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Viel Eis, aber auch viel Berlin. Daniel Brière beim Einsatz für die Eisbären.
© City-Press GbR

Eisbär Brière: Unerkannt in der U-Bahn

Für manche ist die BVG nicht die größte Bühne der Stadt: Warum der kanadische Eishockeyspieler Daniel Brière seine Zeit in Berlin genießt.

Daniel Brière entdeckt Berlin. Mit der „die heißt nicht Metro?“-U-Bahn. „Das ist Entspannung“, sagt er. „Denn ich werde sehr selten erkannt.“ Und der Mann aus dem frankokanadischen Gatineau rechnet vor: In Philadelphia muss er vor den Fans ins Restaurant flüchten, in Kanada kann er nicht mehr vor die Tür gehen. So ist das Leben für einen Star vom Kaliber Brières im Einzugsgebiet der besten Eishockey-Liga der Welt, der National Hockey League (NHL). Nur außerhalb davon lebt es sich entspannt, eben in Berlin als Angreifer bei den Eisbären, seinem Klub auf Zeit.

Dass sich Brière in Berlin so ungezwungen bewegen kann wie Bastian Schweinsteiger in New York, hat einfache Gründe. Die Deutsche Eishockey-Liga (DEL) hat nicht den Stellenwert der NHL, zudem stellen hiesige Teenies selten Sportstars nach. Mögen sie auch so smart aussehen wie Brière, der schüchterne Star mit dem unglaublichen Spielverständnis. Trotz großer Gabe hat er sich bis in die NHL schinden müssen. Trainer befanden ihn mit 1,78 Meter Körpergröße als zu klein und dann nannten sie ihn „Babyface“. Bei starken Männern, die bei den sogenannten „Strongman Competitions“ Traktoren ziehen und Baumstämme werfen, hat er drei Sommer lang mittrainiert, um stark zu werden.

Jetzt ist Daniel Brière 35 Jahre alt und Multimillionär. Seit 1998 spielt er in der NHL, bei den Philadelphia Flyers hat er 2007 unterschrieben, für 52 Millionen Dollar Gehalt in acht Jahren. Da kann er auch mal ohne NHL leben. Der „Lockout“, der Tarifstreit in der Liga zwischen Klubbesitzern und Spielergewerkschaft, macht es möglich, dass Brière seit zwei Monaten für die Eisbären spielt. Als in der NHL 2004/2005 eine ganze Saison ausfiel, hat er als Angreifer des SC Bern die Schweiz kennengelernt. Das sei eine Horizonterweiterung gewesen, aber nichts gegen Berlin. „Sonst ist Geschichte ja oft gefühlt weit weg. Aber hier ist sie ganz nah. Als ich kam, wusste ich natürlich etwas über die Berliner Mauer. Aber hier konnte ich mit Menschen sprechen, die die Teilung erlebt haben.“ Wann immer er Zeit habe, schaue er sich in der Stadt um. „Normalerweise bewegst du dich in deinem Berufsumfeld, und das ist bei mir nun mal das Eishockey.“ In Berlin aber könne er auch mal ausbrechen. Er lächelt wie ein Schüler, der froh ist, einen Nachmittag von der Klassenreise geflüchtet zu sein.

Brière und seine besondere Beziehung zu Teamkollege Giroux

Aber Brière macht mitnichten Urlaub von seiner Karriere. Er nimmt die Eisbären ernst, das belegen seine starken statistischen Werte nach elf Spielen für die Berliner. Das Niveau in der Liga sei gut, das Niveau im Team sehr gut. „Wir müssen nur schauen, dass wir uns nicht immer dem Level des Gegners anpassen. Sonst haben wir weiter diese Achterbahn-Ergebnisse.“ Vier, fünf seiner deutschen Teamkameraden würde er den Sprung in die NHL zutrauen. Er zuckt mit den Schultern, will wohl nicht sagen, dass sich mancher mehr schinden müsse, so wie er und sein Kollege und Freund von den Philadelphia Flyers Claude Giroux, der ebenfalls nach Berlin gekommen ist – zurzeit allerdings verletzt zur Untersuchung in den USA weilt und auch am Freitag den Berlinern beim Spiel in Hamburg fehlen wird (Beginn 19.30 Uhr).

Brière erzählt über den elf Jahre jüngeren Giroux, dass der immer der Beste sein wolle. So trainiere er, so spiele und lebe er. Giroux ist so etwas wie sein Ziehsohn. In Philadelphia hat er den Teamkollegen schon in seinem Haus wohnen lassen. „Ich hatte Platz, nachdem ich mich von meiner Frau getrennt hatte.“ Die Trennung von der Familie, der Tod seiner Mutter im August und dann soll er eine Freundin haben, die als Ärztin der US-Streitkräfte in Afghanistan ist. Der Privatmensch Brière hätte viel zu erzählen, tut es aber nicht.

Er erzählt lieber von Berlin. Jüngster Museumsbesuch? Pergamonmuseum. Ungestört von Fans mit Smartphones. „Die fotografieren mich in Philadelphia sogar beim Essen im Restaurant“, sagt Brière. In Berlin undenkbar. Wie lange er die Freiheit auf Zeit noch genießen darf? „Als ich zu den Eisbären kam, dachte ich, dass ich nach ein paar Wochen wieder in Philadelphia bin“, sagt er. „Aber jetzt weiß ich nicht, wann es in der NHL weitergeht. Die Parteien sind zu weit auseinander.“

Claus Vetter

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