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Sebastian Langkamp bei einer Trainingseinheit von Hertha BSC. Am Sonntag empfangen die Berliner die TSG Hoffenheim.
© Imago

Herthas Sebastian Langkamp im Interview: "Unsere Spielphilosophie ist anspruchsvoll"

Sebastian Langkamp spricht vor dem Heimspiel von Hertha BSC gegen Hoffenheim über das neue System der Berliner, seinen Ex-Trainer Huub Stevens und Angst vor dem Terror.

Herr Langkamp, Sie spielen an diesem Sonntag mit Hertha BSC gegen die TSG Hoffenheim und Huub Stevens. Haben Sie mit Stevens noch eine Rechnung offen?

Nee, wieso?

Er war mal Ihr Trainer.

Das war bei meiner ersten Profistation beim HSV und ist schon lange her. Ich kam aus der Jugend, pendelte zwischen Profis und Amateuren hin und her und durfte unter Stevens in der ersten Mannschaft mittrainieren. Aber schauen Sie sich an, was der HSV damals für eine Toptruppe hatte: van der Vaart, Kompany, de Jong, um ein paar zu nennen.

Wie war der Kontakt zu Stevens?

Damals war alles ein bisschen steriler. Das meine ich nicht negativ. Der Kader war riesig, ich zählte mit Änis Ben-Hatira, Sidney Sam und Eric-Maxim Choupo-Mouting zu den Perspektivspielern, die gefördert werden sollten. Ich war auch ein paar Mal im Kader, also nicht völlig außen vor. Aber natürlich hat sich Stevens mehr mit den Topspielern beschäftigt. Und nach einem halben Jahr bin ich nach Karlsruhe gewechselt. Es war also keine lange und intensive Zeit, die wir zusammengearbeitet haben.

Haben Sie aus der Erfahrung, es damals nicht geschafft zu haben, so etwas wie Trotz entwickelt?

Ein bisschen war das vielleicht wirklich so, nach diesem halben Jahr beim HSV, auch in der Kombination mit der Aussage von Hermann Gerland …

… Ihrem Jugendtrainer bei den Bayern, der Ihnen die Bundesligatauglichkeit abgesprochen hatte.

Ich war 19, als ich zum KSC gewechselt bin. Das war schon hart für mich. Ich habe auch erst einmal ein Jahr richtig durchgehangen, bevor ich für mich selbst das Selbstvertrauen wieder hergestellt hatte. Ich wollte es nicht nur den Leuten beweisen, die mir das nicht zugetraut haben. Ich wollte es vor allem mir selbst beweisen. Ich bin mit 16 ins Internat bei den Bayern, habe meine ganze Jugend, meine Freunde, meine Familie hinter mir lassen müssen. Es wäre schade gewesen, wenn ich auf halbem Weg gesagt hätte: Ich breche das jetzt hier ab.

Könnte Trotz auch ein Grund dafür sein, dass es bei Hertha im Moment so gut läuft?

Wie meinen Sie das?

Vielleicht weil die Mannschaft allen zeigen will, dass sie es besser kann als vergangene Saison.

Das liegt ja auf der Hand. Es ist doch immer so, nicht nur im Fußball, dass schwierige Zeiten eine Trotzreaktion hervorrufen und man beweisen möchte, dass man es besser kann. Wir wussten alle, dass in dieser Mannschaft mehr gesteckt hat. Aber wir müssen es auch alle abrufen, jedes Wochenende aufs Neue. Ich glaube, das macht die Mannschaft im Moment auf einem guten und konstanten Niveau.

Wie funktioniert so etwas konkret?

Das fragen sich die Mannschaften, die jetzt unten drin stehen, vermutlich auch. Ob das Augsburg ist, Stuttgart oder auch Hoffenheim, das eigentlich ganz andere Qualität hat. Schwierig zu erklären. Viel spielt sich im Kopf ab. Das ist kein Geheimnis und trotzdem immer wieder ein Phänomen. Wenn du erst mal unten drin stehst, spielt es sich nicht mehr so leicht. Das mussten wir letzte Saison erfahren.

Woher nimmt Hertha das Zutrauen, das neue System zu beherrschen?

Letztlich sind die Ergebnisse die Bestätigung dafür, dass wir auf einem guten Weg sind. Aber angefangen hat es im Sommer damit, dass der Trainer uns dieses Zutrauen gegeben, dass er uns glaubhaft vermittelt hat, dass er diesen Fußball mit unserer Mannschaft spielen kann. Das ist schon eine anspruchsvolle Spielphilosophie. Deshalb ist es umso wichtiger, dass die Automatismen funktionieren. Die trainieren wir jede Woche, und inzwischen hat die jeder Spieler intus. Gegen einzelne Mannschaften haben wir sie vielleicht nicht so umsetzen können, weil die Qualität der Topteams doch noch einmal eine andere ist. Aber jeder Spieler wächst mit der Zeit, mit den Erfolgserlebnissen, auch mit der Art, wie wir spielen.

Auffällig ist, dass trotz der aktiveren Spielweise mit mehr Ballbesitz die defensive Stabilität nicht verloren gegangen ist.

Ja, das ist gut zu wissen. Das, was wir letzte Saison aufgebaut haben, diese Kompaktheit, versuchen wir auch in dem neuen System beizubehalten. Letzte Saison standen wir mit der Viererkette oft 20, 22 Meter vor dem eigenen Tor; jetzt versuchen wir, zehn Meter weiter nach vorne zu schieben. Wenn wir das Feld zwischen den einzelnen Linien eng halten können, haben wir weniger Eins-gegen-eins-Situationen. Aber das ist auch für die Mittelfeldspieler sehr anspruchsvoll und laufintensiv. Vor deren Leistung ziehe ich den Hut. Vor allem, wenn du im Spiel immer mehr ermüdest, nicht nur körperlich, sondern auch mental. Das über 90 Minuten hoch zu halten, das haben wir bisher auch noch nicht geschafft.

Wie schwer war die Umstellung?

Es hat zumindest Zeit gebraucht. Das funktioniert nicht von null auf hundert. Unser Fußball in der vergangenen Saison war sicher nicht ansehnlich. Aber ich glaube, wir haben in der letzten Saison auch das Beste aus unserer Situation gemacht. Mehr war nicht möglich – weil die Köpfe nicht frei waren, weil die Beine schwer waren, sich viele Unkonzentriertheiten eingeschlichen haben, weil vielleicht auch die Angst mitgespielt hat. Die jetzige Spielphilosophie war für uns neu, aber dass wir den Ball treffen können, das war für uns nicht neu. Deshalb war es für jeden einzelnen Spieler wichtig, einen Nullpunkt zu setzen und zu sagen: Okay, jetzt zeigen wir es doch noch einmal.

Was treibt die Mannschaft jetzt mehr an: sich das neue Gefühl für das Spiel zu bewahren oder es noch weiterzuentwickeln?

Wir müssen schon noch demütig sagen: Hey, wir haben bisher eine tolle Hinrunde gespielt. Mit dem einen oder anderen Makel. Aber wir können auch noch mehr. Jeder Einzelne kann noch mehr. Und die Mischung im Team macht es möglich, dass wir als Mannschaft noch mal einen Schritt machen können.

Standen Sie in Ihrer Karriere eigentlich schon mal so weit oben wie im Moment?

Vierter Platz nach zwölf Spieltagen? Ich kann mich nicht daran erinnern, dass ich das schon mal erlebt habe.

Was ist der Unterschied zur ersten Halbserie nach dem Aufstieg, als Hertha unter Jos Luhukay im Winter Sechster war?

Ich vergleiche Trainer ungern.

Dann vergleichen Sie doch die Situation!

Ich will nicht sagen, dass wir die Dinge besser einzuschätzen wissen. Aber jede schlechte Erfahrung hat auch etwas Gutes. Aus der schlechten Rückrunde sollten wir gelernt haben, dass uns das nicht noch einmal passieren darf. Ich kann aber natürlich nicht verlässlich sagen, dass uns das nicht noch einmal passiert.

Sie haben gesagt, dass die Hoffenheimer bisher unter ihren Möglichkeiten gespielt haben. Macht es das für Hertha leichter?

Im Gegenteil. Wer Huub Stevens ein bisschen verfolgt hat, weiß, dass es immer unangenehm ist, gegen seine Mannschaften zu spielen. Auch in Hoffenheim ist sein Einfluss schon zu erkennen. Die Mannschaft ist viel kompakter geworden. Wir werden also nicht viele Chancen bekommen, eine Torchance zu entwickeln geschweige denn ein Tor zu schießen. Genau darauf lag bei uns im Training in dieser Woche auch das Hauptaugenmerk: dass wir auf engem Raum so wenige Kontakte wie möglich haben, schnell spielen und Lücken finden.

Wie sehr haben die Ereignisse in Paris und Hannover die Vorbereitung beeinflusst?

Natürlich war es auch in der Mannschaft ein Thema – weil es überall ein Thema war. Jeder macht sich Gedanken, jeder setzt sich damit auseinander. Und jeder muss für sich sehen, wie er damit am besten umgeht. Ich kann nicht für alle sprechen. Aber wichtig ist auch, irgendwo zur Normalität zurückzukehren. Wir werden vor dem Spiel sicherlich nicht den Ablauf verändern. Es bringt nichts, sich da in etwas hineinzusteigern.

Aber werden Sie nicht auch von Freunden oder Ihrer Familie damit konfrontiert, dass der Terror jetzt den Fußball erreicht hat?

Ja, es ist auch schwierig, damit umzugehen. Ich glaube, den besten Ansprechpartner findet man tatsächlich in der Familie. So ist es jedenfalls bei mir. Trotzdem geht es nicht, dass ich mir ab jetzt Woche für Woche einrede, ich spiele am Wochenende in einem vollen Stadion, das ist ein attraktives Terrorziel. Terror ist jetzt nach Europa gekommen, auch nach Deutschland. Jedem von uns ist bewusst geworden, dass das alles viel näher ist, als wir bisher gedacht haben. Das ist ein komisches Gefühl.

Das Gespräch führten Stefan Hermanns und Michael Rosentritt.

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