Hertha BSC: Vedad Ibisevic und das Warten auf Tor 101
Seit zwei Monaten hat Herthas Vedad Ibisevic nicht mehr getroffen. Gegen Schalke soll sich das ändern.
Nein, Vedad Ibisevic trat nicht an den Punkt beim nächtlichen Elfmeterschießen von Dortmund, das seine Mannschaftskollegen in bester Tradition englischer Auswahlmannschaften vergeigte. Lustenberger, Darida und Kalou verschossen, aber selbst die Schüsse von Esswein und Allagui, die irgendwie reingingen, waren nicht besser. Ibisevic war zu diesem Zeitpunkt schon ausgewechselt, er hatte in der ganz frühen Phase des Pokalspiels zwei Riesenchancen gehabt und – beide vergeben.
Es gibt nur wenige Mannschaften, die vom Wirkungsgrad eines einzelnen Spielers so abhängig sind wie Hertha BSC von Vedad Ibisevic. Der bosnische Torjäger hat zuletzt in sieben Spielen in Meisterschaft und Pokal kein Tor mehr erzielt, genaugenommen blieb er 607 Minuten torlos, also mehr als zehn gespielte Stunden. Für Stürmer eine halbe Ewigkeit. Doch während der 32-Jährige damit noch ruhig und souverän umgeht, kann das zu einem Problem für Hertha werden.
Das sei das Schicksal eines Stürmers, sagt Michael Preetz, bis heute noch Herthas Rekordtorschütze. „Das ist blöd für Vedad und blöd für uns, weil wir seine Tore brauchen“, sagt Herthas Manager vor dem Auswärtsspiel der Berliner am Samstag (18.30 Uhr) in Gelsenkirchen.
„Wir werden versuchen, gegen Schalke einen Punkt zu holen, oder gar zu gewinnen“, sagt Trainer Pal Dardai. Um sich Reisestress zu ersparen, sind die Berliner im Westen der Republik, in Bochum, geblieben. Mit der Leidenschaft und der Aggressivität, wie sie seine Mannschaft in Dortmund geboten habe, könne man auch auswärts beim FC Schalke bestehen, der unter der Woche ebenfalls im Pokal ran musste (4:1-Sieg in Sandhausen). „Klar ist auch, dass wir auswärts bisher zu wenige Punkte geholt haben“, sagt Dardai. Was auch mit Vedad Ibisevic zu tun hat.
Gleich zu Beginn des Fußballjahres, beim 1:3 in Leverkusen bot sich dem Stürmer eine hochkarätige Chance aus fünf Metern Entfernung zum möglichen 2:2- Ausgleich, er scheiterte. „Ich habe mich falsch entschieden, den hätte ich machen müssen“, sagte der Bosnier hinterher selbstkritisch. In den beiden anschließenden Spielen in Freiburg (1:2) und gegen Ingolstadt (1:0) bekam Herthas stürmender Kapitän nicht eine verwertbare Flanke oder Vorlage. Das war am Mittwoch anders. Nachdem er im Pokalspiel in Dortmund seine zweite Chance vergeben hatte, vergrub er instinktiv seinen Kopf in seinen Händen.
Bei Ibisevic dauert die torlose Phase schon gefährlich lange
Alle guten Stürmer durchleben solche Phasen. Es sind Phasen, in denen ihnen einfach nichts mehr gelingen will. Bei Ibisevic dauert die Phase schon gefährlich lange, ihren Anfang nahm sie seltsamerweise, nachdem Ibisevic am 12. Spieltag beide Treffer zum 2:1 über Mainz beigesteuert hatte. Damit knackte er die magische Marke von 100 Bundesligatoren, und einen Tag später verlängerte er seinen Vertrag bei den Berlinern bis 2019. Als das Preetz auf der Mitgliederversammlung des Vereins bekanntgab, tobte die Mitgliederschaft in der Messehalle.
100 Bundesligatore – das schafften vor ihm nur 50 Spieler überhaupt seit Bundesligagründung, und nur fünf Stürmer mit ausländischen Wurzeln wie Claudio Pizarro (190), Giovane Elber (133), Ailton und Stephane Chapuisat (je 106). Vor allem ist Ibisevic noch ein klassischer Ein-Kontakt-Stürmer, der seine Stärken im Strafraum hat, von wo er 95 seiner 100 Tore erzielte. Insgesamt war er 25 mal nach Standards erfolgreich, darunter 13 mal vom Elfmeterpunkt. Ibisevic traf 71 mal mit rechts, neunmal mit links und 20 mal per Kopf.
Pal Dardai sagt, dass ihm keinerlei Zweifel kämen. „Vedad ist ein Vorbild in jedem Training und in jedem Spiel, er rackert viel, er schafft Räume und ist immer anspielbar“, sagt der Ungar. Und auch für Preetz stehe außer Frage, dass ihr Topstürmer diese Negativphase durchbrechen werde. Man sehe ja, dass er gut spiele, dass er an der richtigen Stelle stehe und Chancen habe. „Er wird bald wieder knipsen – am besten schon Sonnabend in Gelsenkirchen“, sagt Preetz.
Den Donnerstagnachmittag hatte Pal Dardai seinen Spielern zur freien Verfügung gestellt. Sie sollten mal das Hotel verlassen, sich ablenken, ins Kino gehen oder mit Freunden treffen. Sie sollten nur bitte nicht ins Grübeln geraten. Die Niederlage nach großem Kampf in Dortmund sei akzeptiert und abgehakt. Nun wolle er sehen, wer Lust auf Schalke hat. „Ich sehe, wie wer drauf ist“, sagt Dardai. Auf Ibisevic wird er nicht verzichten.