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Herthas Vedad Ibisevic war auch gegen den HSV nicht zu stoppen.
© AFP

Hertha BSC: Vedad Ibisevic - Vater, Torjäger, Anführer

Herthas historisch guter Start in der Bundesliga liegt vor allem an Vedad Ibisevic – der Stürmer war nie so wichtig wie jetzt.

Vedad Ibisevic wippte auf seinen Beinen von links nach rechts und wieder zurück. Etwas außer Atem war der Stürmer noch, als er nach dem Spiel gegen den Hamburger SV erzählen musste, wie das nun war, mit der Geburt seiner Tochter in der Nacht vor dem Spiel. Von einem „überragenden Zeitpunkt“, sprach der 32-Jährige, der es nach der Entbindung noch vor Mitternacht wieder ins Mannschaftshotel geschafft hatte. „Er war ausgeruht und ausgeschlafen“, sagte Michael Preetz über Herthas Torjäger mit einem freudigen Lächeln im Gesicht. Mit seinen beiden Toren gegen den HSV war Ibisevic wieder mal der Entscheider.

Seine Augen glänzten, als Ibisevic über das kleine Glück seiner Familie wie losgelöst erzählte. „Ich wollte unbedingt bei der Geburt und beim Spiel dabei sein. Es ist für alle super gelaufen“, sagte er. Die Geburt war etwas überfällig, schon während der Trainingswoche durfte der Torjäger sein Mobiltelefon mit an den Trainingsplatz nehmen. Mit jedem Tag wuchs die Aufregung. Herthas Trainer Pal Dardai hatte es seinem Torjäger freigestellt, ob er die reguläre Spielvorbereitung mitmachen wollte. Es wurde zum Spiel zeitlich immer enger, Ibisevic sei sehr ruhig mit der Situation umgegangen.

Ibisevic ist jetzt erfolgreichster Bosnier in der Bundesliga

Keine 18 Stunden nach der Geburt hatte Ibisevic dann seine Bundesligatore Nummer 96 und 97 geschossen und damit auch gleich noch seinen Landmanns Sergej Barbarez als den bis dahin erfolgreichsten Bosnier der Bundesliga-Historie abgelöst. Barbarez hatte für Rostock, Dortmund, Hamburg und Leverkusen 96 Tore erzielt und war damit der sechstbeste ausländische Stürmer der Bundesliga überhaupt. „Für uns Bosnier ist er eine Legende. Diese Marke bedeutet mir sehr viel“, sagte Ibisevic.

Die beiden Tore gegen den HSV waren Ibisevics Treffer vier und fünf in einer noch jungen und für Hertha so vielversprechenden Saison. Mehr als 13 Punkte nach sechs Spieltagen hat Hertha BSC seit dem Start der Bundesliga 1963 noch nie geholt. Der Rekord von 1970/71 ist egalisiert. „Das ist ein sehr guter Start für uns“, sagte Preetz. Und weil jetzt die Länderspielpause anstünde, freuen sie sich ein bisschen länger. „Wir spielen reifer als vor einem Jahr“, sagte Pal Dardai. In der Druckphase der Hamburger hätte seine Mannschaft damals noch ein Gegentor gefangen, „jetzt aber hat sie sicher gespielt und gut verteidigt.“ Und vorne half Ibisevic: „Glückwunsch an Vedad – ein schönes Timing“, sagte Pal Dardai.

„Das erste Tor muss man nicht schießen, das war hervorragend gemacht“, erzählte Preetz hinterher: „Den Elfmeter hat er dann mit einem Selbstverständnis verwandelt und das Spiel entschieden.“ Herthas Manager geriet fast schon ins Schwärmen über seinen Nach-Nachfolger im Hertha-Sturm. Vor gut einem Jahr hatte er Ibisevic aus Stuttgart geholt, wo der frühere Hoffenheimer mehr oder minder aussortiert war. In Berlin brachte ihn Dardai wieder auf Fahrt.

In der vergangenen Saison erzielte Ibisevic zehn Tore und hatte maßgeblichen Anteil daran, dass sein bis dahin matter Sturmpartner Salomon Kalou wieder in die Spur fand und 14 Tore erzielte. Ibisevic war eine ideale Ergänzung zu Kalou. „Vedad ist noch eine echte Nummer neun, er hat im Strafraum das Näschen. Er ist ein sogenannter Ein-Kontakt-Stürmer, der seine Qualitäten im Abschluss hat“, erzählte Preetz damals. Vor allem treffe Ibisevic auf dem Rasen intuitiv seine Entscheidungen – eine Gabe, die nicht erlernbar ist, wie Preetz bemerkte.

Ibisevic nimmt sich in hitzigen Situationen nun auch manchmal zurück

Kalou hält er für spielerisch begabter und daher für einen, „der es mag, unterwegs zu sein, der dafür aber nicht gern mit den Rücken zu den Verteidigern steht“. Was der eine nicht habe, bringe der andere mit. In dieser Saison hat Kalou noch keine einzige Bundesligaminute gespielt. Zwei Todesfälle in der Familie warfen den 31 Jahre alten Ivorer etwas aus der Bahn, derzeit ist er für ein paar Tage in seiner Heimat. Umso mehr lastet die Verantwortung auf Ibisevic.

Als neuer Mannschaftskapitän ist er jetzt auch ganz offiziell der Anführer der vergleichsweise jungen Berliner Mannschaft. Ein emotionaler Leader war er schon in der Vorsaison. In der Vorbereitung auf die laufende Spielzeit mit dem ärgerlichen Aus in der Qualifikation zur Europa League griff Pal Dardai intern durch. Ibisevic wurde zum neuen Kapitän ernannt, gerade auch wegen seiner körperlichen Ausdrucksweise auf und neben dem Spielfeld.

Preetz weiß aus der Vergangenheit um das spezielle Verhältnis zwischen Ibisevic und den Schiedsrichtern, bei denen die Spiel- und Verhaltensweise des ehrgeizigen und stolzen Bosniers nicht immer gut ankam. „Als Vedad zum Kapitän ernannt wurde, haben wir uns überlegt, was dieses Amt nicht nur für die Mannschaft, sondern auch für ihn bedeuten würde“, erzählte Preetz. Inzwischen habe er, der Manager, den Eindruck, dass Ibisevic sich jetzt in einigen Situationen zurücknehme, „aber an seiner positiven, körperlichen Aggressivität nichts eingebüßt hat“, sagte Preetz. Der Manager wollte das ausdrücklich als Kompliment verstanden wissen: „Er ist der erwachsenste Spieler bei uns, ein richtiger Mann eben.“

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