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"Hoch soll er leben" - Paul Breitner (r.) und weitere Bayern-Spieler trugen Udo Lattek am 28.6.1972 auf einer Ehrenrunde durch das mit fast 80.000 Zuschauern ausverkaufte Münchner Olympiastadion.
© dpa

Zum 80. Geburtstag von Udo Lattek: Und Schöns Assistent war er auch

Er war ein Sportler - und auch ein Lebemann. Erst kürzlich wurde Udo Lattek 80 Jahre alt. Helmut Schümann hat ihm zu diesem Anlass eine Würdigung geschrieben. Hier können Sie den Text nachlesen.

Der Mann ist krank, schwer krank. Heute wird Udo Lattek 80 Jahre alt. Vor zwei Jahren musste er am Gehirn operiert werden wegen eines gutartigen Tumors. Da hatte er schon zwei Schlaganfälle hinter sich. Und nach der Operation wurde die Diagnose gestellt: Parkinson, verbunden mit schleichender Altersdemenz. Udo Lattek lebt in einem Pflegeheim. Das allein verlangt eine respektvolle Laudatio zum Geburtstag. Aber man kann nicht umhin, neben dem Sportler Lattek auch den Lebemann Lattek zu erwähnen, vielleicht auch, weil ein Zusammenhang zu den Krankheiten denkbar ist.

Drücken wir es so aus: Sehr, sehr gerne schaute Lattek ins Glas. Und zumindest in seiner Zeit beim FC Bayern München übernahm er bei Auswärtsfahrten in Hotelzimmern bisweilen die Verhaltensweisen vieler Rockstars der Siebzigerjahre. Es wurde für die mitreisenden Journalisten auf jeden Fall nie langweilig mit Udo Lattek, vielleicht hielten sie sich deshalb alle ans Schweigeversprechen. Aber vielleicht waren die Eskapaden auch ein Grund, warum es damals in den Achtzigern beim FC Bayern München Stimmen gab, die meinten, dass es keine Kunst sei, diese grandiosen Spieler zu trainieren, „das schafft auch ein Besenstil!“.

Und das stimmt einfach nicht! Man gewinnt nicht einfach so in der Bundesliga acht deutsche Meistertitel, darf nicht einfach so dreimal den DFB-Pokal in die Höhe stemmen, holt nicht mir nichts, dir nichts alle drei europäischen Pokale, den der Landesmeister, den der Pokalsieger und den Uefa-Cup. Ach so, und das wissen die wenigsten: Als die deutsche Nationalmannschaft im berühmten Finale nach dem noch berühmteren Tor (das keins war, Anm. des Autors) 1966 bei der Weltmeisterschaft in Wembley gegen England verlor, da war Udo Lattek auch dabei. Als Assistent von Bundestrainer Helmut Schön. Das kann man dann schon eine hübsche Strecke nennen, die Lattek sich erarbeitet hat.

Udo Latteck: Mäßiger Spieler, überragender Trainer

Und das von einem, der zunächst nicht vorgehabt hatte, Fußballtrainer zu werden. Lattek, Ostpreuße von Geburt, Rheinländer von der Bestimmung, war mäßiger Spieler und studierte nebenbei Mathematik und Physik für das Lehramt, unterrichtete auch ein paar Jahre. Dann aber, im Frühjahr 1965, mit dem Training der Jugendnationalmannschaft, ging sie los, die grandiose Karriere. Sie brachte ihn nach dem DFB zu Bayern München, zu Borussia Mönchengladbach, zu Borussia Dortmund, zum FC Barcelona, dann wieder zu Bayern, als Sportdirektor zum 1. FC Köln, zum FC Schalke 04 – das war die Phase des blauen Pullovers –, zu Borussia Dortmund, zur „Welt“, „Sportbild“ und zum „Kicker“ als Kolumnist und schließlich als Waldorf und Statler in den „Doppelpass“. Dass er sich dabei das Kleingeld für das Phrasenschwein vorab von der Redaktion geben ließ, sei am Rande erwähnt.

Ein Trainer von altem Schlag, dem Sprüche wie „die Spieler müssen Gras fressen“ nicht peinlich waren, der aber, anders als sein martialischer Widergänger Felix Magath, auf sanfte Trainingsmethoden und auf sein Gespür für Spieler setzte. Und damit verblüffte. Abschließende Anekdote: Der Autor, damals Bayern-Berichterstatter der „SZ“, hatte ein Spiel von Fortuna Düsseldorf, dem nächsten Gegner der Bayern, gesehen. Lattek: „Sagen Sie, was hat der Kaiser gespielt?“ Andreas Kaiser war vom Autor zum schlechtesten Profi aller Zeiten gekürt worden. Lattek interessierte sich eben für jeden Mann beim Gegner. Und Bayern gewann natürlich hoch. Herzlichen Glückwunsch, Udo Lattek. Und wenn es helfen würde: gute Besserung.

Udo Lattek ist am 1. Februar im Alter von 80 Jahren gestorben.

Helmut Schümann

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