfavoriten.

Die Termine

Auftaktspringen in Oberstdorf, Große Schattenbergschanze,

Qualifikation: 29.12. (16.30 Uhr, ZDF), Wettkampf: 30.12. (16.30 Uhr, ZDF).

Neujahrsspringen in Garmisch-Partenkirchen, Große Olympiaschanze, 

Qualifikation: 31.12. (14 Uhr, ARD), Wettkampf: 01.01. (14 Uhr, ARD).

Bergiselspringen in Innsbruck, Bergiselschanze, 

Qualifikation: 03.01. (14 Uhr, ARD), Wettkampf: 04.01. (14 Uhr, ARD).

Dreikönigsspringen in Bischofshofen, Paul-Außerleitner-Schanze,
Qualifikation: 05.01. (17 Uhr, ZDF), Wettkampf: 06.01. (17 Uhr, ZDF).

Lars Becker

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