Doppelinterview: Union gegen Hertha: Präsidenten im Streitgespräch
Die Präsidenten von Union und Hertha, Dirk Zingler und Werner Gegenbauer, reden im Tagesspiegel-Streitgespräch über gestundete Stadionmieten, ausgepfiffene Spieler sowie Fußballmarken aus der Hauptstadt und in Köpenick.
Die Herren kennen sich?
DIRK ZINGLER: Wir sehen uns das eine oder andere Mal auf einer Veranstaltung, ansonsten hatten wir sportlich und geschäftlich wenig miteinander zu tun.
Ihre Vereine Hertha und Union auch nicht.
WERNER GEGENBAUER: In den vergangenen Jahrzehnten haben wir ja gar nicht gegeneinander gespielt. Und heute reden wir hier über zwei professionell geführte Klubs, die um ihre Position im Profifußball und in Berlin kämpfen.
Hertha nennt sich ja Hauptstadtklub.
GEGENBAUER: Nehmen Sie aus dem Begriff, dass wir Berlin als pulsierende Stadt, als Chance begreifen. Deshalb bezeichnen wir uns als der Hauptstadtklub. Als Verein aus und für Berlin und die Region.
ZINGLER: Seine Marke muss jeder für sich finden. Wir sind ein Berliner Fußballklub, der sich auch über seine Heimat Köpenick definiert. Und in dieser Saison gibt es eine besondere Konkurrenz, das Derby werden wir in vollen Zügen genießen.
Bislang gab es nur Vorhaltungen. Musste das sein?
ZINGLER: Ach, ob die Dinge sein müssen, wie sie sind, das kann man in vielen Bereichen hinterfragen.
Wir fassen mal zusammen: Am Wochenende wurde bekannt, dass der Senat Hertha die Miete für das Olympiastadion stundet. Union sieht eine Wettbewerbsverzerrung in der Zweiten Liga und hat sich bitter über den „West-Berliner Senat“ beklagt.
ZINGLER: Ost und West meine ich immer geografisch, aber natürlich steckt hinter der Kritik eine politische Aussage. Und die Reaktionen zeigen mir, dass wir vielleicht nur die Spitze des Eisberges berührt haben.
GEGENBAUER: Wir haben eine Vereinbarung mit der Stadionbetriebsgesellschaft. Für die Mietstundung zahlen wir Zinsen, fertig.
ZINGLER: Ich weiß, was ich sage. Ich habe in den letzten Jahren sehr intensiv mit dem Senat verhandelt, über Sportstättensanierung und -finanzierung. Und ich weiß, welche Argumente mir in den letzten Jahren genannt wurden, wenn es darum ging, was nicht geht. Wenn man dann feststellt, dass anderen Dinge gelingen, die uns nicht gelingen, dann fragen wir halt den Senat. Manchmal habe ich das Gefühl, dass die Köpenicker so lange nett und sympathisch wirken, so lange sie nicht den Mund aufmachen.
Herr Zingler, Sie haben den Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit ins Stadion An der Alten Försterei eingeladen. Wird der sich willkommen fühlen, nachdem Sie den Senat so massiv angegriffen haben?
ZINGLER: Das muss Herr Wowereit selbst beantworten. Er war ja in den letzten 20 Jahren sehr selten bei uns und er ist es als Politiker sicherlich auch gewohnt, mit kritischen Worten umzugehen. Als wir 2004 aus der Zweiten Liga abgestiegen sind, haben wir den Senat um Hilfe gebeten. Die einzig zunächst sichtbare Reaktion von Herrn Wowereit war, dass er sich für 50 Euro ein Trikot gekauft hat.
Herr Gegenbauer, wird Hertha nicht tatsächlich besser behandelt? Hauptsponsor ist der Staatskonzern Deutsche Bahn, das Stadion wurde vom Bund saniert, der Senat stundet die Miete. Hertha wirkt wie ein staatlich alimentierter Verein.
GEGENBAUER: Das Olympiastadion wurde ja nicht für Hertha modernisiert, sondern für die Sportstadt Berlin, für die WM 2006, für das jährliche Pokalfinale oder auch die Leichtathletik-WM. Ich wage zu bezweifeln, dass es ohne saniertes Stadion ein Länderspiel im Oktober gegen die Türkei hier geben würde. Das alles hat nichts mit dem Spielbetrieb von Hertha zu tun. Wir sind am Ende der Ankermieter, der dafür sorgt, dass die laufenden Einnahmen da sind. Es ergibt vielmehr einen sehr ausgewogenen Nutzen für die Stadt Berlin und für Hertha BSC.
ZINGLER: Das ist ja richtig. Aber dann soll die Stadt Berlin das bitte auch alles transparent machen und kommunizieren. Wenn es wirtschaftlich geboten ist für den Senat, greift er eben in den Wettbewerb ein. Wenn es wirtschaftlich geboten ist für die Stadt, dann stundet sie Hertha eben die Miete. Das akzeptieren wir auch, aber nur, wenn Berlin nicht gleichzeitig behauptet: Wir behandeln jeden gleich. Das geht vielleicht gar nicht anders. Die Alte Försterei gehörte ja auch nicht dem Land Berlin, sondern dem Bezirk Treptow-Köpenick.
Die Mietstundung wird mit fünf Prozent verzinst. Hätte man sich das Geld nicht auch auf dem freien Kapitalmarkt per Kredit besorgen können?
ZINGLER: Da fragen Sie mal Herrn Gegenbauer, ob man als Fußballverein auf dem Kapitalmarkt so leicht für fünf Prozent verzinste Kredite bekommt. Ich habe sehr viel mit dem Land Berlin verhandelt. Uns hat das Land die Alte Försterei in einem nicht bespielbaren Zustand übergeben. Das Land hat dem Investor gesagt: Wenn du mir das Gelände sanierst, stunde ich dir für fünf Jahre die Erbpachtzinsen. Da hat der Verein erst mal überhaupt keinen Vorteil. Das Land Berlin hat eine marode Immobilie sehr, sehr kostengünstig aus seiner Verantwortung entlassen. Dafür haben wir 600 000 Euro Baukostenzuschuss bekommen. Vergleichen Sie bitte: In Charlottenburg wurde für 240 Millionen Euro ein subventioniertes Stadion fertiggestellt. Wir haben häufig um einen höheren Zuschuss über fünf oder zehn Millionen Euro gebeten, aber das Land hat gesagt, es sei aus haushaltsrechtlichen Gründen dazu nicht in der Lage. Wenn ich dann höre, dass Vergleichbares woanders geht, kann ich Herrn Gegenbauer nur beglückwünschen. Dann hat er besser verhandelt als ich.
GEGENBAUER: Erstens habe ich überhaupt nicht verhandelt, es gibt eine Vereinbarung zwischen zwei Vertragspartnern. Und zweitens, Herr Zingler: Wenn Sie über die Sanierung des Olympiastadions reden, ist ein Teil Ihrer Argumentation unzulässig: Es ging damals um die Struktur zwischen Bund und Senat, das hatte mit Hertha BSC überhaupt nichts zu tun.
ZINGLER: Aber Herr Gegenbauer, Hertha BSC war Gesellschafter der Stadion-GmbH …
GEGENBAUER: … aber doch nicht zum Zeitpunkt der Vereinbarung zwischen Bund und Berlin. Jetzt ist aber mal Schluss.
(Zingler lacht)
GEGENBAUER: Da brauchen Sie jetzt gar nicht zu lachen, es geht um eine Sanierung des Olympiastadions, mit der Hertha erst einmal überhaupt nichts zu tun hatte. Das war eine Frage zwischen Bund und Berlin. Erst später ging es um die Frage der Betreibung. Erst einmal ging es darum, wie ein herausragendes Bauwerk dieser Stadt saniert wird. Und in einem unsanierten Stadion hätten wir einen solchen Mietvertrag nicht unterzeichnet.
Herr Zingler, Sie sprechen von Wettbewerbsverzerrung auch wegen Herthas Stürmer Adrian Ramos, für den Hoffenheim angeblich dreieinhalb Millionen Euro geboten hat. Bei einem Verkauf von Ramos, sagen Sie, hätte Hertha die Mietstundung nicht in Anspruch nehmen müssen. Wir zitieren Ihren Sportdirektor Christian Beeck: Wenn Ramos zwei Tore gegen uns schießt, dann schießt der Senat zwei Tore.
ZINGLER: Das war unglücklich formuliert und überhaupt nicht so gewollt. Wir wollten die Situation bloß an einem plastischen Beispiel deutlich machen. Ramos wird in der Alten Försterei keine Sonderbehandlung erfahren. Ich gehe mal davon aus, dass alle elf Herthaner bei uns ausgepfiffen werden, so wie auch alle elf Unioner im Olympiastadion ausgepfiffen werden würden. Ich glaube nicht, dass wir uns falsch verhalten haben.
GEGENBAUER: Unser Geschäftsführer Michael Preetz hat sich sehr deutlich dazu geäußert …
… Zitat: „Ich halte das für eine Sauerei, denn das ist es, was ein Spiel aufpumpt!“ Herr Zingler, kam Ihnen die ganze Debatte gelegen?
ZINGLER: Das kam sie nicht. Ich war am Wochenende mit meiner Familie im Spreewald, es war ein wunderschöner Sommertag, als ich erstmals von der Mietstundung hörte. Da war der Sonntag versaut.
Herr Gegenbauer, war denn Herthas Lizenz tatsächlich in Gefahr?
GEGENBAUER: Richtig ist, dass wir den Lizenzantrag im Mai als Absteiger gestellt haben und dabei Transfererlöse von null Euro angegeben haben. Dabei war die Frage der Mietstundung einer von vielen zentralen Bausteinen. Nach der Lizenzerteilung mussten wir nicht auf Transferangebote eingehen, die Werte vernichtet hätten. Uns ging es darum, dass wir nicht verramscht werden. Hoffenheim hat für den Mainzer Thomas Schürrle gerade zehn Millionen Euro geboten. Bei Ramos fingen die an mit einem Angebot über eine Million.
ZINGLER: Es geht doch für Fußballklubs immer um die Liquidität. Wenn ich mir auf der einen Seite zweieinhalb Millionen Euro erspare, habe ich sie für andere Mittel zur Verfügung.
Würde Hertha noch ein Jahr länger in der Zweiten Liga durchstehen?
GEGENBAUER: Wir haben das Ziel Aufstieg formuliert, daran arbeiten wir. Wenn wir keinen Erfolg haben, werden wir redimensionieren müssen. Aber dieses Jahr halten wir mit unserer Struktur durch.
ZINGLER: In einem Punkt muss ich Herrn Gegenbauer recht geben: Natürlich hat der Senat für sich eine wirtschaftlich richtige Entscheidung getroffen. Nur dann soll er auch so kommunizieren und das transparent gestalten. Als unserer Stadiongesellschaft die Pacht gestundet wurde, haben wir das per Pressemitteilung bekannt gegeben.
Hätte Hertha auch so handeln können?
GEGENBAUER: Also, wir haben mit der Betreibergesellschaft verhandelt, die hat einen Aufsichtsrat. Und die Sache ging durch den Haushaltsausschuss des Abgeordnetenhauses und dann durch den Vermögensausschuss. Was da jetzt formal falsch sein soll, kann ich nicht erkennen.
Herr Wowereit hat gerade erst gesagt, auch dem 1. FC Union sei schon die Miete gestundet worden. Außerdem hat Union schon von millionenschweren Zahlungen des Senats profitiert.
ZINGLER: Das stimmt nicht. Unsere Stadiongesellschaft hat als Investitionszuschuss eine Stundung der Pacht über fünf Jahre bekommen – 600 000 Euro, wie gesagt. Der Verein 1. FC Union hat gar nichts bekommen, was Einfluss auf den Etat hatte. Da wundere ich mich schon, wenn Herr Wowereit sagt, ich solle mal die Millionen zählen, die wir bekommen haben. Aber das werden wir mit dem Senat direkt klären.
Haben Sie Herrn Wowereit denn in dieser Angelegenheit schon kontaktiert?
ZINGLER: Noch nicht. Wir werden am Freitag das Gespräch miteinander suchen. Im gemütlichen Rahmen bei uns an der Alten Försterei.
Das Gespräch führten Sven Goldmann und Robert Ide.