Wie Mainz 05 den Umbruch plant: „Union steht da, wo wir vor 15 Jahren gestanden haben“
Eva-Maria Federhenn, Aufsichtsrätin des FSV Mainz 05, über das Familiäre im Verein, neue Probleme und ihre Sympathien für den nächsten Gegner 1. FC Union.
Eva-Maria Federhenn, 52, ist stellvertretende Aufsichtsratsvorsitzende des FSV Mainz 05, der am Samstag (15.30 Uhr, live bei Sky) gegen den 1. FC Union spielt. Im Interview spricht sie über Parallelen zu Union, das Image als Familienverein und Mitgliederbeteiligung.
Frau Federhenn, welche Parallelen sehen Sie zwischen Mainz 05 und dem 1. FC Union?
Union steht da, wo wir vor 15 Jahren gestanden haben. Ich kann mich auch noch gut an das allererste Bundesliga-Jahr 2004 erinnern, diese Gänsehaut-Momente bei unserem ersten Spiel in Stuttgart, beim ersten Tor, das war grandios. So geht es Union jetzt auch.
Welche Parallelen sehen Sie noch?
Auch der 1. FC Union ist ein sehr bodenständiger Verein, der mit weniger Mitteln als viele andere Klubs etwas auf die Beine stellen muss. Solchen Vereinen fühlen wir uns verbunden. Ich habe mich deshalb über den Aufstieg von Union gefreut, auch wenn man oft gehört hat, dass Klubs wie Stuttgart oder der HSV eher in die Bundesliga gehören würden.
Mainz spielt nun im elften Jahr Bundesliga, der Umsatz betrug im vergangenen Jahr 145,5 Millionen Euro. Sehen Sie noch Wachstumsmöglichkeiten für Ihren Klub?
Wir wollen uns stetig weiterentwickeln, aber immer auf einer soliden Basis. Das heißt mit Augenmaß investieren und nur so viel ausgeben, wie auch an Geld vorhanden ist. Es wird bei uns immer so sein, dass wir über Transfererlöse Kapital erwirtschaften müssen. Dann geht es darum, mehr Mitglieder zu werben. Unsere Nachbarn in Frankfurt stehen bei knapp 80.000 Mitgliedern, wir liegen bei 12.400. Aber gerade regional wollen wir uns breiter aufstellen und die Aktivitäten im Umland erhöhen.
Mainz 05 galt immer als Familienverein. Wie viel Familie bleibt bei einem Umsatz von 145,5 Millionen Euro noch übrig?
Wir sind in den letzten Jahren sehr schnell gewachsen, es ist also wichtig, dass die ganze Struktur hinterherkommt. Digitalisierung, Vermarktung, regionale Sponsoren, all das sind Felder mit Potenzial. Aber klar ist auch: Je größer man wird, umso schwerer wird es, das Familiäre beizubehalten. Als Beispiel nenne ich den Umzug ins neue Stadion: Das kleine heimelige Bruchwegstadion war natürlich familiärer als die neue Arena, manchmal vermissen wir diese spezielle Atmosphäre, das gebe ich zu. Aber diese Umbruchsituationen hat man immer, wenn man sich weiterentwickeln will.
Welche Wege gehen Sie, damit die Fans dem Verein emotional verbunden bleiben?
Wir hatten mit Jürgen Klopp oder Thomas Tuchel das Glück, solche herausragenden Köpfe zu haben. Eine gewisse DNA sollte der Verein aber schon haben. Wir sind aktuell dabei, mit unserer Fanabteilung ein neues Leitbild zu entwerfen. Die Fanabteilung stellt sogar einen durch die Satzung garantierten Vertreter im Aufsichtsrat. Aktuell geht es darum, zu verifizieren, was wir als Mainz 05 sind. Was also die Fans unter Mainz 05 verstehen und wofür wir als Verein stehen wollen.
Was glauben Sie?
Familie spielt eine große Rolle, die Mainzer Fastnacht gehört dazu. Wir organisieren eine eigene Fastnachts-Sitzung, das kam super an, das erzeugt Nähe.
Was Fan- und Mitglieder-Beteiligung angeht, ist ein Klub wie RB Leipzig das komplette Gegenteil zu Mainz 05 oder dem 1. FC Union. Halten Sie die Fanproteste gegen RB also für gerechtfertigt?
Es ist nicht meine Aufgabe, Fanproteste anderer Klubs zu bewerten. Der FSV geht seinen eigenen Weg, RB Leipzig einen anderen. Wir kämpfen als Verein für den Wettbewerb in der Liga und Bedingungen, die diesen auch ermöglichen. RB Leipzig ist ja nicht der einzige Klub, der von besonderen Voraussetzungen profitiert. Wir müssen das akzeptieren.
Befürchten Sie, dass Klubs der Kategorie RB oder Hoffenheim, wo Investoren den Kurs vorgeben, Klubs der Kategorie Mainz, Union oder Freiburg aus der Ersten Liga langfristig verdrängen könnten?
Natürlich stehen wir jedes Jahr vor dem Thema, dass es um den Klassenerhalt gehen wird. Schaut man sich aber Vereine wie Stuttgart oder den HSV an, die ebenfalls über deutlich größere Ressourcen verfügen, muss man festhalten, dass wir viele Dinge richtig machen. Es kommt eben nicht nur aufs Geld an, sondern auf die Entscheidungen, die man trifft, wie man einen Verein führt. Es geht immer noch um einen sportlichen Wettbewerb.
Um neue Mittel zu generieren, könnte auch Mainz einen Investor in den Klub holen, der – wie bei Hertha BSC – Minderheitsbeteiligter ist. Ein denkbares Szenario?
Anlass für solche Planspiele gibt es aktuell nicht, da kein Investor vor der Tür steht, auch wenn wir registrieren, was in anderen Vereinen passiert. Wir haben unsere Strukturen durch Satzungsänderungen professionalisiert, die einer Aktiengesellschaft ähneln. Aber letztlich sind unsere Mitglieder immer noch voll beteiligt.
Die Zuschauerzahlen in Mainz schwinden seit Jahren, von durchschnittlich 32.143 in der Saison 2011/2012 auf 26.111 in der vergangenen Spielzeit. Wie erklären Sie das nachlassende Interesse?
Das hat mehrere Gründe: der Hype der Klopp- und Tuchel-Jahre war irgendwann weg, vielleicht ist der eine oder andere Anhänger fußballmüde geworden und vielleicht findet einfach auch generell zu viel Fußball statt. Mehr Fans ins Stadion zu locken, das ist unsere größte Aufgabe für die kommenden Jahre. Andererseits: Sieht man die Zuschauerzahlen im Verhältnis zur Größe der Stadt, liegt Mainz 05 im Bundesliga-Vergleich in der oberen Tabellenhälfte.
Was fehlt Union noch, um auf eine Stufe mit Mainz zu kommen?
Elf Jahre ununterbrochen in der Bundesliga zu spielen! (lacht)