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Anand
© dpa

Schach-Weltmeister Anand: Urlaub für die Denkfabrik

Warum Schach-Weltmeister Viswanathan Anand jetzt wirklich eine Pause braucht.

„Anand!“, rief Aruna. Und Viswanathan Anand, der gerade seinen Titel als Schach-Weltmeister verteidigt hatte und nun noch für die Fotografen posierte, sah zu seiner zierlichen Ehefrau hinüber. Dann folgte er ihrem Wink. Nicht, dass Aruna ihn beim Nachnamen gerufen hätte, Anand ist nämlich sein Vorname, was aber außerhalb Indiens seit 20 Jahren konsequent verwechselt wird. Sie gingen in einen Hinterraum der Bonner Bundeskunsthalle, wo ein Fernsehteam aus der Heimat schon auf Indiens Sportler des Jahres wartete.

In der elften Partie am Mittwochabend hatte Anand endlich das fehlende Remis gegen Wladimir Kramnik geschafft und den Russen mit 6,5:4,5 Punkten besiegt. „Ich bin zurzeit eher erleichtert als glücklich“, sagte Anand. Zuletzt war ihm, wenn er mit Tunnelblick zum Spieltisch schlich, die enorme Anspannung anzusehen. Es klinge vielleicht nicht so schwierig, sagte Anand, wenn man nur noch einen halben Punkt aus drei Partien brauche. „Aber dann kamen die Nerven ins Spiel, außerdem hat mich Wladimir stark unter Druck gesetzt in den letzten Partien.“ Kramniks Aufholjagd kam zu spät. Der letzte feine Zug gelang ihm trotzdem: Als Anand sein finales Remis-Angebot annahm, umschloss der Russe mit beiden Händen die rechte des Inders und gratulierte lächelnd zum Sieg. „Viswanathan war dieses Mal einfach besser“, sagte Kramnik. „Er ist ein großartiger Spieler.“

Es tat Anands kreativem Spiel bestimmt gut, dass dieser WM-Kampf erwartungsgemäß harmonisch verlief. Der im südindischen Madras (heute Chennai) wohlbehütet aufgewachsene Inder gilt von jeher als sensibler Denker, der in disharmonischer Atmosphäre schnell die Lust verliert. Vielleicht wäre er ja sonst schon vor 13 Jahren in New York Weltmeister geworden. Damals war Anand im WM-Duell gegen Garry Kasparow in der neunten Partie in Führung gegangen. Doch dann zog Kasparow im 107. Stockwerk des World Trade Centers plötzlich Grimassen und dergleichen. Anand verlor am Ende chancenlos.

„Die Vorbereitung von Anands Team war cleverer“, gab Kramnik zu. Tatsächlich sollte man den Erfolgsanteil von Anands Sekundanten, die sich am Mittwoch erstmals in der Bundeskunsthalle zeigten, nicht unterschätzen. „Sie haben hart gearbeitet“, lobte der Inder. Während er spielte oder am Rhein spazieren ging, analysierten die Helfer auf ihren Hotelzimmern. Manchmal zwölf Stunden am Tag. Schon im April hatte der Inder seine hochqualifizierte Denkfabrik aufgestellt: Neben dem dänischen Hünen Peter Heine Nielsen arbeiteten fortan drei weitere Großmeister für ihn, auch Rustam Kasimdschanow, der frühere Fide-Weltmeister. Von diesem stammte auch der Schlüsselzug dieser WM, Läufer b7 in der Meraner Variante. Mit Hilfe dieses Zuges bezwang Anand Kramnik in der dritten und fünften Partie. Nielsen sagte, man habe einige Monate an diesem Plan gefeilt.

Für Robert von Weizsäcker, Präsident des deutschen Schachbundes, waren bereits die Tage in der Bundeskunsthalle ein Genuss. „Da saßen zwei Menschen und haben Holzfiguren hin und hergeschoben und wir haben stundenlang stumm und fasziniert dabei zugeschaut“, sagte von Weizsäcker.

Anstrenged war das aber auch, das stundenlange Sitzen am Schachbrett: Anand und seine Frau Aruna wollen nun bald nach Indien fliegen. „Ich brauche erst einmal eine Pause vom Schach“, sagte Anand.

Anand – Kramnik (11. Partie): 1.e4 c5 2.Sf3 d6 3.d4 cxd4 4.Sxd4 Sf6 5.Sc3 a6 6.Lg5 e6 7.f4 Dc7 8.Lxf6 gxf6 9.f5 Dc5 10.Dd3 Sc6 11.Sb3 De5 12.0–0–0 exf5 13.De3 Lg7 14.Td5 De7 15.Dg3 Tg8 16.Df4 fxe4 17.Sxe4 f5 18.Sxd6+ Kf8 19.Sxc8 Txc8 20.Kb1 De1+ 21.Sc1 Se7 22.Dd2 Dxd2 23.Txd2 Lh6 24.Tf2 Le3 – remis.

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